Ute Jürgens
Beschwerden sind das beste Mittel, um Betriebsorganisation und Mitarbeiterverhalten ständig zu verbessern. In der Apotheke reichen die Reklamationen von durch den Boten nicht ausgehändigte Medikamente über zu hoch empfundene Preise bis zu tatsächlich oder vorgeblich falschen Arzneimitteln (der Kunde will eine andere Firma, Menge etc.).
Wesentlich für den Umgang mit Beschwerden ist zunächst die eigene Einstellung zum Patienten. Gutes Verkaufen ist immer gutes Beraten. Die Aufgabe als Berater ist es, dem Kunden eine optimale Problemlösung anzubieten und ihm dabei zu helfen, sein Ziel zu erreichen. Denken Sie auch an die besondere Situation, in der sich ein Kunde, der reklamiert, befindet, und an die Gründe, weshalb er Sie nicht mit Freundlichkeit überschüttet, wenn er eine Beschwerde vorbringt. Er braucht ganz einfach Ihre Hilfe und Ihren Rat. Wenn Sie sich diese Einstellung zu eigen machen, kann eine Reklamation eine Herausforderung sein.
Verhalten bei Angriffen
Georg Keller und Michael Thiele empfehlen in ihrem Buch „Kommunikationspraxis für Apotheker“ folgende generelle Reaktion: Hören Sie in Ruhe zu. Was möchte Ihr Gegenüber? Will er eine sachliche Auseinandersetzung oder möchte er Ärger ablassen, weil er schon in der Arztpraxis nicht „zu seinem Recht gekommen“ ist? Oder steht noch etwas anderes im Hintergrund?
Bleiben Sie souverän. Sie stehen dann über der Situation, statt in ihr gefangen zu sein. So sind Sie auch in der Lage, Kommunikation über die gerade ablaufende Kommunikation – die sogenannte Metakommunikation – zu betreiben. Sie thematisieren das, was gerade geschieht. Das ist häufig ein guter Kunstgriff, um dem Angriff die Schärfe zu nehmen. Sie sagen z.B. „Ich fühle mich von Ihnen persönlich angegriffen. Vielleicht können Sie den Grund für Ihren Angriff nennen.“ Der Sprecher greift hier zu einer Ich-Aussage („Ich fühle mich angegriffen“). Auch das ist ein gutes Mittel. Man schildert seinen Eindruck und fällt kein Urteil über den anderen. Damit heben Sie die Auseinandersetzung auf eine reflexive, rationale Ebene, auf der man sich mit dem anderen wesentlich besser verständigen kann als auf einer emotionsgeladenen.
Entschuldigen Sie sich nur, wenn bei Ihnen tatsächlich ein Fehler geschehen ist, denn Erklärungen liefern neue Angriffsflächen für rhetorische Tiefschläge des „Gegners“. Lassen Sie sich nicht Gefühle oder Stimmungen, Lautstärke und Sprechtempo aufdrängen. Halten Sie Ihre Emotionen unter Kontrolle. Je erregter die Zwischenrufe sind, umso ruhiger, überlegter und überlegener sollten Sie sich verhalten.
Grundsätzlich sollten Sie immer zwei Punkte im Auge behalten:
- Beide – Patient und Apotheker – werden gewinnen.
- Begreifen Sie Vorwürfe als Wünsche, die man versucht, weitestgehend zu erfüllen.
Was steckt hinter dem Problem?
Mit Fragen erfasst man das eigentliche Problem. Es ist wahrscheinlich, dass der Patient sich übervorteilt fühlt. Er reagiert aus der Emotion heraus. Sorgen Sie für Aufklärung, indem Sie den Kunden auf seinen Ärger und die Ursache ansprechen. Zeigen Sie Verständnis für seine Gefühle, damit er sich entspannt und wieder auf der rationalen Ebene erreichbar ist.
Falls der Kunde sich bei einer bestimmten Kollegin beschweren möchte, holen Sie diese. Versuchen Sie zu erspüren, ob diese Sie als Verstärkung bei sich behalten möchte oder ob sie sich lieber allein mit dem Kunden unterhält. Das ist natürlich auch von Ihrem Verhältnis zueinander sowie vom Erfahrungsschatz der Betreffenden abhängig. Auf jeden Fall erkennt der Patient Sie als Leiter(in) eher als Autorität an und fühlt mehr Zuwendung, wenn Sie sich auch verantwortlich zeigen.
