Prof. Dr. Reinhard Herzog
Noch vor wenigen Jahren waren die finanziellen Ziele der älteren Generation klar vorgegeben: Das über Jahrzehnte angesparte Vermögen sollte – so die Meinung in vielen Familien – eines Tages den Kindern und Enkeln zugutekommen. Mittlerweile beginnt sich jedoch das Bild zu wandeln. Immer mehr Familien kommen zu der Überzeugung, dass sie nach einem arbeitsreichen und – vor allem – oft sparsamen Leben auch einmal etwas für sich selbst tun sollten. „Vererben ja, aber nicht um jeden Preis“, lautet zunehmend die Devise, ein „gesunder Egoismus“ macht sich breit. Aber auch für den Fall von Krankheit und möglicher Pflegebedürftigkeit gilt es, ausreichende Rücklagen bereitzuhalten.
Frühzeitig vorbereiten
Eines wird dabei klar: Die Geldanlage muss frühzeitig auf die Zeit nach dem Renteneintritt „vorbereitet“ werden. Am Anfang steht daher, wie bei jeder Anlagestrategie, die Bestandsaufnahme für den Zeitpunkt des Rentenbeginns. Auf der Einnahmenseite sind die voraussichtlichen laufenden Renten- und ggf. Pachteinnahmen zu addieren, aber auch andere regelmäßige Leistungen wie Zins- und Dividendeneinnahmen. Auf der Ausgabenseite sind zunächst die Steuern und Versicherungen sowie die Lebenshaltungskosten zu listen, aber auch nicht regelmäßig anfallende Kosten etwa für Urlaubsreisen oder Kuraufenthalte.
Aus der Gegenüberstellung lässt sich erkennen, ob die Leistungen bereits ausreichen, um den eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren. Ist dies der Fall, steht das angesparte Vermögen für Aktivitäten sowie unerwartete Aufwendungen zur Verfügung, zusätzliche Sparanstrengungen sind nicht mehr zwingend erforderlich. In verstärktem Maße gilt dies, wenn auch für den Fall der Pflegebedürftigkeit bereits hinreichend vorgesorgt wurde, etwa durch eine Pflegezusatzversicherung (siehe hierzu AWA -Ausgabe Nr. 16 vom 15. August 2008, Seite 13 und 14).
Ausgewogene Anlagestruktur
Entscheidend ist in diesem Fall nunmehr, die Geldanlage frühzeitig so zu optimieren, dass sich die Risiken bis zum Rentenbeginn in Grenzen halten. Viele Anleger begehen den Fehler, selbst große Kapitalbeträge lediglich sehr kurzfristig, z.B. in Form von Tages- und Festgeldern, zu investieren. Der Vorteil liegt hier zweifellos im hohen Maß an Sicherheit, allerdings muss dies oft mit Renditenachteilen „bezahlt“ werden. Grundregel daher: Nicht benötigte Gelder sollten mittelfristig investiert werden, ein angemessenes liquides „Polster“ reicht zur Überbrückung finanzieller Engpässe problemlos aus. Denn vielen Anlegern ist nicht bewusst, dass grundsätzlich auch längerfristig konzipierte Anlageprodukte schnell veräußert werden können – allerdings zu den dann jeweils geltenden Kursen.
Sicherheit wird großgeschrieben
Bei der Wahl der Anlageformen gilt auch hier die Regel der „gesunden Mischung“. Kein Anleger sollte alles auf „eine Karte“ – sprich: einen Titel oder eine Anlagekategorie – setzen, sondern sein Vermögen breiter streuen. Sicherheit sollte jedoch, insbesondere bei knappem finanziellen Spielraum, großgeschrieben werden. Infrage kommen also in erster Linie Zinsprodukte wie Sparbriefe, Rentenfonds und festverzinsliche Wertpapiere erstklassiger Emittenten. Anreichern lässt sich diese Zusammenstellung mit einer eher niedrig gehaltenen Quote an Aktienprodukten, etwa Aktienfonds und Zertifikaten, aber auch – insbesondere bei größeren Vermögen – einzeln ausgewählten Papieren. Zu achten ist hier vor allem auf ein möglichst „pflegeleichtes“ Investment, denn nicht jeder will bzw. kann sich dauerhaft um einzelne Anlageprodukte kümmern.
