Erfolgreiche Unternehmensführung

Faustformeln für den Alltag


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Nicht immer kommt es darauf an, etwas auf den Cent genau auszurechnen. Oftmals reichen Näherungen aus, um den Überblick zu behalten und wichtige Trends zu erkennen. Die hier vorgestellte „Werkzeugkiste“ hilft Ihnen, den Zahlenalltag leichter zu bewältigen.

Ob Sie einen einzelnen Artikel aufgrund einer nicht exakten Überschlagsrechnung einige Cent günstiger einkaufen oder nicht, macht wenig aus. Doch wenn es um Tausender-Stückzahlen geht, sieht das schon ganz anders aus.

Je langfristiger etwas wirkt, umso mehr Gewicht haben selbst kleine Differenzen. Bei einem über 20 Jahre laufenden Kredit über eine große Summe macht ein Zehntelprozent mehr oder weniger Zins bereits viele Tausend Euro aus. Nach einer Überschlagsrechnung ist daher vor der endgültigen Entscheidung immer eine detaillierte Vergleichsrechnung der einzelnen Angebote unter Berücksichtigung aller Feinheiten zu empfehlen.

Eine wichtige Voraussetzung für die Anwendung von „Faustformeln“ ist also, ihre Grenzen zu kennen und die Ungenauigkeiten im Blick zu haben – spätestens, wenn es um hohe Beträge geht.

Kapitalkosten

Sie möchten wissen, was Sie „frisches Geld“ kostet? Die Kosten für Fremdkapital setzen sich aus Tilgungs- und Zins­anteil zusammen. Tilgun­gen müssen aus dem Nettoeinkommen bestritten werden – für die private Liquidität ein bedeutsamer Faktor. Steuerlich stehen dem die Abschreibungen gegenüber, die man somit möglichst an die Tilgungen annähern sollte.

Je nach Tilgungsart können die exakten mathematischen Rechnungen recht kompliziert sein. Vereinfacht ergeben sich die durchschnittlichen jährli­chen Aufwendungen für Zins und Tilgung aus der Kreditsumme geteilt durch die Tilgungszeit zuzüglich dem halben Zinssatz auf den ursprünglichen Kreditbetrag. Der Grund liegt darin, dass die Zinsen jeweils auf die Restschuld berechnet werden, die im Rahmen der Tilgung kontinuierlich abnimmt.

Beispiel: Bei 250.000 € Fremdkapital zu 6% Zinsen p.a. auf 10 Jahre betragen die durchschnittlichen Kapitalkosten p.a. 25.000 € für Tilgung plus die Hälfte von 6% auf 250.000 €, entsprechend 7.500 €, in der Summe also 32.500 €. Bei fünf Jahren Laufzeit haben Sie also Kapitalkosten von etwa 23% pro Jahr, bei 10 Jahren sind es zirka 13% und bei 20 Jahren rund 8%.

Kunden

Jeder Kunde steht statistisch für knapp 10 € Rohgewinn pro Monat, wovon etwa 2,50 € aus dem nicht rezeptgebundenen Barverkauf stammen. Die 10% besten Kunden bringen Ihnen ohne Weiteres das Fünf- bis Zehnfache, mehr als 50% erreichen aber nicht einmal näherungsweise die Hälfte davon. Jeder einzelne Einkauf („Korbwert“) bedeutet etwa 30 € bis 35 € Umsatz (= 8,00 € bis 9,00 € Rohertrag), in Ein­kaufscentern oft deutlich weniger, in Ärztehäusern mehr.

Die Neugewinnung eines Kunden kostet das Drei- bis Fünffache dessen, was die „gute Pflege“ eines Stammkunden erfordert. Reklamationen machen in aller Regel deutlich unter 1% aus. Großzügigkeit an dieser Stelle wird durch die daraus resultierende Kundenbindung um ein Vielfaches des Aufwands belohnt.

Personal

Personal ist der größte Kostenblock. Die schnelle Abschätzung der tatsächlichen Gesamt- und Stundenkosten hat also eine große Alltags­bedeutung.

