Prof. Dr. Reinhard Herzog
Der Stückertrag der effektive Rohgewinn je Packung unter Berücksichtigung aller Rabatte und Vorteile – ist sicher die am leichtesten überschaubare Erfolgsgröße. Bei der Entscheidung zwischen ähnlich teuren Produkten mit vergleichbaren Absatzzahlen ist der Stückertrag ein gutes Auswahlkriterium. Aber er spiegelt nur einen Teilaspekt wider und verblasst schnell, wenn die Absatzzahlen nicht vergleichbar sind. Was haben Sie von einem hochpreisigen Produkt mit hohem Stückertrag, das nur wenig gekauft wird und zudem teuer im Einkauf ist, d.h. viel Kapital bindet?
Damit sind wir bei den wichtigen zusätzlichen Entscheidungsgrößen angekommen, nämlich der Umschlagshäufigkeit und dem Kapitaleinsatz. Denn das wichtigste ökonomische Ziel besteht darin, dass sich das in den Waren gebundene Kapital optimal rentiert, also eine hohe Kapitalrendite erbringt. Die Nutzenkennziffer (NKZ) erweist sich hier als eine einfach zu berechnende Kennzahl: NKZ = Aufschlagssatz x Umschlagshäufigkeit.
Setzen Sie den Aufschlagssatz in Prozent und die Umschlagshäufigkeit pro Jahr ein, ergibt sich direkt die Kapitalrendite p.a. in Prozent. Die Umschlagshäufigkeit errechnet sich aus den verkauften Einheiten in der betrachteten Periode, dividiert durch den durchschnittlichen Lagerbestand (so geht der Lagerbestand und damit die relative Kapitalbindung in die Rechnung ein).
Ein typisches Apotheken- Warenlager weist insgesamt einen Aufschlagssatz von etwa 35 % bis 40 % auf und schlägt sich rund zehnmal im Jahr um. Daraus errechnet sich eine Kapitalrendite von 350 % bis 400 %. Das erscheint enorm hoch, doch wurde ja lediglich das Warenlager als Bezugsgröße genommen. Aus diesen 350 % auf den Warenkapitaleinsatz müssen schließlich alle Kosten und der Gewinn bestritten werden.
Kapitalrendite als Messlatte
Gleichzeitig dient dieser Wert als Messlatte. Alles, was darunter liegt, erbringt statistisch unterdurchschnittliche Kapitalrenditen (viele teurere Rx-Präparate). OTC-Produkte sollten erheblich höhere Werte erzielen, erst recht in der Sichtwahl. Spitzenprodukte (Aufschlagssatz > 80 %, Umschlagshäufigkeit > 20-mal) erbringen Kapitalrenditen von etlichen tausend Prozent.
Der Stückertrag und die Kapitalrendite sind also die entscheidenden betriebswirtschaftlichen Auswahlkriterien. Die wegen des Kundennutzens so wichtige pharmazeutische Seite sei hier einmal außen vor gelassen.
Regelmeterumsätze und -erträge
Beim Abverkaufscontrolling in der Frei- und Sichtwahl erweist sich der Rohertrag je Regalmeter als aussagestarke Kennziffer. Der Regalmeterumsatz sagt demgegenüber schon viel weniger aus. Interessant ist weiterhin der Stückumsatz je Regalmeter, indiziert dieser doch die Aktivität, d.h., wie oft hier nachgefragt und zugegriffen wird.
Doch wie ermitteln Sie diese regalmeterbezogenen Kenngrößen? Relativ einfach ist die Gesamtschau. Vorausgesetzt, Sie haben eine Lagerortverwaltung in Ihrer Warenwirtschaft und halten diese up to date, lässt sich schnell die Umsatz-, Ertrags- und Stückzahlsumme von Sichtwahl oder Freiwahl im gewünschten Zeitraum bilden. Messen Sie die Regalmeter aus, haben Sie die Durchschnittswerte.
