Prof. Dr. Reinhard Herzog
„Altersvorsorge – aber richtig“, „Erfolgreich zum Vermögen“ – so lauten die Schlagworte, mit denen Finanzdienstleister für ihre Produkte werben. Und in der Tat: Die Vorsorge für den Ruhestand ist unverzichtbar. Doch die werbewirksamen „Sprüche“ nützen erst einmal wenig. Zum einen hat jeder Anbieter seine eigenen Vorstellungen, wie man den Ruhestand finanziell absichern kann, zum anderen ist keineswegs klar, welches Volumen diese Vorsorge eigentlich einnehmen sollte.
Falsche Einschätzung
Die Erfahrung zeigt, dass viele Haushalte – insbesondere bei wachsendem Einkommen – ihre finanzielle Lage falsch einschätzen. Denn Geld hat einen fatalen psychologischen Effekt: Wenn größere Einnahmen auf dem Konto gutgeschrieben werden, wiegt sich der Empfänger in Sicherheit. Er hat ja schließlich 5.000 €, 10.000 € oder auch 20.000 €, über die er frei verfügen und mit denen er nach Belieben einkaufen könnte. Fast schon unbewusst werden Pläne geschmiedet, was mit dem Geld so alles anzufangen wäre – man arbeitet ja hart dafür und hat es sich verdient.
Doch dann wird die Rate fürs Haus abgebucht, die Familie verlangt ihren Anteil, Versicherungsprämien werden fällig und schließlich steht die Zahlung der Kreditkartenabrechnung vom Vormonat ins Haus. Nebenbei muss noch der Zweitwagen zur Inspektion, auch der Heizöllieferant will bezahlt werden. „Alles Kleinigkeiten“ – so die Meinung vieler, die sich zu den Besserverdienenden zählen.
Großbeträge aus Kleinigkeiten
Gerade dies trifft jedoch selten zu: Die „Kleinigkeiten“ summieren sich im Laufe des Monats zu stattlichen Beträgen, die häufig sogar über den Einnahmen liegen. Während ein größerer Geldeingang jedoch mit Freude zur Kenntnis genommen wird, ignorieren viele, wenn das Konto in die roten Zahlen abrutscht. „Es sind ja nur noch zwei Wochen bis zum nächsten Geld“, so die einschlägige, aber auch gefährliche Meinung.
Entsprechend gering ist oft die Bereitschaft zum Aufbau des Vermögens und der eigenen Vorsorge. Rein statistisch betrachtet – so möchte man aus der Distanz sagen – ist der „Weg zum Millionär“ z.B. bei einem Monatsnettoeinkommen von 12.000 € fast schon vorprogrammiert. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat jedoch ermittelt, dass gerade einmal die Hälfte dieser besonders einkommensstarken Haushalte über ein Vermögen von mehr als 250.000 € verfügt – die eigene Immobilie eingeschlossen. Und in den Insolvenzlisten der Amtsgerichte finden sich immer wieder Namen gut verdienender Selbstständiger, die allein im Freizeitbereich über Jahre mehr ausgegeben als im Berufsleben eingenommen haben.
Die „ persönliche Bilanz“ ist damit zu einem wichtigen Werkzeug geworden. Viele Besserverdienende kennen ihre tatsächliche Einkommenssituation nur recht vage, manche setzen die betrieblichen Entnahmen ihrem Einkommen gleich. Zunächst gilt es also, das Nettoeinkommen nach Abzug von Steuern und Abgaben möglichst exakt zu ermitteln. Im nächsten Schritt werden zwingend notwendige Ausgaben zusammengestellt, angefangen von Versicherungen über Darlehensraten bis hin zum Haushaltsgeld und der Finanzierung von Kindern und Urlaub. Schon bei dieser Gegenüberstellung wird vielfach der psychologische Effekt des „gefühlten Reichtums“ in Form überhöhter Ausgaben erkennbar.
Niemand muss jedoch gleich zum Geizhals werden, wenn er ein solides Vermögenspolster aufbauen möchte. Im Gegenteil – man muss sich auch etwas gönnen, und das nicht zu knapp. Entscheidend sind nur zwei Dinge:
- Zum einen sollten die Ausgaben in einem realistischen Verhältnis zu den Einnahmen stehen und ausreichend Spielraum für die Vorsorge lassen.