Lebenserwartung als Kalkulationsgrundlage
Ganz anders ist die Sachlage, wenn das verfügbare Kapital im Alter zur Aufbesserung des Einkommens eingesetzt werden soll – oder muss. Das größte Problem bei der Kalkulation ist dabei die eigene Lebenserwartung. Im Optimalfall genügt das angesparte Kapital zur Finanzierung eines wirtschaftlich sorglosen Lebensabends mit ausreichenden Gesundheits- und Pflegeleistungen, den Nachkommen wird hingegen z.B. nur das Eigenheim vererbt. Ist dies nicht der Fall, sollte unmittelbar mit der Vorsorge begonnen werden. Dabei gilt es, riskante Anlageformen wie Aktien oder auch Aktienfonds eher zu meiden und stattdessen auf sichere Produkte zu setzen.
Das Problem bei der Kalkulation jedoch: Über welchen Zeitraum lassen sich die Kapitalentnahmen verteilen? Statistische Durchschnittswerte eignen sich hier kaum als verlässliche Rechengröße. Manche sterben bereits mit 65, 70 oder 75, andere erreichen problemlos ihren 90., 95. oder gar 100. Geburtstag. Letztlich läuft also alles darauf hinaus, eher vorsichtig zu kalkulieren und die Kapitalentnahmen so zu bemessen, dass auch noch im hohen Alter Geldvermögen zur Verfügung steht – das dann ggf. den Erben übertragen wird.
Da schließlich laufend Geld benötigt wird, sind spätestens ab Rentenbeginn Anlageformen erforderlich, die regelmäßige Zahlungen ermöglichen. Hier eignen sich beispielsweise – zunächst anzusparende – Rückzahlungsplä- ne oder Investmentfonds, bei denen mit Entnahmeplänen quasi eine „zweite Rente“ vorgesehen werden kann. Bei größeren Vermögen kommen auch festverzinsliche Wertpapiere in Betracht, deren Erträge auf ein Konto fließen, von dem dann die regelmäßigen Kapitalentnahmen vorgenommen werden. Aktien und vergleichbare Produkte sind indes nur noch dann interessant, wenn man sich um die Verwaltung kümmern kann und sich der Risiken bewusst ist.
Private Rentenversicherung als Alternative
Wer sich gar nicht belasten will, kann alternativ eine private Rentenversicherung abschließen. Hier zahlt der Versicherte in der Ansparphase – oder aber auch einmalig – einen festgelegten Betrag ein, aus dem dann eine lebenslange Rente finanziert wird. Über die Vereinbarung einer Dynamik lassen sich die Zahlungen an steigende Lebenshaltungskosten anpassen. Der größte Vorteil dieser Anlage liegt in der Zuverlässigkeit, denn schließlich werden die Renten im Regelfall lebenslang gezahlt – selbst wenn der Versicherte mehr als 100 Jahre alt wird.
Bei frühem Ableben droht Kapitalverlust
Allerdings ist der Abschluss mit erheblichen Problemen verbunden: Die Rente wird nur so lange bezahlt, wie der Versicherte lebt. Stirbt er z.B. ein halbes Jahr nach Rentenbeginn, ist das investierte Kapital grundsätzlich verloren. Um eine solche Härte zu vermeiden, bieten die Gesellschaften zwar eine sogenannte Rentengarantiedauer an, d.h., die Rentenzahlung erfolgt in jedem Fall mindestens für einen bestimmten Zeitraum, z.B. 5, 10 oder mehr Jahre. Dafür fällt die Rentenzahlung jedoch deutlich niedriger aus.
Keineswegs überzeugend ist bei den meisten Gesellschaften auch die Höhe der Leibrente: Garantiert werden oftmals nur zwischen 3,0 % und 4,0 % der Anlagesumme pro Jahr, also gerade einmal die aktuelle Kapitalverzinsung. Versprochen wird zwar auch eine angemessene Überschussbeteiligung. Wie hoch diese jedoch ausfällt, bleibt letztlich dem Geschick des Versicherers überlassen – und hier haben gerade in den vergangenen Jahren die wenigsten Gesellschaften überzeugen können. Infrage kommt eine solche Police daher in erster Linie für Menschen ohne Erben, die sich um ihr Vermögen nicht mehr kümmern wollen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(20):16-16