Jasmin Theuringer
Für den Arbeitnehmer ändert sich durch den Wechsel des Betriebsinhabers zunächst einmal nichts. Hat er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht widersprochen, wird dieses mit dem Erwerber zu unveränderten Bedingungen fortgesetzt. Der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags ist nicht erforderlich, die Vereinbarun-gen des bisherigen Arbeitsvertrags gelten in dem Rechtsverhältnis zwischen Erwerber und Arbeitnehmer weiter. Die Betriebszugehörigkeit wird vollumfänglich berücksichtigt, die Vereinbarung einer Probezeit ist daher unzulässig und auch bei der Bemessung der Kündigungsfristen wer-den die bisherigen Beschäftigungszeiten mitgezählt.
Folgen für den Erwerber
Der neue Betriebsinhaber kann nach dem Betriebsübergang sämtliche Arbeitgeberrechte aus den übergegangenen Arbeitsverhältnissen geltend machen. Er ist Gläubiger der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und derjenige, der das Direktionsrecht ausüben, Abmahnungen und Kündigungen aussprechen kann.
Durch den Eintritt in die Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen schuldet er nicht nur die vereinbarte Vergütung, er haftet darüber hinaus für rückständigen Lohn, verdiente und noch nicht ausgezahlte Tantiemen und noch nicht erteilten Urlaub. Auch bestehende Verträge zur betrieblichen Altersvorsorge sind vom Erwerber fortzuführen.
Folgen für den Veräußerer
Der bisherige Betriebsinhaber haftet auch nach Veräußerung der Apotheke neben dem Erwerber noch für Ansprüche der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis. Diese Haftung ist beschränkt auf Ansprüche, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind und spätestens innerhalb eines Jahres danach fällig werden. Entstandene und noch nicht sofort fällige Ansprüche sind etwa der erst am Jahresende fällig werdende Anspruch auf Weihnachtsgeld oder auf Abgeltung des wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaubs. Für diese Ansprüche haftet der Veräußerer aber nur anteilig. Wird beispielsweise die Apotheke zum 1. Juli eines Jahres veräußert, so haftet der bisherige Arbeitgeber für den Anspruch der Mitarbeiter auf Weihnachtsgeld nur zur Hälfte.
Kündigungsschutz
Nahezu jeder Betriebsübergang wird von den Arbeitnehmern mit der Behauptung verbunden, dass ein Jahr lang nicht gekündigt werden dürfe. Für dieses Missverständnis sorgt das im Gesetz enthaltene Kündigungsverbot. In § 613a Absatz 4 BGB heißt es, dass eine wegen des Betriebsübergangs ausgesprochene Kündigung unwirksam ist, unabhängig davon, ob der bisherige oder der neue Arbeitgeber sie ausspricht.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass jede zeitnah nach dem Betriebsübergang ausgesprochene Kündigung unwirksam wäre. Für eine derartige Regelung gäbe es auch kein Bedürfnis. Denn damit würden Arbeitnehmer, die von einem Betriebsübergang betroffen sind, gegenüber anderen Arbeitnehmern bevorzugt. Sinn des Kündigungsverbots in § 613a Absatz 4 BGB ist vielmehr, die Kontinuität der Arbeitsverhältnisse zu sichern, also zu gewährleisten, dass niemand wegen einer Betriebsveräußerung seinen Arbeitsplatz oder seine erworbenen Rechte verliert. Ein Kündigungsverbot besteht also nur dann, wenn der Betriebsübergang der wesentliche Grund für die Kündigung ist.
