Hilfsmittelmarkt

Mit Profil zum Ziel


Klaus Hölzel

Wer fünf Rollatoren mit ganz verschiedenen Preisen vor seine Apotheke stellt, statt einen im Lager verstauben zu lassen, signalisiert seine Kompetenz in einem Teil des Hilfsmittelmarktes. Und das lohnt sich angesichts einer kaufkräftigen und wachsenden Zielgruppe.

Die zunehmende Wettbewerbsintensität verlangt von Apothekern eine hohe Sensibilität für ertragreiche und bindungsfähige Zielgruppen, Aufgeschlossenheit für neue Konzepte, offensives Handeln und engagierte Umsetzung.

Das Augenmerk der Apotheker richtet sich jedoch unverändert stark auf den Arzneimittelmarkt. Kunden mit regelmäßigem Medikamentenbedarf bleiben zwar von zentraler Bedeutung, aber immer wichtiger wird, dass neben diesem reinen Medikamentenbedarf ei­ne Nachfrage nach anderen Produkten besteht. Schon heute verursachen die über 50-Jähri­gen mehr als 68 % der Arznei­mit­tel­ausgaben; 2020 wird ihr Anteil auf über 75 % steigen. Für den dau­erhaften Erfolg der Apo­theke ist strategisch entscheidend, diese Zielgruppe am regionalen Standort lang­fristig zu binden – und das gerade auch mit Hilfsmitteln.

Senioren als wichtigstes Potenzial

Die Lebenserwartung steigt und damit wächst der Anteil der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung. Da Demografie immer langfristig angelegt ist, wird das auch so bleiben. Die Altersgruppe der über 50-Jährigen stellt bis 2015 rund 40 % der Bevölkerung.

Die Einstellungen der älteren Menschen haben sich grundlegend geändert. Viele haben nach dem Eintritt in den Ruhestand noch Pläne und rund die Hälfte der Senioren ist mit ihrer finanziellen Lage weit­gehend zufrieden. Die Älteren sind bereit, für ihre Gesundheit mehr Geld auszugeben.

Bevorzugte Einkaufsstätte

Einkaufen hat für ältere Menschen eine soziale Funktion, daher tun sie es gerne und oft. Apotheken sind dabei eine be­vorzug­te Einkaufsstätte. 51 % der Al­tersgruppe 50plus widmen gesundheitsfördernden Produkten und einer gesunden Lebensweise besondere Aufmerksamkeit.

Mobilität ist für die über 70-Jährigen wichtig und deswegen geben sie auch Geld für Alltagshilfen aus, die ih­re Ei­genständigkeit und Beweglichkeit fördern. Ältere Menschen wünschen sich Leis­tun­gen und Versorgung aus einer Hand. Bequemlichkeit und Verlässlichkeit haben einen hohen Stellenwert. Die Apotheke stellt daher einen idealen Beratungs- und Einkaufsort für Senioren dar.

Die Zielgruppe 50plus verfügt über ein vergleichsweise hohes Haushaltseinkommen („Er­ben-Generation“). In Deutschland kauft fast die Hälfte der Generation 50plus immer wieder im Internet ein. In den USA sind schon 70 % der 55- bis 64-Jährigen regelmäßig im Internet. Die Apotheke vor Ort darf also gerade die gut situierten Konsumenten nicht an Versender verlieren – auch nicht im Hilfsmittelmarkt.

Weitere Merkmale der Zielgruppe 50plus-Kunden sind:

  • hohes Marken- und Qua­‑ li­tätsbewusstsein – 42 % ach­ten mehr auf die Marke als auf den Preis;
  • aber: große Wechselbereit­schaft bei Unzufriedenheit;
  • hoher Stellenwert einer qualifizierten und fachkundigen Beratung ;
  • Selbsteinschätzung als aktiv, agil, mobil.

Die Hilfsmittelversorgung bedeutet ein hohes Maß an Intimität, da diese – im Gegensatz zur Arzneimittelversorgung durch einen Boten – in der Wohnung selbst und dort häufig sogar direkt am Patienten (z.B. Stomaversorgung, Inkontinenz etc.) stattfindet. Hierdurch entstehen im wahrsten Sinne des Wortes Kundennähe und Vertrauen.

