Claudia Mittmeyer
?Was erhoffen sich die privaten Krankenversicherungen von ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Gesundheitsreform?
Die Gesundheitsreform hat die Rahmenbedingungen der privaten Krankenversicherung (PKV) verschlechtert und zu Wettbewerbsnachteilen gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geführt. Dazu nur zwei Beispiele: Seit dem 2. Februar 2007 haben Arbeitnehmer erst dann das Recht, zu uns zu wechseln, wenn sie mindestens drei Kalenderjahre lang oberhalb der Versicherungspflichtgrenze verdient haben – bislang reichte ein Jahr. Und: Der ab 2009 von den Unternehmen der privaten Krankenversicherung anzubietende Basistarif wird wegen seiner Ausgestaltung durch den Gesetzgeber nicht kostendeckend sein können und deshalb von den Versicherten der PKV-Tarife quersubventioniert werden müssen. In der Summe führen diese und weitere Neuregelungen der Gesundheitsreform zu Belastungen für die Unternehmen und ihre Versicherten, die die Grenze des grundrechtlich Zulässigen überschreiten.
Die PKV setzt sich gegen diese Eingriffe in ihre Grundrechte zur Wehr: im Interesse ihrer Versicherten, aber auch im Interesse eines zukunftsfähigen Gesundheitswesens in Deutschland, für das die PKV heute wichtiger denn je ist. Denn die maßgeblichen Herausforderungen unseres Gesundheitswesens – steigende Kosten aufgrund der demografischen Entwicklung und des medizinischen Fortschritts – werden wir nur bewältigen können, wenn künftig mehr Menschen und mehr Leistungen privat und kapitalgedeckt abgesichert sind.
Eine große Zahl privater Krankenversicherungsunternehmen, die zusammen rund 95 % der Versicherten repräsentieren, hat gegen das Wettbewerbsstärkungsgesetz Verfassungsbeschwerde eingelegt. Dabei treten auch Versicherte als Beschwerdeführer auf. Denn sie sind es, die die Auswirkungen der Gesundheitsreform mit ihren Beiträgen finanzieren müssen. Wir gehen davon aus, in Karlsruhe Erfolg zu haben. Das Vorbereiten einer Verfassungsbeschwerde ist für die jeweiligen Unternehmen mit einem erheblichen zeitlichen und personellen Aufwand verbunden. Ohne die Erwartung, dass die Beschwerden Erfolg haben werden, hätte kein Unternehmen diese Belastung auf sich genommen.
?Welche Vorteile werden Privatversicherte auch zukünftig gegenüber gesetzlich Versicherten haben?
Die PKV ist mit ihrem klassischen, zukunftsfesten Sicherungsmodell gut auf die Zukunft vorbereitet: Der private Krankenversicherungsvertrag beinhaltet einen unkündbaren Leistungskatalog, dessen Umfang – anders als in der GKV – nicht von der Politik eingeschränkt oder verändert werden kann und der sich stetig um den medizinischen Fortschritt erweitert. Anders als in der GKV können die Versicherten in der PKV den Versicherungsschutz nach ihren individuellen Präferenzen auswählen. Damit haben sie auch Einfluss auf die Beitragshöhe. Alle Privatversicherten haben ungehinderten Zugang zu Ärzten und Krankenhäusern ihrer Wahl sowie zu vielen in der GKV nicht erstattungsfähigen Arzneimitteln und Behandlungsmethoden. Diese Stärken werden wir künftig noch weiter ausbauen, so streben wir gemeinsam mit den Ärzten einen eigenen Qualitätsstandard an.
Diese Vorteile gelten für alle klassischen Tarife der PKV. Sie gelten jedoch nicht für den Basistarif. Dieser muss bekanntlich in Art, Umfang und Höhe den Leistungen in der GKV vergleichbar sein. Der Basistarif wird mit entsprechenden Leistungslimitierungen, Kostendämpfungs- und Steuerungsinstrumenten ausgestattet sein, wie es sie auch in der GKV gibt. Künftige Leistungsausschlüsse und -reduktionen der GKV werden sich eins zu eins auswirken. Auch die Vergütung der Leistungen soll vergleichbar sein zu der in der GKV.
?In welchem Maße werden Apotheken auch langfristig von einem hohen Anteil an privat versicherten Patienten profitieren?
Allein im Bereich der Arznei-, Heil- und Hilfsmittel haben die Privatversicherten zuletzt einen Mehrumsatz von fast drei Milliarden Euro jährlich erbracht, insgesamt waren es annähernd zehn Milliarden. Dieses Geld hätte, gesetzt den hypothetischen Fall, sie wären gesetzlich versichert, im deutschen Gesundheitswesen gefehlt.
Auch in Zukunft wird die PKV eine budgetfreie Zone und damit Träger von Innovation und Wachstum bleiben. Dabei darf sie sich aber nicht mit der Funktion des Kostenerstatters begnügen und dabei zuschauen, wie ihre Vorzüge durch einen ständigen Anstieg der Leistungserbringer-Vergütung konterkariert werden. Unser Ziel ist es, in fairer Partnerschaft mit Ärzten, Apothekern und anderen Leistungserbringern stärker Einfluss auf Preise, Mengen und Qualität von Arzneien, Methoden und Heilbehandlungen zu nehmen, als wir dies heute tun. Es liegt im gemeinsamen Interesse von Apothekern und PKV, das herausragende Leistungsversprechen der privaten Krankenversicherung werthaltig und zu tragbaren Kosten für unsere Patienten und Versicherten einzulösen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(11):4-4