Helmut Lehr
Nahezu die kompletten privaten Kapitalerträge unterliegen ab 2009 der Abgeltungssteuer. Der besondere Steuersatz beträgt 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer (vgl. ausführlich AWA -Ausgabe Nr. 16 vom 15. August 2007, Seite 10 und 11). Deshalb stellen sich womöglich solche Steuerzahler künftig besser, deren persönlicher Grenzsteuersatz oberhalb des Abgeltungssteuersatzes liegt. Wegen der abgeltenden Wirkung brauchen die Kapitalerträge nämlich grundsätzlich nicht mehr in der persönlichen Einkommensteuererklärung deklariert zu werden.
Wegfall der Spekulationsfrist
Ob im oberen Einkommensbereich tatsächlich eine steuerliche Verbesserung eintritt, hängt nicht zuletzt von der persönlichen Struktur der Kapitalanlagen ab. Denn ab 2009 gilt: Gewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren (insbesondere Aktien) sind stets steuerpflichtig, unabhängig davon, wie lange die Papiere „gehalten“ wurden. Die derzeitige Spekulationsfrist ist dann insoweit nicht mehr anwendbar.
Wer bis Ende 2008 noch Aktien oder andere spekulativere Anlagen erwirbt, sichert sich einen steuerlichen Bestandsschutz. In diesem Fall gilt nämlich die einjährige Spekulationsfrist für diese Papiere weiter fort und ermöglicht auch bei einem Verkauf ab 2009 noch steuerfreie Kursgewinne – sofern die Einjahresfrist nicht unterschritten wird.
Hinweis: Aus rein steuerlichen Gründen sollten „konservative“ Sparer jedoch nicht blindlings auf spekulative Anlagen umschwenken. Insbesondere sind einige Empfehlungen der Kreditinstitute mit Vorsicht zu genießen, weil die Umschichtung – z. B. in Dach- oder Mischfonds – auch mit gravierenden Nachteilen verbunden sein kann (vgl. AWA -Ausgabe Nr. 13 vom 1. Juli 2008, Seite 13 und 14). Außerdem beobachtet man im Bundesfinanzministerium zurzeit sehr genau, welche „Konstruktionen“ sich die Banken gerade einfallen lassen, um Anlagepapiere mit „Bestandsschutz“ zu kreieren. Gegebenenfalls wird in diesem Bereich zur Vermeidung von Missbräuchen noch mit einer kurzfristigen Gesetzesänderung „gegengesteuert“.
Wegfall des Werbungskostenabzugs
Ein wesentlicher Nachteil, der mit der Abgeltungssteuer einhergeht, ist die Streichung des Werbungskostenabzugs für Kapitaleinnahmen (beispielsweise Abo der Börsenzeitung oder Schuldzinsen für Fremdfinanzierung). Künftig wird nur noch ein einheitlicher Sparer-Pauschbetrag von 801 €, bei Zusammenveranlagung 1.602 €, berücksichtigt. Ein weitergehender Werbungskostenabzug ist – von wenigen Ausnahmen abgesehen – ausgeschlossen. Wer bislang Kapitalanlagen in nennenswertem Umfang fremdfinanziert und die Schuldzinsen als Werbungskosten abgesetzt hat, sollte ernsthaft über eine (kurzfristige) Ablösung der Verbindlichkeiten nachdenken, sofern dies wirtschaftlich möglich ist.
Hinweis: Das Werbungskostenabzugsverbot greift unter Umständen bereits für solche Ausgaben, die das Jahr 2008 betreffen. Hier gilt nämlich streng das sogenannte Abflussprinzip. Bei regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben (z.B. Depot- und Kontogebühren) will die Finanzverwaltung den Werbungskostenabzug allerdings noch anerkennen, wenn diese bis zum 31. Januar 2009 abfließen. Wer mit hohen Gebühren rechnet, sollte mit seiner Bank eventuell noch über eine rechtzeitige Abrechnung sprechen.
Antragsveranlagung
Sparer, die mit ihrem persönlichen Grenzsteuersatz unter dem Abgeltungssteuersatz liegen, können beim Finanzamt beantragen, dass die Kapitaleinkünfte in die Steuerveranlagung einbezogen werden. Auf diese Weise wird die Abgeltungssteuer für das betreffende Jahr quasi „abgewählt“ (vgl. ausführlich AWA-Ausgabe Nr. 16 vom 15. August 2007, Seite 10 und 11).