Bei 13 Monatsgehältern gilt für die Gesamtkosten eines Mitarbeiters pro Jahr einschließlich der üblichen Sozialnebenkosten etwa: Gesamtkosten = Bruttomonatsgehalt mal 16. Bei 12 Monatsgehältern liegt der Faktor bei rund 15. Diesen Gesamtkosten stehen zirka 1.650 bis 1.750 effektiv geleistete Arbeitsstunden für eine Vollzeitstelle pro Jahr gegen­über. Das entspricht recht genau 100.000 Minuten. Aus den Jahresgesamtkosten ersehen Sie also überschlägig die Kosten je Arbeitsminute in Cent, wenn Sie den Eurobetrag durch 1.000 teilen. 35.000 € Gesamtjahreskosten entsprechen rund 35 Cent pro Minute. Exakt gerechnet sind es nur ein paar Prozent weniger.

Aushilfskräfte kosten rund 20 Cent je Minute, PKAs etwa 25 bis 30 Cent, PTAs um 30 bis 35 Cent. Approbierte schlagen mit 50 bis 65 Cent zu Buche. Als Chef sollte Ihnen jede Minute mindestens 1 € wert sein.

Preiskalkulation

Preiskalkulation ist ein umfängliches Thema. Insbesondere die Mitarbeiter tun sich damit oft schwer. Eine einfache Faustformel zur OTC-Preiskalkulation lautet: Endverkaufspreis = effektiver Einkaufspreis mal 2. Diese Formel beinhaltet bereits die Mehrwertsteuer von 19% und führt zu einer Handelsspanne von netto etwa 40%. Ist kein brauchbarer Anhaltswert (z.B. UVP) für den Verkaufspreis greifbar, ist obige Formel für das untere bis mittlere Preissegment geeignet. Bei preissensibleren und teureren Produkten kann die Formel analog zu oben Endverkaufspreis = effektiver Einkaufs­preis mal 1,5 lauten. Die Spanne beträgt hier knapp 21%.

Was bedeuten Preissenkun­gen oder -erhöhungen ? Auch hier einige Anhaltswerte: Die Folgen hängen davon ab, welche Margen bisher erzielt wurden. Wie eine 1%ige Preisänderung sich auf den Roh­gewinn auswirkt, zeigt die oben stehende Tabelle – bisweilen ist das also ganz er­heblich.

Die Rohgewinnänderung verhält sich, wie leicht zu erkennen ist, umgekehrt zur Spanne. Gerade bei geringen Spannen machen sich Preisänderungen daher besonders bemerkbar – und lassen sich somit in beiden Richtungen nutzen.

Einkauf

Im Einkauf liegt der Gewinn. Selbst heute leben die meisten Apotheken immer noch von den Rabatten, die in ihrer Gesamtheit (Großhandels- und Direktgeschäft) in der Regel 50% und mehr des Gewinns ausmachen.

1%-Punkt bei den Großhandelskonditionen (über den ge­samten GH-Bezug hinweg) bedeutet bei einer in etwa durchschnittlichen Absatzstruktur einen Gewinnbeitrag von rund 8% bis 10%. Jeder Prozentpunkt mehr Rabatt beim Direkteinkauf Ihres OTC-Sortiments verbessert Ih­ren Stück­ertrag bei 10% Span­ne um 9%, bei 25% Spanne um 3% und bei 50% Spanne nur noch um 1%. Je geringer die Margen, umso stärker zählt der Rabatt – wie bei der Preispolitik auch.

Kosten

Zusatzkosten erfordern einen adäquaten Mehr-Rohertrag zur Kompensation. Abhängig von der erzielten Handelsspanne, können Sie grob von folgendem Mehrumsatz ausgehen, den Sie zur Kompen­sation benötigen: Erforderli­cher Mehrumsatz = Zusatzkosten mal 4.

Dies gilt für eine Spanne von 25%. Bei 33% Spanne wäre ein Faktor 3 ausreichend. Da Mehrumsatz aber meist variable Zusatzkosten verursacht (wenn auch meist eher geringer Natur), liegen Sie mit Faktor 4 ganz gut. Im preissensi-blen margenschwachen Freiwahl- und Aktionsbereich ist sogar mit noch höheren Faktoren (oft etwa 5) zu rechnen.

Beispiel: Eine zusätzliche Vollzeit-PTA mit einem Bruttogehalt von 2.000€ bedeutet Gesamtkosten von 32.000€ p.a. (siehe oben). Das mal 4 genommen, ergibt einen Umsatz von 128.000 €, der zur Deckung dieser Personalkosten erforderlich ist.

