Helmut Lehr
Sind Ausgaben für die berufliche Bildung mit mehrtägigen Reisen verbunden, sehen die Finanzämter genau hin. Sobald die „Geschäftsreise“ nicht eindeutig und ganz überwiegend beruflich/betrieblich veranlasst war, muss mit einer Kürzung des Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzugs gerechnet werden. Die Oberfinanzdirektion Hannover hat kürzlich nochmals eine ausführliche Arbeitsanweisung für ihre Finanzämter veröffentlicht, die sich ausschließlich der steuerlichen Behandlung von Aufwendungen für Studienreisen und Fachkongresse widmet1).
Grundsatz der Finanzverwaltung
Generell gilt, dass Aufwendungen für Studienreisen und Fachkongresse nur dann als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abzugsfähig sind, wenn die Teilnahme so gut wie ausschließlich beruflich/betrieblich veranlasst und die Verfolgung privater Interessen nach dem Anlass der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen ist. Zu den privaten Interessen zählt die Verwaltung neben der Erholung auch die „Bildung bzw. Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises“.
Hinweis: Eine besondere Prüfung der beruflichen/betrieblichen Veranlassung soll vor allem bei Informationszwecken dienenden Auslandsgruppenreisen und Auslandsfachkongressen erfolgen.
Einzelne wichtige Kriterien
Reiseprogramm: Das Programm der Reise muss auf die besonderen beruflichen/betrieblichen Verhältnisse und Gegebenheiten der Teilnehmer zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, wenn die Teilnehmer nur ein allgemein berufliches Interesse kundtun.
Hinweis: Wer anlässlich eines mehrtägigen Fachkongresses (nur) einen Vortrag hält, kann die Teilnahme nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht ohne Weiteres als unmittelbar beruflich/betrieblich veranlasst deklarieren.
Homogener Teilnehmerkreis: Der Teilnehmerkreis einer vorrangig Studienzwecken dienenden Gruppenreise muss im Wesentlichen gleichartig sein, bereits wegen des besonderen Zuschnitts des Reiseprogramms (siehe oben).
Hinweis: Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs kann der erforderliche „homogene Teilnehmerkreis“ bei einem Persönlichkeitstraining bereits dann vorliegen, wenn die Teilnehmer zwar verschiedenen Berufsgruppen angehören, aber allesamt in ihrer Eigenschaft als Führungskräfte Interesse an den Seminarinhalten haben2).
Straffe Organisation und Teilnahmepflicht am Programm: Die Programmgestaltung darf, von Pausen oder vortragsfreien Wochenenden abgesehen, keine Zeit für private Erholungs- und Bildungsinteressen lassen.
Hinweis: Mit Urteil vom 6. Dezember 20063) hat das Finanzgericht München die Kosten eines Apothekerkongresses in Meran anerkannt, weil die privat veranlasste Kongresszeit nur von untergeordneter Bedeutung war. Der Kläger hatte während der insgesamt sechs Kurstage lediglich an einem Tag an einer botanischen Exkursion teilgenommen, die noch nicht einmal in vollem Umfang privat veranlasst war. Die Revision des Finanzamts wurde vom Bundesfinanzhof zwischenzeitlich als unbegründet zurückgewiesen4). Bereits mit Urteil vom 11. Januar 20075) hatte der Bundesfinanzhof die Kosten für ein einwöchiges Ärzte-Symposium in St. Anton am Arlberg als Werbungskosten berücksichtigt.
Organisator der Reise: Die fachliche Organisation einer Reise unter fachkundiger Leitung kann grundsätzlich für ihre berufliche/betriebliche Veranlassung sprechen. Allerdings ist nicht jede von einem Fachverband organisierte Reise zwangsläufig in vollem Umfang steuerlich absetzbar.
Reiseziel bzw. Reiseroute: Ist die Reiseroute auseinandergezogen sowie mit häufigem Ortswechsel während des Reiseverlaufs verbun- den und sind die besuchten Orte gleichzeitig beliebte Tourismusziele, so misst die Finanzverwaltung diesem Umstand ganz besondere Bedeutung zu.
Beförderungsmittel: Die Benutzung eines „erholsamen“ Beförderungsmittels (z.B. Passagierfährschiff, Kreuzfahrtschiff), das zeitaufwendiger und mitunter auch kostspieliger ist als das sonst günstigste Beförderungsmittel, gilt als Indiz für eine private Mitveranlassung. Dies ist etwa auch der Fall, wenn ein Missverhältnis zwischen Reise- und Kongressdauer besteht.
Wochenenden und Feiertage: Sind die Wochenenden und etwaige Feiertage als reine Ruhetage deklariert, spricht dies nicht zwangsläufig für private Reisemotive. Etwas anderes gilt aber nach An-sicht der Finanzverwaltung, wenn sich deren Ausgestaltung an allgemein touristischen Zielen orientiert und in die Reisezeit besonders viele Wochenenden und Feiertage einbezogen werden.
Gesamtumstände maßgebend
Generell führt die Finanzverwaltung eine Gesamtbetrachtung der Reise durch. Die genannten Kriterien sollen dabei geprüft und gegeneinander abgewogen werden. Sind die privaten Interessen nicht von untergeordneter Bedeutung, soll die berufliche/betriebliche Veranlassung regelmäßig insgesamt verneint werden.
Hinweis: Ein vollständiges Abzugsverbot sollte jedoch nicht akzeptiert werden, solange die Reise auch beruflich/betrieblich mitveranlasst war. Der Bundesfinanzhof wird vermutlich noch 2009 abschließend darüber entscheiden, ob und in welcher Weise „gemischt veranlasste“ Reisekosten steuerwirksam aufgeteilt werden können. Bis dahin sollten Rechtsbehelfsverfahren zum Ruhen gebracht werden 6) .
1) Vgl. Verfügung vom 17. Februar 2009, Aktenzeichen S 2227 – 10 – StO 217.
2) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 1 vom 1. Januar 2009, Steuer-Spartipp Nr. 2, Seite 18.
3) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 14 vom 15. Juli 2007, Steuer-Spartipp Nr. 1, Seite 18.
4) Vgl. Urteil vom 22. Juli 2008, Aktenzeichen VI R 2/07, nicht amtlich veröffentlicht.
5) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 7 vom 1. April 2007, Steuer-Spartipp Nr. 1, Seite 18.
6) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 2 vom 15. Januar 2007, Steuer-Spartipp Nr. 1, Seite 18.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(10):18-18