Claudia Mittmeyer
?Sehen Sie nach dem erneuten Scheitern der bayerisch-sächsischen Bundesratsinitiative überhaupt noch die Möglichkeit, dass die Pick-up-Stellen jemals wieder der Vergangenheit angehören werden?
Die bayerisch-sächsische Initiative hatte die Einschränkung des Versandhandels mit Arzneimitteln auf das europarechtlich zulässige Maß zum Gegenstand. Es lag an der ablehnenden Haltung einzelner Politiker, insbesondere im Bundesgesundheitsministerium, dass der Arzneimittelsicherheit nicht wieder der Rang eingeräumt wird, auf den der Verbraucher Anspruch hat. Die ganz überwiegende Zahl der Fachminister der Länder dagegen war überzeugt, dass ein Versandverbot verschreibungspflichtiger Arzneimittel für den Verbraucher der bessere Weg wäre.
Die Bundesapothekerkammer wird weiterhin vehement Überzeugungsarbeit leisten, dass die Arzneimittelsicherheit und die dazugehörige Beratung auch in Zukunft nur durch die Apotheke gewährleistet wird, nicht jedoch durch andere Branchen. Pick-up-Stellen sind lediglich der Versuch, eine qualifizierte Abgabe nachzuahmen und werden deshalb von uns abgelehnt.
?Mit welchen Argumenten kann der seitens der SPD geplanten kostenlosen Abgabe oraler Kontrazeptiva an sozial Benachteiligte durch Gesundheitsämter und Beratungsstellen begegnet werden?
Erstens: Für die Patientinnen wird die Versorgung über alternative Betriebswege zu einem Spießrutenlauf, eine flächendeckende Versorgung der betroffenen Frauen auf diesem Weg ist nicht möglich. Durch die Abgabe außerhalb der öffentlichen Apotheke kommt es zu einer Versorgung zweiter Klasse für sozial Schwache.
Zweitens: „Pro Familia“ sieht sich laut Aussage ihres Präsidenten schon aus logistischen und personellen Gründen nicht in der Lage, die Distribution von Kontrazeptiva durchzuführen; Ähnliches gilt für Gesundheitsämter.
Drittens: Über die möglichen Interaktionen von Kontrazeptiva mit anderen Arzneimitteln kann nur in der Apotheke qualifiziert beraten werden. Dass die „Pille“ beratungsbedürftig ist, betont auch „Pro Familia“, die zurecht eine bloße Distribution ohne qualifizierte pharmazeutische Begleitung als Benachteiligung der sozial Schwachen brandmarkt.
Viertens: Der Anteil der Apotheke am Preis für Arzneimittel beträgt durchschnittlich 15%, der Anteil der Hersteller 65%, der des Staates 16% und der des Großhandels ca. 4%. Es ist schon erstaunlich, dass immer zunächst die Apotheke als das geborene Sparschwein angesehen wird.
?Wie kann die Apothekerschaft vermeiden, dass ihre Zuverlässigkeit und die Beratungsqualität immer wieder durch Testkäufe öffentlichkeitswirksam in Zweifel gezogen werden?
Wir können die Zweifel an unserer Zuverlässigkeit nur durch den glaubwürdigen Umgang mit Patienten und deren Gesundheit verbessern. Wichtig ist, dass die Kunden in der Apotheke vor Ort das Gefühl haben, gut und sicher aufgehoben zu sein.
Die Apothekerin bzw. der Apotheker ist primär Heilberufler und erst sekundär Kaufmann, der nicht irgendeine Ware verkauft, sondern ein besonderes, beratungswürdiges Gut „an den Mann oder die Frau bringt“. Dies beinhaltet auch oder gerade ein Abraten oder Warnen vor unsachgemäßem Gebrauch von Arzneimitteln. Das stärkt auch das Vertrauen der Kunden in ihre Apotheker.
Die Bundesapothekerkammer baut bereits seit Längerem auf qualifizierte Fortbildungsmaßnahmen durch die Apothekerkammern. Neben einem breiten Schulungsangebot für das pharmazeutische Personal führen viele deutsche Apothekerkammern selbst Pseudo-Customer-Aktionen durch.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(10):3-3