Jasmin Theuringer
Zunächst einmal besteht für jeden Arbeitgeber, der mindestens drei Frauen beschäftigt, die Pflicht, das Mutterschutzgesetz (MuSchG) an geeigneter Stelle auszuhängen – und zwar so, dass jede Mitarbeiterin es lesen kann, ohne dafür einen Vorgesetzten ansprechen zu müssen. Es würde z.B. ausreichen, das Gesetz in einem Aufenthaltsraum oder in der Teeküche auszulegen.
Der Mutterschutz gewährleistet Arbeitnehmerinnen vor und nach der Entbindung einen besonderen arbeitsrechtlichen Schutz durch die Anpassung des Arbeitsplatzes, verschiedene Beschäftigungsverbote, Leistungen im finanziellen Bereich sowie den besonderen Kündigungsschutz.
Mitteilungspflichten
Sobald der Arbeitgeber die Mitteilung einer Mitarbeiterin über ihre Schwangerschaft erhält, hat er die nach dem Landesrecht zuständige Behörde (in der Regel das Amt für Arbeitsschutz) hiervon zu unterrichten. Es reicht zunächst die formlose Mitteilung an das Amt, dass die Mitarbeiterin im Betrieb schwanger ist, sowie die Mitteilung des voraussichtlichen Entbindungstermins. Auf Nachfrage des Amtes sind weitere Auskünfte zu erteilen, so Name der Mitarbeiterin, Beschäftigungsart, Arbeitszeit sowie Höhe der Vergütung.
Betriebsintern ist die Mitteilung der Schwangerschaft nur gegenüber denjenigen Personen zulässig, die mit der Durchführung der mutterschutzrechtlichen Vorschriften direkt in Berührung kommen, also z.B. die Filialleitung. Eine darüber hinausgehende Information an Dritte ohne Zustimmung der Arbeitnehmerin ist unzulässig. Die Schwangere selbst ist nicht verpflichtet, ihre Schwangerschaft dem Arbeitgeber zu offenbaren. Sie hat das Recht, ihren Zustand so lange zu verheimlichen wie sie möchte, sie verzichtet aber während dieser Zeit auch auf den besonderen Schutz als Schwangere.
Schutz am Arbeitsplatz
Teilt die Mitarbeiterin ihre Schwangerschaft mit, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitsplatz und den Arbeitsablauf so zu gestalten, dass Gefahren für Leben und Gesundheit der werdenden – bzw. später stillenden – Mutter und des Kindes vermieden werden. Konkret bedeutet das, dass einer Mitarbeiterin, die überwiegend im Handverkauf tätig ist, eine Sitzgelegenheit zum kurzen Ausruhen bereitzustellen ist. Bei ständig sitzender Tätigkeit hingegen müssen kurze Arbeitsunterbrechungen ermöglicht werden. Während der Pausen und nötigenfalls auch während der Arbeitszeit muss der Arbeitgeber der Mitarbeiterin die Möglichkeit geben, sich in einem geeigneten Raum auf einer Liege auszuruhen.
Verboten sind während der Schwangerschaft schwere und die Gesundheit gefährdende Arbeiten. Das Gesetz nennt ausdrücklich das regelmäßige Heben von Lasten von mehr als fünf Kilogramm oder das gelegentliche Heben von Lasten von mehr als zehn Kilogramm. Nach Ablauf des fünften Schwangerschaftsmonats darf die Schwangere nicht mehr als vier Stunden ständig stehen. Labortätigkeiten sind nur insoweit zulässig, als ein Kontakt mit krebserregenden, erbgutverändernden oder fruchtschädigenden Stoffen ausgeschlossen werden kann. Die Tätigkeit im Handverkauf ist uneingeschränkt zulässig, auch wenn in Apotheken naturgemäß die Infektionsgefahr höher ist als in den meisten anderen Berufen.
Zulässige Arbeitszeiten
Bei schwangeren Filialleiterinnen stellt sich die Frage nach der zulässigen Arbeitszeit, bei allen schwangeren Approbierten nach dem Notdienst: Schwangere dürfen nicht mehr als 8,5 Stunden täglich arbeiten bzw. 90 Stunden in der Doppelwoche. Nachtarbeit in der Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr ist nicht erlaubt. Ebenso ist Sonn- und Feiertagsarbeit grundsätzlich verboten. Erhält eine schwangere Approbierte zum Ausgleich der Notdienste nach § 6 Ziffer 5 des Bundesrahmentarifvertrags für Apothekenmitarbeiter (BRTV) ein erhöhtes monatliches Gehalt, so kann sich der Arbeitgeber den für die Notdienste gezahlten Gehaltsbestandteil von der Krankenkasse über das Umlageverfahren erstatten lassen.
Beschäftigungsverbot
Falls dem Arbeitgeber die Umsetzung der Schutzmaßnahmen nicht möglich ist, kann das zu einem Beschäftigungsverbot der Mitarbeiterin führen. Zunächst ist jedoch zu überlegen, ob der Arbeitnehmerin eine andere zumutbare Arbeit zugewiesen werden kann. So ist es der schwangeren PTA durchaus zuzumuten, vorübergehend PKA-Tätigkeiten zu erbringen, wenn dadurch gewährleistet ist, dass sie nicht mehr als vier Stunden stehen muss. Ihre Vergütung darf sich jedoch nicht ändern.