Interessanter ist aber die Identifikation der „guten“ und der „schlechten“ Zonen. Beim category management wird mit Planogrammen vorgegeben, wo was hinkommt. Ein Trick hilft, die Sicht- und Freiwahl zu unterteilen. Kleben Sie im Abstand von z. B. 25 cm kleine Marken auf, beginnend in einer oberen Ecke, regalbodenweise fortschreitend. Je laufendem Meter kleben Sie zusätzlich eine entsprechende Metermarke. Diese Metermarken können Sie als weitere Lagerorte in der EDV hinterlegen. SW-19 steht dann z. B. für die Sichtwahl, Regalmeter 19 bis 20. Mit dieser Zusatzkennzeichnung sollte es gelingen, gute und schlechte Zonen genauer zu identifizieren. Die raren Spitzenplätze können im Verbund mit Top-Produkten fünfstellige Jahresumsätze je Meter erzielen.
Schauen Sie im Übrigen einmal, welcher Anteil Ihres gesamten OTC-Geschäfts auf die Sichtwahl entfällt. Nicht selten wird hier mit wenigen Präparaten der Löwenanteil umgesetzt, was wieder ein Beleg für das Pareto-Prinzip (20:80-Prinzip: Mit 20 % der Produk-te werden 80 % des Umsatzes gemacht, 20 % der Kunden bringen 80 % des Ertrags usw.) ist. Dagegen fällt die „Schubladenware“ erheblich ab. Doch ist hier oft immer noch viel Kapital gebunden.
Flächenumsätze eher ungeeignet
Weniger zur Leistungsbeurteilung des OTC- und Freiwahlgeschäfts geeignet sind flächenbezogene Kennziffern, insbesondere der Umsatz je Quadratmeter Verkaufsfläche. Anders als bei Lebensmittelhändlern oder Drogeriemärkten streut der Verkaufsflächenanteil in Apotheken stark und gliedert sich zudem in den Sicht- und Freiwahlbereich. Dabei machen die Sichtwahlflächen erfahrungsgemäß den höchsten Umsatz, obgleich sie wenig mit der Verkaufsfläche an sich zu tun haben. Das illustriert die Begrenztheit dieser Flächenkennzahlen in der Apotheke. Wer aber Vergleichswerte haben möchte: Lebensmittelhändler kommen auf etwa 4.000 € bis 5.000 € Umsatz je Quadratmeter p.a., Drogeriemärkte auf 2.500 € bis teilweise deutlich über 5.000 €.
Sortiments- und Indikationen-Controlling
Gerade unter dem Aspekt des Marketings und der Platzierung ist die Information, welche Indikationen wie nachgefragt werden, von größter Bedeutung. Schritt eins dazu ist die Zuordnung der Produkte zu den Indikationen. Dies ist über die entsprechenden Einträge im Stammdatensatz bereits standardmäßig gegeben. Viele Warenwirtschaftssysteme gestatten aber zusätzlich das Anlegen eigener Gruppen, sofern dies im Einzelfall erforderlich erscheint (z. B. eigene Spezialsortimente).
Schritt zwei ist die Zusammenfassung der aufgelaufenen Packungsumsätze in den jeweiligen Gruppen. Auch das beherrschen fast alle Systeme. Schritt drei ist die Auswertung der Kennziffern Umsatz, Rohgewinn, Kapitalrentabilität sowie Packungszahl respektive Kundenzahl über die jeweilige Indikation und die betrachtete Periode (z.B. einen Monat) hinweg. Saisoneffekte sind bei laufenden Monatsvergleichen zu beachten. Weiterhin bedeutsam ist der Rohgewinn je Packung bzw. Kunde in dieser speziellen Indikation. Hier zeigt sich schnell, dass es rentable und eben weniger ertragreiche, dafür oft stückzahlstarke Indikationen (wie z.B. Erkältung) gibt.