- Zum anderen sollte man sich bei allen „Luxusanschaffungen“ überlegen, ob sie überhaupt sinnvoll sind oder ob es dabei allzu sehr ums Prestige geht.
Doch welches Verhältnis der Ausgaben zu den Einnahmen ist wirklich sinnvoll? Eine bedeutende Rolle spielt die persönliche Situation: Experten gehen davon aus, dass ein Single mit einem jährlichen Nettoeinkommen von 50.000 € durchaus rund 25 % des Einkommens, also 12.500 €, für die Geldanlage einplanen kann. Dies wird bei einem Ehepaar bereits schwieriger; hier werden 15 % bis 20 % als vertretbar erachtet, also 7.500 € bis 10.000 €. Bei Familien wird der Sparanteil indes bei dieser Einkommenshöhe zwangsläufig auf 10 % abrutschen – und auch dann nicht immer zu halten sein. Ganz anders ist die Lage für Haushalte mit 100.000 € Nettoeinkommen/Jahr. Hiervon kann ein Single durchaus 25 % bis 40 % für die Rücklagenbildung aufwenden und ein Ehepaar vermag sicher 25 % bis 35 % vorläufig zu entbehren. Auch eine Familie mit Kindern wird von den 100.000 € problemlos 15.000 € bis 30.000 € auf die hohe Kan‑ te legen können.
Renditestarke Produkte
Bei der Art der Anlage gilt es, langfristige renditestarke Produkte zu wählen. Neben der staatlich geförderten Rürup-Rente oder Privaten Rentenversicherungsverträgen spielen insbesondere festverzinsliche Wertpapiere eine Rolle. Aber auch die Direktanlage in Zertifikaten und einzelnen Aktien bietet langfristig interessante Chancen. Alternativ bieten sich Investmentfonds an, wobei hier die oft hohen Kosten am Ertrag zehren. Entscheidend ist letztlich eine solide Mischung verschiedener Produkte.
Eine bedeutende Rolle spielt auch das Lebensalter. Die Grundregel lautet: Je länger das Geld angelegt bleiben kann, umso risikofreudiger darf das Investment sein. In jungen Jahren sollte also der Anteil an Aktienprodukten vergleichsweise großzügig bemessen werden. Steht indes der Ruhestand bereits in wenigen Jahren bevor, spielt der Sicherheitsgedanke eine entscheidende Rolle. Hier sollten Sie zinsorientierte Produkte wählen, also z.B. festverzinsliche Wertpapiere.
Nicht zu vernachlässigen ist schließlich auch die persönliche Risikobereitschaft. Wer nicht mehr ruhig schlafen kann, wenn sein Depot 10 % an Wert verliert, sollte den Schwerpunkt auf risikoarme Produkte legen. Wer indes im Interesse einer überdurchschnittlichen Rendite auch temporäre Risiken in Kauf nehmen möchte, kann sein Depot überwiegend mit Aktienanlagen ausstatten. Generell Vorsicht walten lassen sollten Sie bei allen Anlagen, die Ihnen von einem Finanzberater besonders ans Herz gelegt werden. Oft handelt es sich dabei um Produkte aus Verkaufsförderungsaktionen, die nach Ablauf dieses Sponsorings kaum eine attraktive Rendite erwarten lassen.
In jedem Fall sollten Sie es vermeiden, jeden Tag oder jede Woche die Wertentwicklung zu kontrollieren. Denn dann droht die Gefahr, dass die Geldanlage nicht nur „schlaflose Nächte“ bereitet, sondern auch immer wieder umgeschichtet wird. Die damit verbundenen Kosten zehren letztlich jedoch am Anlageerfolg, auch entwickeln sich oftmals einseitige Depotzusammensetzungen, bei denen die breite Streuung vernachlässigt wird. Experten raten, sich zwar durchaus für die allgemeine Wirtschaftsentwicklung zu interessieren, Detailprüfungen des eigenen langfristig angelegten Vorsorgedepots jedoch allenfalls alle drei bis sechs Monate vorzunehmen – getreu dem Vorbild zahlreicher Millionäre, die meist über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte in denselben Werten engagiert bleiben.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(03):15-15