Prof. Dr. Reinhard Herzog
Heruntergefallene Fliesen, marode Kühlschränke oder Discolärm – die Reklamationsliste der Reiseveranstalter ist lang. Deutlich verbessert hat sich in den vergangenen Jahren jedoch der Umgang der Veranstalter mit Kundenbeschwerden: Galt früher die Regel, dass Reklamationen großteils abgeschmettert wurden, kümmern sich die meisten Veranstalter heute bereits vor Ort um die Lösung auftretender Probleme. Aber auch Beschwerden zu Hause werden oft kulant geregelt, seit sich der Wettbewerb in der Branche verschärft hat.
Allerdings kann auch der Urlauber einiges dazu tun, dass Beschwerden gar nicht erst notwendig werden: Die Reisekataloge enthalten oft Hinweise darauf, dass die Urlaubsfreude im ausgewählten Objekt möglicherweise getrübt werden könnte – wenn auch meist in schmucke Worte verpackt.
„Naturbelassen“ signalisiert Abfallberge
Dies beginnt bei der Lagebeschreibung. Worte wie „aufstrebend“ oder „lebhaft“ signalisieren, dass hier möglicherweise noch gebaut wird oder mit nächtlichem Lärm zu rechnen ist. Aber auch das Gegenteil ist nicht immer positiv zu bewerten: „Ursprünglich“ oder „naturbelassen“ heißt, dass die Gemeinden nicht allzu viel für ihre Gäste tun. Ein schmutziger Strand oder eine fehlende Infrastruktur ist jedoch selbst für einen gutmütigen Urlauber ein Ärgernis.
Etwas anders ist es bei der Lagebeschreibung „ruhig“. Wer gern abends an einem menschenleeren Strand sitzt und den Sternenhimmel genießt, wird eine „ruhige Lage“ begrüßen. Wer jedoch gern einmal einen Stadtbummel machen möchte, für den kann die Entfernung zum nächsten Ort zum Problem werden. Zwischen den Zeilen lesen sollten Urlauber aber auch beim Hinweis „wenige Minuten Transfer“: Dies kann bedeuten, dass das Hotel in der Einflugschneise des Flughafens liegt – was allenfalls flugzeugbegeisterte Urlauber wirklich genießen werden.
Vergleichbares gilt für die Hotelbeschreibungen: Hier sollten Sie stets bedenken, dass der Veranstalter alle angebotenen Hotels „verkaufen“ möchte, also auch die 1- oder 2-Sterne-Herbergen – zu entsprechend niedrigen Preisen. Er wird also versuchen, mit positiven Formulierungen die Wahrheit zu umschreiben. „Verkehrsgünstige Lage“ bedeutet ebenso wie „Stadthotel“, dass mit Verkehrslärm zu rechnen ist. Ein „internationales Publikum“ lässt auf Massentourismus schließen, ein „Hotel für Junggesellen“ oder „für junge Leute“ bedeutet Discolärm bis in den frühen Morgen.
„Gemütlich“ und „beliebt bei Stammgästen“ kann auf eine etwas ältere Einrichtung hindeuten. Aber auch Neueröffnungen werden von erfahrenen Vielreisenden zumindest im ersten Jahr gemieden – bis sich das Personal aufeinander eingespielt hat.
Nichtssagende Entfernungen
Zu wahren Formulierungskünstlern werden manche Veranstalter, wenn es um Entfernungen geht. „Direkt am Meer“ sagt beispielsweise nichts darüber aus, ob das Meer an dieser Stelle überhaupt zum Baden geeignet ist, denn schließlich liegt auch ein Industriehafen direkt am Meer. Wird nur eine Entfernung – z.B. „200 Meter bis zum Meer“ – genannt, kann dies bedeuten, dass zuvor eine lebhafte Straße überquert werden muss oder dass das Hotel auf einer Klippe liegt und der Badestrand mehrere Kilometer entfernt ist. Auch wenn das Meer „über Treppen erreichbar“ ist, sollten sich Urlauber auf einen längeren Fußweg einstellen. „Geeignet für Ausflüge in die Umgebung“ kann signalisieren, dass vor Ort wenig geboten wird.
