Räumlichkeiten für die Apotheke

Mieten oder kaufen?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Nicht zuletzt die Verwerfungen an den Finanzmärkten rücken die „festen Werte“, das eigene Haus und den Grundbesitz, wieder in den Vordergrund. Dennoch gilt es, Emotionen, Wunschvorstellungen und nüchterne Fakten auseinanderzuhalten, denn es geht um hohe Beträge.

Das eigene Haus steht immer noch ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Man kann dort tun, was man möchte, wird nicht durch einen Vermieter gegängelt und mit steigenden Mieten belastet, die quasi verloren sind. Die Mieten können genauso gut in eine Im­mo­bilienfinanzierung fließen, dann entstehen daraus wenigstens feste Werte – so die gängige Meinung. Diese Vorstellung weitet sich gerne auf den Betrieb aus: die Apotheke in eigenen Räumen, gesichert auf Generationen... Dass dem nicht unbedingt so ist, wird weiter unten noch thematisiert.

An dieser Stelle gilt es, Mythen von Realitäten zu trennen. Dabei wird hier in erster Linie der betriebliche Teil beleuchtet und weniger das Eigenheim.

Spannungsdreieck

Die Entscheidung für oder gegen die Apotheke in eigenen Räumlichkeiten bewegt sich zwischen verschiedenen Eckpunkten:

  • Strategische Erwägungen wie Sicherheit, Schutz vor Verdrängung durch auslaufende Mietverträge, aber auch Nutzwert oder Gestaltungsmöglichkeiten wie bei­spielsweise tiefgreifende Umbauten, ohne an einen limitierenden Mietvertrag gekettet zu sein.
  • Renditeerwägungen: In welcher Variante arbeitet mein Geld am besten? Schließlich binden Immo­bilien viel Kapital und treiben möglicherweise die Verschuldung weiter in die Höhe. Das gleiche Geld könnte vielleicht an anderer Stelle weitaus rentierlicher für Sie arbeiten.
  • Emotionen, die „gefühlte Sicherheit“, möglicherweise die Erwägung, etwas Beständiges zu schaffen und kommenden Generationen zu hinterlassen.

„Eigentum belastet“

Gerne werden die wirklichen Lasten einer Immobilie übersehen oder kleingeredet. Es sind nicht nur die laufenden Kosten und Abgaben. Viel gewichtiger ist der Modernisierungsbedarf, oft durch Vorschriften erzwungen (Stichwort „Klimaschutz“), der meist im Abstand von 10 bis 20 Jahren größere Investitionen erfordert. Nicht jeder Immobilienbesitzer legt konsequent Jahr für Jahr eine angemessene Instandhaltungsrücklage beiseite.

Daneben kommen immer wieder die mittelgroßen Ausgaben auf Sie zu: Der Treppenaufgang muss gerichtet werden. Es dringt an einer Stelle etwas Feuchtigkeit ein. Die Automatiktür hat ihre Macken. Verschönerungsarbeiten werden fällig und etwas Blumenschmuck täte gut...

So addiert sich das Jahr um Jahr zu ganz beachtlichen Beträgen. Sie befinden sich in einer Zwickmühle:

  • Sie können das Objekt herunterwirtschaf­ten und nur das Allernötigste tun. Das sieht man dem Haus schnell an und damit ist der Wertverfall programmiert.
  • Umgekehrt werden oft trotz stetiger Modernisierungs­maß­nahmen kaum nennenswerte Wertzuwächse erzielt.
  • Der größte Wertzuwachs lässt sich durch die Marktstellung der Apotheke erreichen, doch das ist dann primär ein Geschäftswert und kein Immobilienwert.

Regionale Differenzierung

Die Apotheke im eigenen Haus, womöglich die Wohnung eine Etage darüber, ein schöner Garten drum herum – für manchen ist das die ideale Verbindung von Berufs- und Privatleben. Zudem spart die­se Konstellation Fahrzeiten und -kosten und erlaubt, sich optimal in das Ortsgeschehen zu integrieren. Am ehesten ist dies auf dem Land, vielleicht noch in einem Vorort erreichbar, wo die Immobilienpreise das zulassen. Oder aber es handelt sich um ein schon lange im Familienbesitz befindliches Innenstadtobjekt.