Sie werden feststellen, dass manche Indikationen hohe Umsätze und eine gute Kapitalrentabilität zeigen – prima! Hohe durchschnittliche Stückerträge steigern die Freude daran noch weiter. Vielleicht aber sind die Umsätze gut, die Stückerträge schon mäßig und die Kapitalrentabilität ist deutlich schlechter als in anderen OTC-Segmenten – Achtung! Das kann an der Preispolitik liegen, die Lagerbestände sind vielleicht zu hoch und möglicherweise ist die Präparateauswahl in diesem Bereich nicht optimal. Sie sehen: Erst die Gesamtschau mehrerer Kennziffern zeichnet ein aussagestarkes Bild – und gibt bereits erste Fingerzeige zur Optimierung.
Rabatt- und Preis- Controlling
Gerade das OTC-Segment ist anfällig für einen schleichenden Renditeschwund. Gründe dafür können sein:
- Oft nur in kleinen Stufen kontinuierlich verminderte Rabatte und Vorteile, auch in versteckter Form wie Wegfall von Proben und sonstigen Zugaben, geänderte Rabattstaffeln und Zahlungsmodalitäten.
- Festhalten an alten Bezugsmodalitäten (Direkteinkauf traditionell bei Vertreter XY), obgleich sich Konditionsveränderungen ergeben haben, die eine Gegenüberstellung mit anderen Bezugsquellen wie dem Großhandel oder einen Wechsel zu anderen Produkten angeraten erscheinen lassen.
- Stille Änderungen der unverbindlichen Preisempfehlungen, die blind übernommen werden.
- Eigene Preispolitik, die nicht konsequent auf ihre Auswirkungen auf die Gesamtrendite des OTC-Bereichs überprüft wird.
Oft kommen mehrere Punkte zusammen. So verwundert es nicht, dass die letzten Jahre Margeneinbußen von 3 bis 5 %-Punkten im apothekenpflichtigen OTC-Segment gebracht haben. Um diesem Margenschwund zu begegnen, ist strikte Disziplin nötig.
Verfolgen Sie konsequent die Einkaufskonditionen. Wie groß fällt Ihr durchschnittlicher Rabatt in diesem Segment aus, wie entwickelt er sich über die Zeit hinweg? Die Erfassung macht Arbeit und verlangt ein ständiges Einpflegen aller Einkaufsdaten. Im Klartext: Sie müssen einfach den „echten“ Netto-Netto-EK kennen sowie die tatsächliche Spanne und den Stückertrag der jeweiligen Produkte – und das in der zeitlichen Entwicklung. Nur so sehen Sie, wohin sich die Renditen bewegen und warum. Alles andere ist Augenwischerei. Nun können Sie nicht 1.000 OTC-Produkte gleichermaßen auf dem „Radarschirm“ beobachten, auch wenn Ihre EDV das prinzipiell leisten würde. Zumindest die Top-Seller sollten Sie jedoch konsequent im Auge behalten.
Wer dies scheut, kann sich wie folgt behelfen:
- Konzentrieren Sie das Controlling auf Ihre fünf größten OTC-Direkteinkaufsquellen sowie natürlich die entsprechenden Großhandelskonditionen.
- Bauen Sie kleinere Direktbestellungen (unter etwa 500 € bis 1.000 € Bezugswert) möglichst ab. Der Gewinn an Zeit sowie geringere Prozess- und Lagerkosten kompensieren leicht eventuell entstehende Rabattnachteile.
- Berechnen Sie zudem die Auswirkungen Ihrer Preispolitik. Wie man z.B. einen Handzettel durchkalkuliert, wird in einem späteren Beitrag noch erläutert werden.
- Setzen Sie weiterhin Ihre Schwerpunkte auf Indikationen mit hohem Aufmerksamkeitswert und Leidensdruck, sprich großer Ausgabebereitschaft.
Teil 5 der Serie in der nächsten AWA -Ausgabe vom 1. März 2008 befasst sich mit der geschickten Platzierung als Erfolgsfaktor.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(04):7-7