Was viele nicht wissen: Auch in diesem Fall ist ein Abzug der tatsächlichen Werbungskosten nicht möglich. Die Versagung des Werbungskostenabzugs trotz individueller Tarifbesteuerung dürfte allerdings verfassungsrechtlich bedenklich sein.
Andere Einkunftsarten haben Vorrang
Sind Zinsen anderen Einkunftsarten zuzuordnen, hat diese Zuordnung Vorrang und die Abgeltungssteuer greift insoweit nicht. Wer beispielsweise ein Mietshaus mit einem „zwischenfinanzierten“ Bausparvertrag finanziert, muss bislang schon die Guthabenzinsen aus dem Bausparvertrag bei seinen Einkünften aus Vermietung angeben. Ab 2009 gilt das weiterhin mit der Folge, dass die Abgeltungssteuer hier nicht greift und der (ggf. höhere) persönliche Steuersatz zur Anwendung kommt.
Hinweis: In diesen Fällen können dann (nur) die tatsächlichen Werbungskosten zum Ansatz gebracht werden, der Sparer-Pauschbetrag gilt bei Vermietungseinkünften nicht.
Handlungsbedarf bei Freistellungsaufträgen
Am bisherigen Freistellungsvolumen (801 €/1.602 €) ändert sich nichts. Das Bundesfinanzministerium hat mittlerweile klargestellt, dass bereits vor dem 1. Januar 2009 erteilte Freistellungsaufträge ihre Gültigkeit behalten (Schreiben vom 2. Juli 2008, Aktenzeichen IV C 1 – S 2056/0). Dennoch sollten Anleger bis zum Jahreswechsel prüfen, ob das Freistellungsvolumen noch richtig verteilt ist. Schließlich sind Dividenden ab 2009 nicht mehr zur Hälfte steuerfrei, sondern voll steuerpflichtig und führen damit ebenso wie die volle Besteuerung von (neuen) Veräußerungsgewinnen zu einem erhöhten Verbrauch des Freistellungsauftrags.
Kirchensteuer
Die Abgeltungssteuer bringt nicht nur Vorteile durch einen moderaten Steuersatz, sondern vereinfacht auch das Ausfüllen der Steuererklärung, weil Kapitaleinkünfte über dem Freistellungsvolumen im Allgemeinen nicht mehr deklariert werden müssen. Wer Angehöriger einer Kirche ist, sollte jedoch bedenken, dass die Banken ohne weiteres Zutun nichts von der Kirchenmitgliedschaft erfahren. Das hat zur Folge, dass die Kirchensteuer nicht an der Quelle einbehalten und allein deshalb eine gesonderte Veranlagung zur Kirchensteuer durch das Finanzamt erforderlich wird.
Hinweis: Deshalb empfiehlt es sich, den Kreditinstituten rechtzeitig einen schriftlichen Antrag auf Einbehalt (auch) der Kirchensteuer zu übermitteln, sodass eine gesonderte Kirchensteuerveranlagung erst gar nicht erforderlich wird. Das Bundesfinanzministerium hält es dabei für zulässig, der Bank den Antrag auf elektronischem Weg zu übermitteln (Schreiben vom 2. Juli 2008, Aktenzeichen IV C 1 – S 2056/0).
Neues Depot anlegen
Ganz allgemein dürfte es empfehlenswert sein, für Wertpapierkäufe, die ab dem 1. Januar 2009 getätigt werden, ein neues Depot zu eröffnen. Dadurch lassen sich „versehentliche“ steuerschädliche Verkäufe von Altbeständen vor Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist vermeiden. Denn ab 2009 ist das sogenannte fifo-Verfahren (first-in-first-out) gesetzlich vorgeschrieben. Werden Aktien einer bestimmten Gesellschaft vor dem Jahreswechsel erworben und mindestens ein Jahr gehalten, bleiben etwaige Kursgewinne steuerfrei (siehe oben). Kauft der Anleger aber weitere Aktien der gleichen Gesellschaft Anfang 2009 hinzu und bewahrt diese im gleichen Sammeldepot auf, gelten bei einem späteren Verkauf zuerst die Altaktien als veräußert.
Helmut Lehr,
Steuerberater, 55437 Appenheim,
E-Mail: info@steuerberater-lehr.eu
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(21):11-11