Wertverlust auf dem Land am größten

Gleichzeitig erleben wir aber auf dem Land die größten Wertverluste bei Haus und Grund. Vor allem demografi­sche Ursachen werden dafür verantwortlich gemacht, aber auch steigende Mobilitätskosten haben dem ehedem so beliebten „Haus im Grünen“ etwas seinen Reiz genommen. Wer sich also heute seinen Lebenstraum von einer Land­apotheke mit Immobilie erfüllt, muss damit rechnen, dass er später den Kaufpreis in­flationsbereinigt nicht mehr erzielen kann, oft nicht ein­- mal mehr nominal. Zumal die Landapotheke in aller Regel nicht die großen Wachstums­chancen bietet, vielmehr eher auf den Erhalt des Umsatz­niveaus bedacht sein muss. Eine solche Konstellation ist daher am ehesten sinnvoll, wenn es eine „fürs Leben“ ist. Das kommt auch der ursprünglichen Wortbedeutung von „Immobilie“ (= das Unbewegliche) am nächsten.

In attraktiven Ballungsräumen, insbesondere in infrastruk­turell vorteilhaften Innenstadtlagen in kaufkraftstarker Umgebung, werden hingegen deutliche Wertzuwächse prognostiziert: „Zurück in die Stadt!“ Freilich sind hier die Einstiegstarife schon heute hoch und guter Gewerberaum ist oft gar nicht mehr käuflich zu erwerben, da langfristig bei starken Investoren gebunden. Um wirklich gute 1a-Immobilien ist nach wie vor ein lebhafter Wettstreit der Investoren im Gange, während alles Zweit- und Drittklassige oft lange auf einen „Dummen“ wartet. Selbst wenn sich eine Gelegenheit bietet, müssen Sie stets prüfen, ob Sie sich nicht übernehmen und letztlich dann Ihre Geschäftspolitik darunter leidet.

Strategische Erwägungen

„Aus meinem Haus kann mich keiner vertreiben!“ – so mag man denken. Diese Sicherheit kann stabilisierend, aber auch vollkommen lähmend sein. So tritt womöglich die Situation auf, dass Sie Ihren Standort dringend verlegen müssen. Aus der eigenen Immobilie heraus sollte das kein Problem sein, Sie müssen schließlich keinen Mietvertrag erfüllen.

Doch Vorsicht! Falls auf den Betriebsräumen noch hohe Schulden lasten, kann das ganz anders aussehen. Als Apotheke lässt sich der wenig zukunftsfeste Standort kaum mehr vermieten. Branchenfremde sind schwer zu begeistern und zahlen möglicherweise nur eine Miete, die nicht einmal die Zinsen deckt. Dann haben Sie einen Klotz am Bein. Das kann zwar ein kleineres Übel sein als ein erdrosselnder Mietvertrag, aber dennoch darf die Problematik einer eventuellen branchenfremden Vermietbarkeit nicht übersehen werden. Psychologisch besteht zudem eine hohe Hemmschwelle, die „eigene Scholle“ freiwillig zu verlassen.

Denkmalschutz als Albtraum

Manchmal kann Immobilienbesitz sogar zu einem regelrechten Hemmschuh bei ei­nem späteren Apothekenverkauf werden. Die „Apotheke am Markt – seit 1673“ mag wunderschön anzusehen sein, für einen Käufer können solche oft denkmalgeschützten Objekte ein sehr teures Hobby, bisweilen sogar ein Albtraum werden. Da braucht es viel Liebe und eine solide Kapitalbasis, denn nicht selten reichen die Erträge der Apotheke für den Schuldendienst, die laufenden Kosten sowie die eigene Lebenshaltung gar nicht mehr aus. Faktisch können sich solche Objekte als nahezu unver­käuflich herausstellen. Eine Vermietung ist ebenfalls schwierig, da eine tragbare Miete unter Umständen nicht einmal die laufenden Kosten und den Instandhal­tungsaufwand deckt. Hier betreten wir den Bereich der Liebhaberei mit ganz eigenen Gesetzen.

Umgekehrt gibt es die (seltenen) Fälle, in denen der Betrieb der Apotheke in eigenen Räumlichkeiten vor allem in erstklassigen Innenstadtlagen im Grunde pures Hobby ist. Eine Vermietung erbrächte einen ähnlichen oder gar höheren Gewinn – ohne Arbeit.