Interessante Formulierungen finden sich auch bei den Zimmerbeschreibungen: Ein „Zimmer zur Meerseite“ bedeutet mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass sich vor dem Meerblick ein größeres Haus befindet. Hinweise auf eine „funktionelle Einrichtung“ oder – dies sollte selbstverständlich sein – „saubere Zimmer“ deuten darauf hin, dass sich außer einem einfachen Bett nicht viel im Raum befindet. Auch das „Upgrade bei Verfügbarkeit bei An-kunft“ bietet keinerlei Garantien, ebenso wie der Verweis darauf, dass „einige Zimmer“ z.B. mit Klimaanlage, Safe oder Minibar ausgestattet sind – denn schließlich handelt es sich bei drei Zimmern in einem 500-Betten-Haus ja schon um „einige“.
Gleiches gilt für den „beheizbaren Pool“ – der eben nicht beheizt sein muss. Sind die „Sportanlagen nicht für Profis geeignet“, wird es sich in aller Regel um heruntergekommene Tennisplätze oder eine verstaubte Tischtennisplatte handeln. Im Übrigen sollten Sie bei allen „Können“-Hinweisen (z.B. „Die Freizeiteinrichtungen des Nachbarhotels können mitbenutzt werden“) nachfragen, welche Kosten dafür entstehen. Keine Debatte ist bei allen als „fakultativ“ beschriebenen Möglichkeiten erforderlich: Hier muss extra bezahlt werden – sofern ein entsprechendes Angebot überhaupt existiert.
Warnhinweise sind ernst gemeint
Als absolute Warnsignale sollten Sie jede Form des direkten Hinweises verstehen: Sätze wie „In der Hochsaison kann es im Servicebereich zu Verzögerungen kommen“ deuten auf lange Wartezeiten beim Essen hin. Auch der „mögliche“ oder „gelegentliche Baulärm“ sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden, denn hier ist mit einer Großbaustelle in der Nähe zu rechnen. Werden „Badeschuhe empfohlen“, ist der Strand meist steinig oder mit Korallen übersäht, und wenn gar von „eingeschränkten Serviceleistungen“ gesprochen wird, dann müssen Sie sich auf Selbstversorgung einstellen.
Diese wenigen Beispiele zeigen, welche Spielräume Veranstalter bei der Objektbeschreibung haben. Grundregel daher: Wenn Sie auf bestimmte Leistungen Wert legen, sollten Sie diese bereits bei der Buchung als verbindliche Vorgabe – nicht als „Kundenwunsch“ – fixieren. Dann ist der Veranstalter daran gebunden und kann sich im Reklamationsfall nicht auf die Beschreibung berufen.
Informationen aus dem Internet
Gute Dienste leistet aber auch das Internet: In Portalen wie www.holidaycheck.de sind mittlerweile nahezu alle bedeutenden Urlaubshotels rund um die Welt gelistet. Reisende haben hier die Möglichkeit, ihre Erfahrungen mit dem jeweiligen Hotel detailliert zu publizieren und auch eigene Fotos zu veröffentlichen. Schon nach dem Lesen weniger Kommentare lässt sich meist gut erkennen, ob das ausgewähl‑ te Hotel den eigenen Vorstellungen entspricht. Allerdings sollte man weder überschwänglich positive noch allzu negative Berichte überbewerten:
- Zum einen gibt es immer Urlauber, die selbst bei einem erstklassigen Service etwas auszusetzen haben,
- zum anderen wird manchen Hoteliers auch nachgesagt, hier selbst aktiv zu werden und ihre Offerten allzu sehr zu loben.
Austausch im Onlineforum
Neben diesen mehr oder weniger kommerziellen Angeboten gibt es mittlerweile nahezu für jedes Reiseland Internetforen, in denen sich Urlauber untereinander austauschen – auch über Hotels und ihre Serviceangebote. Wer etwa nach Norwegen reisen will, findet wertvolle Hinweise unter http://www.forum.norwegen-freunde.com, wer Mauritius als Ziel ausgewählt hat, erhält bei www.info-mauritius.com/forum wichtige Informationen. Finden lassen sich solche Offerten über die Suchmaschine Google durch Eingabe des Landes mit dem Zusatz „Forum“.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(05):16-16