Prof. Dr. Reinhard Herzog
Entscheiden Sie sich für den Abschluss einer Kapital-Lebensversicherung, kann sich der Vermittler freuen: Durchschnittlich 4% der Versicherungssumme fließen als Provision auf sein Konto, bei einem Vertrag über den heutzutage durchaus üblichen Betrag von 100.000 € also immerhin 4.000 €. Und oftmals muss er dafür wenig tun: Hat der potenzielle Kunde feste Vorstellungen von dem gewünschten Produkt, genügt das schnelle Ausfüllen der Vordrucke für dieses doch stattliche Honorar. Die Kehrseite: Ohne Vertragsabschluss geht der Vermittler leer aus, denn Zahlungen fließen nur für die Unterschrift und – bei den meisten Policen – in der Folgezeit in Form einer „Bestandsprovision“.
Zahlreiche Newcomer
Allein schon die Höhe der oftmals gezahlten Provisionssätze von bis zu 8% der Beiträge hat jedoch zu einem wahren „Wildwuchs“ in der Branche geführt. Neben einer Vielzahl erfahrener, überaus seriöser Berater und Vermittler tummelt sich auch mancher „Möchtegernexperte“ in dieser Sparte. Einziges Ziel ist dabei der schnelle Abschluss möglichst hoch provisionier-ter Verträge, z.B. für Lebens- und Rentenversicherungen. Die tatsächlichen Kundeninteressen finden dabei meist wenig Beachtung, zudem verschwinden die meisten „Berater“ häufig schnell wieder von der Bildfläche.
Das Nachsehen hat der oftmals unbedarfte Kunde: Zunächst wird ihm die Kündigung mancher bestehender Verträge empfohlen, verbunden mit einem Neuabschluss bei einer dem Vermittler nahestehenden Gesellschaft. Dann stellt er fest, dass die neue Police mehr Nachteile als Vorteile bringt, doch nun ist der „Berater“ nicht mehr erreichbar. Eine Rückkehr zur bisherigen Versicherung wird zudem durch die Vertragsbedingungen erschwert oder ist – etwa in der privaten Krankenversicherung – nur zu wesentlich höheren Beiträgen möglich.
Vergleichbares gilt aber auch im Bereich der Geldanlage: Bis Anfang der 1990er-Jahre konnten sich Anleger durchaus vertrauensvoll an ihre Hausbank wenden, deren Berater um tatsächlich maßgeschneiderte und – vor allem – transparente Lösungen bemüht waren. Mittlerweile steht jedoch auch hier der Provisionsgedanke im Vordergrund: Anlageberater, deren Abschlüsse etwa im Bereich der Investmentfonds unter den Zielvorgaben liegen, haben heute kaum noch Karrierechancen. Entsprechend werden nicht nur provisionsträchtige Produkte wie Fonds als Geldanlage in den Vordergrund gestellt, sondern auch regelmäßige Umschichtungen in andere, nicht minder spesenaufwendige Anlagen empfohlen. Auch hier hat der Anleger wiederum das Nachsehen, da er zwar hohe Kosten und erhebliche Risiken tragen muss, aber nur magere Renditen erzielt – die oft weit unter den Zinssätzen von Tages- und Festgeldern liegen.
Feste Sätze
Vor diesem Hintergrund verzeichnet eine Branche immer mehr Zulauf: Unabhängige Honorarberater, die keine Provisionen für vermittelte Produkte erhalten und stattdessen vom Kunden bezahlt werden. Üblich sind Honorarvereinbarungen in Form einer Pauschale, z.B. 1.500 € für eine umfassende Altersvorsorgeplanung, von Stundensätzen (Größenordnung: 120 € bis 250 €/Stunde) oder eines festen Beratungshonorars (z.B. 0,75% bis 1,5% der Anlagesumme). Auch wenn diese Preise zunächst abschreckend klingen, können sie dennoch günstig sein: Denn schließlich erhält der Berater keine weiteren versteckten Provisionen, sodass der Kunde in vollem Umfang von den ausgewählten Produkten profitiert. Im Übrigen kann der Kunde meist wählen, ob er die Vertragsabschlüsse in eigener Regie vornimmt, was z.B. beim Kauf von provisionsfreien Investmentfonds in Frage kommt, oder ob der Berater auch die entsprechenden Transaktionen in die Wege leitet.