Immobilienwert oft von Apotheke abhängig

Der Wert einer Immobilie hängt wesentlich vom sogenannten Ertragswert ab. Der Ertrag ist dabei als Nettoertrag pro Jahr nach Abzug der Verwaltungskosten und sinnvoller Instandhaltungsrück­lagen zu sehen. Dieser Netto-ertrag mal einem Faktor (der oft in einem Bereich von 10 bis 16 liegt, je nach Lage und Attraktivität des Objekts) ergibt den Ertragswert der Immobilie.

Mieten sind die üblichen Ertragsquellen. Wie schon oben angesprochen, stellt die Apotheke dabei nicht selten den ertragsbestimmenden Faktor in dem Objekt dar, die (ggf. nur kalkulatorische) Apothekenmiete ist der „größte Brocken“. Ohne Apotheke sinkt der Wert dramatisch. Damit haben Sie einen „doppelten Hebel“: Geht das Apothekengeschäft, warum auch immer, zurück, leidet nicht nur Ihr Apothekengewinn, sondern Sie werden noch einmal zusätzlich durch einen Wertrückgang Ihres Hauses „bestraft“. Diese „Strafe“ spüren Sie freilich erst später, wenn Sie verkaufen möchten oder müssen. Umgekehrt kann dieser „doppelte Hebel“ natürlich auch in positiver Richtung wirken.

Kritisch wird es, falls ho­‑ he Schulden dahinterstehen oder noch eine auf Kante genähte Eigenheimfinanzierung dazukommt. Da haben Sie keine Luft mehr zum Atmen und sind auf Gedeih und Verderb auf ein stetes Wachstum Ihrer Apotheke angewiesen.

Gesamtkapitalrendite als Zielgröße

Auch wenn es in der jetzigen Finanzkrise nicht mehr opportun scheint, von Kapitalrendite zu reden: Die Gesamtkapitalrendite ist und bleibt die zentrale Zielgröße. Die Frage lautet schlicht: Wo „arbeitet“ Ihr Geld am besten? Sie können 500.000 € in Beton investieren, zahlen dann vielleicht 25.000 € weniger Miete p.a. und erhalten noch ein paar Euro aus einer vermieteten Dachwohnung. Dafür haben Sie den gesamten Erhaltungs- und Verwaltungsaufwand, was die effektive Ersparnis mindert. Die tatsächliche Verzinsung des Kapitals liegt dann bei vielleicht 4 % oder 5 %.

Doch was könnten Sie stattdessen mit dem Geld machen? Sie könnten z.B. 250.000 € in eine Modernisierung inklusive Kommissionierautomat stecken, damit Ihre Personalkosten um 2 %-Punkte senken und den Barumsatz ankurbeln. Schon mit 25.000 € effektivem Mehrertrag (also abzüglich sämtlicher Kosten, vor Steuern) hätten Sie obige Immo­bilienrendite erreicht und Sie könnten zusätzlich die restlichen 250.000 € anderweitig frei für sich arbeiten lassen. Clever investiert, sind meist weit höhere Gewinnsteigerungen möglich. In aller Regel rentiert sich unternehmerisch arbeitendes Kapital immer noch deutlich zweistellig und damit weit besser als ein Immobilienobjekt.

Nicht zuletzt aus diesen Gründen haben etliche Firmen den Sale-and-lease-back-Ansatz verfolgt: Die Immobilien wurden verkauft, zurückgemietet und das Kapital rentabler in das unternehmerische Kerngeschäft gesteckt.

Da zudem die steuerliche Seite bei Immobilien kompliziert und nicht mehr sehr erquicklich ist – vor allem, wenn irgendwann „stille Reserven“ aufgedeckt werden müssen –, ist sehr sorgfältig abzuwägen, wie Sie Ihr Geld am besten verteilen, „Klumpenrisiken“ möglichst vermeiden und die Flexibilität weitgehend erhalten. Miete ist da überraschend häufig die elegantere, risikolosere und rentablere Alternative.

Fazit

„Eigentum belastet“ – dieser sarkastische Spruch hat seine Berechtigung. Das gilt sogar nicht selten für das selbst genutzte Privathaus, falls Sie sich nicht sicher sind, noch lange Jahre darin wohnen zu können. Nicht wenige Kollegen haben sich schon die Augen gerieben, was sie für ihre Häuser tatsächlich erlösen konnten, wenn sie einen Neubeginn woanders wagen wollten oder mussten. Deshalb gilt gerade hier: Drum prüfe, wer sich lange bindet...

Dr. Reinhard Herzog,
Apotheker, 72076 Tübingen,
E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(24):5-5