Verluste begrenzen

Viele Menschen haben die Neigung, an einmal getätigten Investments festzuhalten und Verluste auszusitzen – oft ein entscheidender Fehler. Fällt der Wert Ihrer Investition um ein Drittel, muss er später um 50% steigen, nur um das Ausgangsniveau wieder zu erreichen. Bei 50% Verlust sind es schon 100% erneuter Anstieg, die benötigt werden, bei 75% Verlust muss sich der Wert gar wieder vervierfachen. Das illustriert die Notwendigkeit der „Stopp-Loss“-Technik: Rechtzeitig von Verlustbringern trennen und Verluste strikt begrenzen!

Gewinne

Ein einziger Prozentpunkt von Ihrer Handelsspanne steht bei durchschnittlicher Ertragslage für einen Gewinnbeitrag von etwa 10% bis 15%. Nur bei deutlich überdurchschnittlicher Rendite macht ein Spannenrückgang um 1%-Punkt erheblich weniger als 10% Gewinnrückgang aus.

Renditeschwache Apotheken mit einer Rendite von beispielsweise nur 5% leiden sogar unter 20% Gewinnrückgang, falls die Spanne nur um 1%-Punkt verfällt – es sei denn, sie können auf der Kostenseite gegensteuern.

Um 1% (nicht 1%-Punkt!) höhere Gesamtkosten bedeuten umgekehrt einen Gewinnrückgang von üblicherweise etwa 2% bis 3%. Dies zeigt folgende Beispielrechnung: Eine typische Apotheke mit 1,5 Mio. € Umsatz habe Kos­‑ ten von etwa 300.000 € p.a., entsprechend rund 20 Umsatz-%. 1% Mehrkosten machen absolut 3.000 € aus, die einen Gewinn von typischerweise etwa 7,5% – entsprechend rund 112.000 € – mit prozentual 2,7% belasten.

Der „Hebelfaktor“ Gewinnän­derung zu Kostenänderung liegt also üblicherweise bei etwa 3, niedriger ist er bei renditestarken, aber dafür wesentlich höher bei renditeschwachen Betrieben. Letztere sind damit selbstredend empfindlicher und gefährdeter.

Da die Lohnkosten gut die Hälfte der Gesamtkosten ausmachen, bedeutet eine um 1% höhere Lohnsumme typischerweise etwa 1,5% (Spannbreite 1% bis 2%) weniger Gewinn.

Unternehmenswerte

Bei Unternehmen wird neben den Sachwerten in erster Linie der nachhaltig erzielbare und um Sondereinflüsse korrigierte Gewinn bezahlt. Bei inhabergeführten Betrieben wird jedoch erst noch ein kalkulatorischer Unternehmerlohn (bzw. ein Filialleitergehalt) abgezogen. Der verbleibende Er­trag wird bei Apotheken etwa mit dem Faktor 6 bis 8 bewertet, bei strategisch interessanten Objekten auch höher. Das analoge Kurs/Gewinn-Verhältnis an der Börse (KGV) bewegt sich meist in einem Bereich von etwa 8 bis 15. Spekulative Über- oder Untertreibungen sowie besondere Wachstumserwartungen sprengen diesen Rahmen oft.

Ein guter Anhaltswert ist zudem der operative „Cashflow“ (Zinsen bleiben hier als „neutrale Aufwendungen“ unberücksichtigt). Ab einem Unternehmenspreis (ohne Waren­lager) von etwa dem Dreifachen des Cashflows wird es kritisch, das Kapital noch zu er­wirtschaften, Überschuldung droht. „Heuschrecken“ haben teilweise mehr als das Sechsfache bei Unternehmens­über­nahmen bezahlt – das Ergebnis sehen wir zurzeit.

Bei Immobilien zählt analog der Ertrag, resultierend aus der nachhaltig erzielbaren und instandhaltungsbereinig-ten Jahreskaltmiete. Nach dem Ertragswertverfahren multipli­ziert man die­se mit einem Kapitalisierungsfaktor, der meist in einem Bereich von 10 bis 15, bei sehr guten oder schlechten Objekten auch höher oder niedriger liegt, und erhält so den Ertragswert.

Fazit

Sie sehen, es ist auch ohne große Rechenkünste möglich, eine gute Orientierung zu behalten und sich nicht zu sehr aufs Glatteis führen zu lassen. Nicht mehr und nicht weniger sollen solche Faustregeln bewirken.

Dr. Reinhard Herzog,

Apotheker, 72076 Tübingen,
E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(03):5-5