Wenn z. B. der Erwerber die Filiale des Veräußerers nur dann kaufen möchte, wenn dieser zuvor dem Filialleiter kündigt, ist das eine Kündigung „wegen“ des Betriebsübergangs und damit unzulässig. Wird dagegen in der Apotheke dem dritten Approbierten aus betrieblichen Gründen gekündigt, weil nicht genügend Kunden da sind, und wird anschließend die Apotheke verkauft, ist das zulässig. Denn die Kundenfrequenz und der damit verbundene Umsatz sind von der Veräußerung der Apotheke unabhängig. Ebenso zulässig ist z. B. die fristlose Kündigung einer Mitarbeiterin, die in die Kasse greift, auch wenn die Kündigung kurz nach dem Betriebsübergang erfolgt. Vereinfacht gesagt scheitert eine Kündigung nur dann am Kündigungsverbot des § 613a Absatz 4 BGB, wenn sie ohne den Betriebsübergang nicht ausgesprochen worden wäre. Die Kündigung ist unabhängig davon gegebenenfalls am Kündigungsschutzgesetz zu messen.
Kann der Arbeitgeber keinen triftigen Grund für eine Kündigung nennen, die zeitnah vor oder nach dem Betriebsübergang ausgesprochen worden ist, so wird vermutet, dass sie „wegen“ des Betriebsübergangs erfolgte und somit unzulässig ist. Diese Vermutung kann jedoch durch die Darlegung von Gründen, die die Kündigung rechtfertigen, widerlegt werden.
An dem Kündigungsverbot des § 613a BGB Absatz 4 scheitern auch Umgehungsversuche. So ist es etwa unzulässig, die Mitarbeiter durch ein Übernahmeversprechen des Erwerbers zu bewegen, ihre Arbeitsverhältnisse selbst zu kündigen und mit dem Erwerber neue Verträge – zu schlechteren Bedingungen – abzuschließen. Diese neuen Verträge sind wegen der versuchten Umgehung des Kündigungsverbots nichtig, stattdessen gelten die bisherigen Arbeitsbedingungen fort.
Kollektivrechtliche Regelungen
Die Rechte aus Betriebsver-einbarungen und Tarifverträgen unterliegen einer einjährigen Veränderungssperre. Betriebsvereinbarungen sind Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und in den wenigsten Apotheken zu finden. Für Apotheken kann aber die Veränderungssperre hinsichtlich tarifvertraglicher Regelungen relevant sein, wenn die bisherigen Arbeitsverhältnisse durch die Rechtsnormen des Bundesrahmentarifvertrags für Apothekenmitarbeiter (BRTV) geregelt war. Waren z. B. sämtliche Mitarbeiter und der Veräußerer Mitglied in der ADEXA bzw. im Arbeitgeberverband, so waren die Regelungen des BRTV für diese Arbeitsverhältnisse zwingend. Ist der Erwerber nun nicht Mitglied im Arbeitgeberverband, würden nach dem Betriebsübergang die Regelungen des Tarifvertrags nicht mehr gelten. Diese kollektivrechtlichen Regelungen werden in diesem Fall aber zum Inhalt der Arbeitsverträge. Das bedeutet, sie werden so behandelt, als seien sie im Einzelnen vertraglich vereinbart worden. Erst nach Ablauf eines Jahres nach dem Inhaberwechsel sind Veränderungen zum Nachteil der Arbeitnehmer möglich. Allerdings müssen sich – wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet – die Veränderungen an diesem messen lassen.
Das Kündigungsverbot und die Veränderungssperre bedeuten aber nicht, dass der Erwerber keinerlei Neuerungen in der nun von ihm geleiteten Apotheke einführen darf. Änderungen im Betriebsablauf, wie z. B. veränderte Öffnungszeiten, dürfen ebenso eingeführt werden wie die dadurch unumgänglichen Verschiebungen hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit für die einzelnen Mitarbeiter. Derartige Veränderungen widersprechen nicht der Kontinui-tät der Arbeitsverhältnisse, sondern sind – solange sie sich innerhalb der durch den Arbeitsvertrag bestimmten Grenzen bewegen – zulässige Maßnahmen im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers.
Jasmin Theuringer, Rechtsanwältin, Bellinger Rechtsanwälte und Steuerberater, 40212 Düsseldorf, E-Mail: theuringer@bellinger.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(04):10-10