Helmut Lehr
Behinderungsbedingte Mehraufwendungen sind dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. In der Praxis verweigern die Finanzämter den Abzug von Aufwendungen für erforderliche Umbaumaßnahmen jedoch häufig mit dem Hinweis auf die sogenannte Gegenwerttheorie1) .
Danach sind Aufwendungen nur abziehbar, wenn sie für den Steuerpflichtigen tatsächlich verloren sind, sie ihm also keinen (außerhalb der Behinderung nutzbringenden) Gegenwert verschaffen. Die Finanzverwaltung kann sich bei ihrer Argumentation dabei durchaus auf aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs berufen2) .
Rollstuhlgerechte Einrichtungen
Dass es sich trotzdem lohnen kann, vergleichbare Aufwendungen in der Steuererklärung geltend zu machen, zeigt jedoch ein aktuelles (rechtskräftiges) Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz3) .
Die Tochter des Steuerpflichtigen ist seit ihrer Geburt im Jahr 1993 zu 100 % behindert. Im Jahr 2003 führte er an seinem Wohnhaus behindertengerechte Umbaumaßnahmen durch. Es handelte sich um Türverbreiterungen, den Einbau einer doppelten Flügeltür in der Dusche und rollstuhlgerechte Rampen.
Hinweis: Das Finanzgericht hat die Kosten sämtlich als außergewöhnliche Belastung anerkannt und entschieden, dass in diesem Fall kein Gegenwert erkennbar sei.
Begründung entscheidend
Die Richter haben sich eingehend mit der obersten Rechtsprechung auseinandergesetzt. Die behindertengerechte Ausführung der Umbaumaßnahmen hätte im Streit- fall derart im Vordergrund gestanden, dass die Kosten außergewöhnliche Belastungen darstellten.
Der Einbau der Flügeltür in der Dusche führte nach Ansicht des Gerichts nicht zu einem bleibenden Gegenwert, weil eine Flügeltür und die Badezimmertür nun in der Weise miteinander kollidieren, dass beide nicht gleichzeitig geöffnet werden können. Diesen Nachteil („konstruktives Manko“) habe der Kläger beim Umbau bewusst in Kauf genommen, sodass die neue Flügeltür allenfalls einen negativen Gegenwert habe. Die Rollstuhlrampen führten im Ergebnis ebenso zu keiner besseren Nutzbarkeit des Hauses, weil sie speziell auf Kinderbedürfnisse (enge Fahrspur) zugeschnitten und die mittig verbleibenden Trittflächen daher erheblich eingeschränkt sind. Zudem besäßen sie keine Marktgängigkeit.
Auch Türverbreiterung begünstigt
Diese Aufwendungen dienten nach Ansicht des Finanzgerichts ausschließlich der rollstuhlgerechten Nutzung der Immobilie und seien deshalb unstreitig behinderungsbedingt. Ein Gegenwert sei angesichts der mit den Türverbreiterungen verbundenen Nachteile (Verkleinerung des nutzbaren Wohnraums) nicht erkennbar.
Hinweis: Die Entscheidung macht deutlich, dass es sich gerade im Bereich der behinderungsbedingten Mehraufwendungen im weitesten Sinne lohnen kann, den Rechtsweg zu beschreiten. Oftmals ist es auch möglich, bereits das Finanzamt davon zu überzeugen, dass (nur) auf den ersten Blick entgegenstehende Rechtsprechungsgrundsätze im betreffenden Fall nicht zur Anwendung kommen. Der Kläger hatte das Finanzgericht offenbar in der mündlichen Verhandlung von der Notwendigkeit der Aufwendungen überzeugt und die Maßnahmen zuvor bereits durch umfangreiche Fotografien etc. sorgfältig dokumentiert.
1) Vgl. Hinweis 33.1-33.4 Einkommensteuer-Hinweise, Stichwort: Behindertengerechte Ausstattung.
2) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 10 vom 15. Mai 2006, Steuer-Spartipp Nr. 2, Seite 18.
3) Urteil vom 24. Oktober 2007, Aktenzeichen 2 K 1917/06.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(08):17-17