Typische Stolpersteine
Folgende Verhaltensweisen beim Umgang mit Reklamationen sollten Sie vermeiden:
- Rechtfertigung und Selbstverteidigung,
- Vorwürfe erwidern,
- Vorträge halten,
- ein schlechtes Gewissen machen, einschüchtern und Schuld zuschieben,
- bekannte Schwächen des Ratsuchenden ansprechen,
- nicht erfüllbare Wünsche ohne Erklärungen mit einem sturen „Nein“ beantworten.
Lösen Sie sich mental von der Stress erzeugenden Situation, indem Sie innerlich Abstand nehmen. Denn wer in einer negativen Situation „mitten drin“ ist, ist oft nicht mehr Herr seiner Reaktionen. Betrachten Sie daher die ganze Lage als Bild gedanklich „von außen“. Nun können Sie als Regisseur Ihre Gedanken und Reaktionen nach Ihrem Willen steuern und das Verhalten Ihres Konfliktpartners dadurch positiv beeinflussen.
Suchen Sie gemeinsam mit Ihrem Gegenüber nach Lösungen, versuchen Sie, die Wünsche hinter den Vorwürfen zu finden. Einigen Sie sich auf eine für beide zufriedenstellende Vorgehensweise. Bedanken Sie sich für seine Gesprächsbereitschaft, Geduld und das Vertrauen, dass er Ihnen grundsätzlich zeigt, wenn er sich beschwert, anstatt wortlos und beleidigt eine andere Apotheke aufzusuchen.
Für die Zukunft: Verabschieden Sie sich, entschuldigen Sie sich spätestens jetzt, falls die Situation es erfordert, und äußern Sie Ihren Wunsch, dass Ihr Patient Ihnen als solcher erhalten bleibt und gewogen ist. Setzen Sie zudem alles Versprochene in die Tat um.
Reklamationen vermeiden
Wer Kundenbeschwerden ernst nimmt und sie regelmäßig auswertet, erhält viele nützliche Informationen darüber, wo der „Schuh drückt“ und was man besser machen kann. Wie ermuntern Sie die Kunden zu Anregungen?
- Schaffen Sie leicht zugängliche Kommunikationskanäle wie z.B. Meinungskarten, die Kundenzeitungen und Nachlieferungen beigelegt werden, einen Kummerkasten und Ähnliches.
- Werten Sie Ihre Reklamationsprotokolle regelmäßig aus. Führen Sie konsequent eine Reklamationsstatistik. QM-Apotheken haben Formulare und Fragen zum Beschwerdemanagement bereits in ihrem Ordner.
- Führen Sie regelmäßig Kundenbefragungen (schriftlich, mündlich) durch. Nur so können Sie Schwachstellen rechtzeitig erkennen. Entwickeln Sie die Fragebögen selbst oder erkundigen Sie sich nach externen Angeboten.
- Greifen Sie Kundenvorschläge auf, diskutieren Sie diese in der Teamsitzung oder in den Minipausen und sorgen Sie für die konsequente Umsetzung von Anregungen, Kritik und neuen Ideen.
- Sorgen Sie für angenehme, stressfreie Arbeitsbedingungen. Wer jeden Tag mit schwierigen Kundenproblemen zu tun hat, braucht einen „freien Rücken“. Ein gutes Betriebsklima ist die Basis einer funktionierenden Apotheke.
Grundsätzlich gilt auch hier wie so oft: Übung macht den Meister. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn Ihr Patient Ihnen nicht nach Ihrem ersten (Übungs-) Gespräch vor Freude um den Hals fällt, sondern „nur“ besänftigt die Apotheke verlässt. Denn das ist bereits ein sehr guter Erfolg.
Ute Jürgens, Kommunikations-trainerin und Einzelcoach,
KomMed, 28865 Lilienthal,
E-Mail: KomMed@freenet.de
Buchtipp:
Keller/Thiele: Kommunikationspraxis für Apotheker, Deutscher Apotheker Verlag, 2001, 49,80 € zu beziehen über den Deutschen Apotheker Verlag (Telefon: 0711/2582 341, Telefax: 0711/2582 290,
E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de).
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(24):8-8