Immerhin 67 % der Rentner frequentieren nach einer Riegl-Studie nur eine Stamm­apotheke (Quelle: Prof. G.F. Riegl, „Erfolgsfaktoren in der Apotheke“). Zielsetzung der Apotheke muss sein, diesen Prozentsatz zu sichern, weiter auszubauen und ihn nicht an Versender oder Pick-up-Stellen bei Schlecker oder dm zu verlieren.

Familienpolitik fordert Angebote

Betrachtet man die Aussagen der Familienpolitiker, dann zeigt sich eine erfreuliche Tendenz. „Ältere Menschen sind so gebildet, lebens- und konsumfreudig wie nie zuvor. Der Markt muss sich darauf einstellen und gezielt Produkte und Dienstleistungen für Älte­re schaffen. Darin steckt ein enormes ökonomisches Poten­zial“, sagt Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen. Die Apotheker und andere Anbieter werden also geradezu ermuntert, innovative Produkte und Dienstleistungen zu offerieren. Solche Aussagen sind in der Gesundheitspolitik eher die Ausnahme – leider auch im Hilfsmittelmarkt.

Bleibt also die Frage, ob die Apotheken überhaupt aufgrund der gesetzlichen Vorgaben und der praktischen Möglichkeiten in der Lage sind, die Nachfrage zu befriedigen.

Versorgung mit Hilfsmitteln

Nach Inkrafttreten des GKV-WSG zum 1. April 2007 dürfen Hilfsmittel zulasten der GKV grundsätzlich nur noch aufgrund von Verträgen nach § 127 Absatz 1, 2 und 3 SGB V ab­gegeben werden. Durch § 127 Absatz 1 SGB V wurden erstmals „echte“ Ausschreibun­gen in den Hilfsmittelmarkt eingeführt. Wegen deren Komplexität ist eine selbstständige Teilnahme auch für große Apotheken häufig gar nicht möglich oder kaufmännisch nicht vernünftig. Zwar hat man mit dem GKV-OrgWG die Frist zur definitiven Einführung von weiteren Ausschreibungen im Hilfsmittelmarkt auf den 1. Januar 2010 verschoben, doch ändert das nichts an den sich zeigenden Markteintrittsbarrieren.

Auf Partner angewiesen

Auch wenn sich die Tendenz abzeichnet, dass Ausschreibungen im Hilfsmittelmarkt nicht die Regel werden, sondern es eher zu Vertragsangeboten mit allerdings niedrigen Erstattungspreisen der Kassen kommt, werden es Einzelkämpfer unter den Apothekern schwer haben, den Markt über viele Produktgruppen hinweg gewinnbringend zu bearbeiten. Nur durch günstige Einkaufskonditionen können sie sich im Markt behaupten.

Als Partner bieten sich zunächst die regionalen Lan­desapothekerverbände ein­schließ­lich ihrer Wirtschafts­töchter im Hilfsmittelsektor an. Ein LAV wird umso eher die Apotheken unterstützen können, je mehr Kassenverträge er besitzt. Unter den Apotheken-Kooperationen hat sich CURA-SAN auf diesem Markt mit immerhin über 500 Versorgungsverträgen mit 350 Kranken- und Pflegekassen sowie Berufsgenossenschaften spezialisiert. Der Vorteil: Die Einkaufskonditionen sind deutlich günstiger als beim Einzelbezug über die Hersteller.

Produktpalette überprüfen

Die wichtigsten Produktgruppen sollten je nach Kundenstruktur in einer hilfsmittelstarken Apotheke angeboten werden:

  • Inkontinenzhilfen,
  • Pflegehilfsmittel,
  • Kompressionshilfen,
  • Bandagen,
  • Reha- und Medizintechnik,
  • Nahrung.

Erweitert werden kann das Sortiment bei Vorhandensein eines Sanitätshauses oder einer entsprechenden Zu­sam­men­arbeit um Ortho-Technik, Betten und Stomaversorgung.

Führende hilfsmittelorientier­te Apotheken verfügen zum Beispiel über ein differenziertes Angebot an Rollatoren, Roll­stühlen oder Badewannenliftern. Sie haben erkannt, dass Kunden dieser Produktgruppen nicht verloren gehen dürfen, weil sonst auch der Arzneimittelumsatz gefährdet ist. Damit schließt sich der Kreis: Senioren rundum zu betreuen und versorgen sichert Wachstum.

Dipl.-Volkswirt Klaus Hölzel,
Apotheken Management-
Institut GmbH, 65375 Oestrich-Winkel,
E-Mail: sekretariat@apothekenzukunft.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(03):8-8