Viele Scharlatane
Das größte Problem in diesem Zusammenhang ist jedoch, einen entsprechenden Berater zu finden. Denn unter der Vielzahl der schwarzen Schafe in der Branche setzen einige gerade auf das gute Image der Honorarberatung. In ihren Angeboten führen sie ein Honorar von z.B. 100 € bis 300 € für entsprechende Maßnahmen an und erwecken damit den Eindruck der Unabhängigkeit und Neutralität. Tatsächlich lassen sie sich ihre Dienste aber auch vom Anbieter, also z.B. der Lebensversicherungsgesellschaft bezahlen, sodass der Kunde außer einer vielleicht etwas ausführlicheren Beratung keine Kostenvorteile hat.
Offenkundig wird dieser „Trick“ insbesondere dann, wenn eine Rückvergütung des Beratungshonorars bei Vertragsabschluss angeboten wird. Hier ist oft davon auszugehen, dass das Honorar lediglich den Anschein der Neutralität erwecken soll, letztlich jedoch noch schnellere Abschlüsse sicherstellt, da kaum ein Kunde auf das vermeintlich lukrative Angebot verzichten will.
Nichts ist umsonst
Als Interessent sollten Sie sich daher im Klaren darüber sein, dass heute niemand mehr seine Dienstleistungen kostenfrei oder zu Dumpingpreisen anbietet – schon gar nicht eine umfangreiche Finanzplanung, die neben entsprechenden Fachkenntnissen auch einen erheblichen Zeitaufwand erfordert. Entsprechend kritisch sollten Sie daher vermeintlich interessanten Angeboten gegenüberstehen.
Überlegenswert erscheint im Übrigen die eigene Suche nach Experten, deren Fachkenntnisse etwa durch den Titel „Certified Financial Planner“ bestätigt werden. Aber auch die Mitgliedschaft in einer überwachenden Vereinigung wie dem Financial Planning Standards Board Deutschland e.V. (www.fpsb.de) oder der Deutschen Gesellschaft für Finanzplanung e.V. (www.finanzplanung.de) kann als Vorteil angesehen werden.
Doch selbst einen derart ausgewiesenen Berater sollten Sie nochmals nach seinen Qualifikationen und Verbindungen etwa zu Versicherungsgesellschaften fragen. Wer hier lediglich auf zwei oder drei Kooperationspartner verweisen kann, wird kaum unabhängig beraten. Wer indes mindestens 10 bis 15 verschiedene Anbieter aus unterschiedlichen Produktbereichen in seinem Portefeuille hat, kann in der Regel als entsprechend neutral angesehen werden – wobei damit noch nicht die Frage nach der Provisionierung geklärt ist.
Bewährt hat sich in allen Zweifelsfällen im Übrigen auch, weitere Meinungen einzuholen, z.B. von Finanzexperten aus dem Freundeskreis. Aber auch ein Gespräch mit dem bisherigen Vermittler der Anlage kann – sofern ein entsprechendes Vertrauensverhältnis besteht – Klarheit schaffen. Dieser wird zwar kaum geneigt sein, z.B. eine Kündigung zu empfehlen, andererseits kann er oft Schwachstellen und Risiken der neuen Offerten aufzeigen, die der Berater verschwiegen hat. Keineswegs selten sind auch Fälle, in denen abwanderungswilligen Kunden preiswertere Alternativen angeboten werden, sobald sie mit einem Konkurrenzangebot bei der Gesellschaft anklopfen.
Vorteile im Schadensfall
Ohnehin müssen Angebote etwa von Ein-Firmen-Vertretern nicht zwangsläufig uninteressant sein. Gerade im Versicherungsbereich arbeiten zahlreiche Anbieter überaus seriös, ihre Geschäftstätigkeit ist auf Jahrzehnte ausgelegt. Hier wird man zwar nicht immer „am billigsten“ zum Zuge kommen, andererseits bietet ein gutes Vertrauensverhältnis auch manchen Vorteil, beispielsweise wenn es um die Abwicklung eines umstrittenen Schadensfalls geht.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(08):15-15