Prof. Dr. Reinhard Herzog
Als die Berliner Politiker über die Details der Abgeltungssteuer berieten, waren die Emittenten von Zertifikaten noch optimistisch: Man werde, so die entsprechenden Pressemeldungen, die Papiere künftig so konstruieren, dass sie dem Anleger dauerhaft steuerfreie Erträge sicherten. Mittlerweile wurde dieses erhoffte Steuerschlupfloch jedoch geschlossen und eine Stichtagsregelung eingeführt: Nur für Zertifikate, die vor dem 15. März 2007 gekauft wurden, gilt das alte Steuerrecht. Das bedeutet, dass die Erträge generell steuerfrei sind, wenn der Anleger die Papiere erst nach Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist verkauft. Nur beim Verkauf innerhalb dieser Frist ist ein eventueller Gewinn im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu versteuern.
Steuerfrei verkaufen bis 30. Juni 2009
Anders ist die Lage bei Papieren, die ab dem 15. März 2007 erworben wurden. Ist hier die einjährige Spekulationsfrist abgelaufen, dann ist ein steuerfreier Verkauf nur noch bis zum 30. Juni 2009 möglich. Werden die Papiere jedoch später veräußert, kommen die Regelungen der Abgeltungssteuer zum Tragen.
Bei Verkäufen innerhalb der Ein-Jahres-Frist unterliegen die Gewinne
- dem persönlichen Steuersatz des Anlegers (zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer), sofern der Verkauf bis zum 30. Juni 2009 erfolgt, oder
- den Regelungen der Abgeltungssteuer bei einem Verkauf ab dem 1. Juli 2009.
Gut beraten sind Zertifikate-Anleger also, wenn sie sich den 30. Juni 2009 im Kalender vormerken: Aus steuerlicher Sicht kann ein Verkauf bis zu diesem Termin immer dann sinnvoll sein, wenn die Ein-Jahres-Frist bereits abgelaufen ist. Aber auch bei Papieren, die sich noch innerhalb der Ein-Jahres-Frist befinden, ist ein Verkauf bis zum 30. Juni 2009 überlegenswert, wenn der persönliche Grenzsteuersatz unter dem künftigen Abschlagssteuersatz liegt. Denn so sparen Sie sich ggf. die detaillierte Aufschlüsselung Ihrer Kapitalerträge ab 2009, mit der Sie die Rückerstattung der zuviel bezahlten Abgeltungssteuer beantragen.
Ein wichtiger Stichtag ist jedoch nicht nur der 30. Juni 2009, sondern bereits der 30. Juni 2008. Wenn Sie vor diesem Tag Zertifikate kaufen und sie nach Ablauf der Ein-Jahres-Frist veräußern, können Sie einen eventuellen Gewinn noch ganz legal steuerfrei einnehmen.
Garantien führen zur vollen Steuerpflicht
Generell ausgenommen von den Neuregelungen sind allerdings die meisten Garantiezertifikate. Sie werden als Finanzinnovationen eingestuft mit der Folge, dass alle während der Laufzeit eingetretenen Kursveränderungen steuerlich relevant sind. Bei Verkäufen bis Ende 2008 ist dabei der persönliche Einkommensteuersatz des Anlegers maßgeblich, bei Veräußerungen ab 2009 kommt die Abgeltungssteuer zum Tragen.
Eine Grundregel gilt jedoch für alle Zertifikat-Varianten: Die steuerlichen Rahmenbedingungen sind zwar interessant, wesentlich wichtiger sind jedoch die Kursveränderungen bzw. die Chancen und Risiken der einzelnen Papiere. So nützt eine eventuelle Steuerfreiheit wenig, wenn der Kurs eines Papiers massiv eingebrochen ist. Aber auch bei unverändertem Kurs, jedoch anhaltenden Chancen sollten Sie den fundamentalen Faktoren mehr Gewicht einräumen als den steuerlichen Regelungen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(11):15-15