Prof. Dr. Reinhard Herzog
Als der Deutsche Aktienindex DAX im Frühjahr 2003 bei rund 2.200 Punkten notierte, herrschte an der Börse tiefster Pessimismus: Eine schwache Wirtschaftslage, eine hohe Arbeitslosenrate und nicht zuletzt Diskussionen um die Lage am Golf ließen kaum Hoffnung auf eine baldige Trendwende aufkommen. Doch die Börse entwickelte sich entgegen der Erwartung der meisten Analysten: Die Kurse stiegen und damit begann eine knapp fünfjährige Hausse, die den Aktien Kursgewinne von durchschnittlich rund 260% und in der Spitze sogar mehr als 1.000% brachte.
Recht überraschend war aber auch die Entwicklung im Jahr 2007: Obwohl der Markt von zahlreichen Unsicherheitsfaktoren überschattet wurde – z.B.gestiegenen Rohstoffpreisen, dem schwachen US-Dollar, Problemen an der Zinsfront und der Subprime-Krise –, hielt sich der DAX nahe seiner Allzeit-Höchststände im Bereich von rund 8.000 Punkten.
Die Trendwende begann jedoch zum Jahresauftakt 2008: Plötzlich beherrschten die eigentlich längst bekannten Themen die Nachrichtenlage und binnen weniger Wochen brach der DAX rund 20% ein. Verstärkt wurde der Abwärtstrend durch die Probleme der französischen Société Générale, bei der es einem einzigen Manager gelang, rund 5 Mrd. € Verlust mit Finanzderivaten zu erwirtschaften. Vor diesem Hintergrund wurden die später bekannt gewordenen Milliardenverluste etwa der Deutschen Bank bereits mit einem Schulterzucken abgetan.
Sehr unterschiedlich sind jetzt die Meinungen hinsichtlich der künftigen Entwicklung: Einig sind sich Marktbeobachter einzig über die Tatsache, dass die Bankenkrise noch längst nicht ausgestanden ist. Solange nahezu Woche für Woche neue Hiobsbotschaften aus der Finanzwelt in den Medien zu lesen sind, agieren Anleger extrem zurückhaltend. „Abwarten, was noch kommt“ – so lautet die Devise.
Beruhigung im Sommer?
Optimisten gehen jedoch davon aus, dass sich die Lage in den Sommermonaten beruhigen sollte und dann alle Negativmeldungen publiziert sind. Einige sehen sogar Chancen für überraschend gute Ergebnisse der Finanzinstitute, denn schließlich werden längst nicht alle jetzt abgeschriebenen Forderungen etwa aus Immobilienfinanzierungen tatsächlich ausfallen. Aber auch die aktuellen Fundamentaldaten geben Grund zu vorsichtigem Optimismus: In den Kursen ist ein Gewinnrückgang von bis zu 50% eingepreist – weit mehr als im Fall einer typischen Rezession (30% bis 40%). Und hinsichtlich Kurs/Gewinn-Verhältnis und Dividendenrendite sind viele deutsche Aktien „wahre Schnäppchen“.
Dem stehen die Pessimisten gegenüber, die von einer massiven Abschwächung der Weltkonjunktur ausgehen, die den DAX weiterhin erheblich unter Druck setzen könnte. Hinzu kommen Belastungen aus den Rohstoffpreisen und vom US-Dollar.
Am besten abwarten
Per saldo ist also zumindest vorerst eine abwartende Haltung die beste Alternative. Gute Signale kann in derartigen Situationen erfahrungsgemäß auch die Chartanalyse liefern: Ein Anstieg des DAX in den Bereich zwischen 7.000 und 8.000 Punkten könnte als Signal für eine Fortsetzung der Hausse gewertet werden, während ein Rückgang unter 6.000 Punkte als absolutes Warnsignal vor einer möglicherweise längeren Baisse zu interpretieren wäre.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(08):13-13