Schutzfristen
Arbeitnehmerinnen dürfen während der Schutzfristen vor und nach der Geburt nicht beschäftigt werden. Die Schutzfrist dauert insgesamt 14 Wochen und beginnt sechs Wochen vor dem errechneten Tag der Entbindung. Wenn die Arbeitnehmerin ausdrücklich erklärt, dass sie trotz der Schutzfrist vor der Geburt weiterarbeiten möchte, darf sie beschäftigt werden. Diese freiwillige Weiterarbeit kann sie aber jederzeit einstellen.
Nach der Entbindung darf die Arbeitnehmerin acht Wochen nicht beschäftigt werden – auch nicht auf eigenen Wunsch. Diese Schutzfrist verlängert sich auf zwölf Wochen bei einer Mehrlingsgeburt sowie bei einer medizinischen Frühgeburt. Bei einer medizinischen Frühgeburt sowie bei einer sonstigen vorzeitigen Entbindung verlängert sich die Schutzfrist nach der Entbindung zudem um den Zeitraum, der vor der Geburt nicht in Anspruch genommen werden konnte.
War also z.B. der errechnete Entbindungstermin der 1. Mai, so beginnt die Schutzfrist am 20. März und endet am 26. Juni. Käme es bereits am 4. April zu einer Frühgeburt, so hätte die Arbeitnehmerin bis dahin nur eine Schutzfrist von zwei Wochen. Die Schutzfrist nach der Geburt des Kindes betrüge dann 12 Wochen und würde nochmals verlängert um die fehlenden 4 Wochen. Der Mutterschutz würde in diesem Fall also erst am 24. Juli enden.
Wenn das Kind hingegen erst nach dem errechneten Entbindungstermin auf die Welt kommt, bleibt es bei der Schutzfrist von acht Wochen, gerechnet ab dem tatsächlichen Tag der Geburt.
Mutterschaftsgeld
Während der Schutzfristen erhält die Mitarbeiterin Mutterschaftsgeld von der Krankenkasse in Höhe des durchschnittlichen Nettoverdienstes der letzten drei Monate vor Beginn der Schutzfristen, höchstens aber 390 € im Monat. Bei einem höheren durchschnittlichen Nettoarbeitsentgelt ist der Differenzbetrag als Zuschuss zum Mutterschaftsgeld vom Arbeitgeber zu zahlen. Die Aufwendungen des Arbeitgebers für den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld werden jedoch von der Krankenkasse im Rahmen des Umlageverfahrens erstattet.
Urlaubsanspruch
Eine Kürzung des Urlaubsanspruchs der Mitarbeiterin aufgrund von mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverboten ist nicht möglich. Legt man die Schutzfrist aus obigem Beispiel zugrunde, würde die Mitarbeiterin im laufenden Jahr vom 20. März bis zum 26. Juni aufgrund der Schutzfristen nicht arbeiten. Anschließend kann sie Elternzeit in Anspruch nehmen. Eine Kürzung des Urlaubsanspruchs wegen der Schutzfristen ist nicht möglich, der Urlaub kann aber für jeden vollen Monat der Elternzeit gekürzt werden. Bei einem jährlichen Urlaubsanspruch von 32 Tagen würde der Arbeitnehmerin also ein Urlaubsanspruch von 16 Tagen verbleiben.
Besonderer Kündigungsschutz
Eines der wichtigsten Privilegien der Schwangeren ist der durch das Mutterschutzgesetz gewährte besondere Kündigungsschutz. § 9 MuSchG verbietet die Kündigung während der Schwangerschaft sowie bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung. Es handelt sich hierbei um einen besonderen Kündigungsschutz, der unabhängig davon besteht, ob sich die Mitarbeiterin noch in Probezeit befindet oder ob das Kündigungsschutzgesetz auf die Apotheke anwendbar ist.
Nach dem Gesetzestext ist Voraussetzung des Kündigungsverbotes, dass der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung Kenntnis von der Schwangerschaft hat oder dass die Arbeitnehmerin innerhalb zwei Wochen nach Zugang der Kündigung Mitteilung bezüglich ihrer Schwangerschaft macht. Ein Überschreiten dieser Frist bleibt folgenlos, wenn die Mitarbeiterin die verspätete Mitteilung nicht verschuldet hat und sie unverzüglich nachholt. Hierdurch besteht das Kündigungsverbot tatsächlich bereits ab dem Zeitpunkt, in dem die Arbeitnehmerin schwanger ist – auch wenn sie selbst bei Zugang der Kündigung noch keine Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat. Geht einer Mitarbeiterin eine Kündigung zu und erfährt sie drei Wochen später von ihrem Arzt, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger war, muss sie dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen. Die Kündigung ist dann wegen Verstoßes gegen § 9 MuSchG unwirksam, obwohl weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmerin von der Schwangerschaft wussten.
Eine trotz Schwangerschaft ausgesprochene Kündigung ist – unabhängig vom Kündigungsgrund – unwirksam. In Ausnahmefällen kann eine Kündigung ausgesprochen werden, wenn vorher eine behördliche Zustimmung erteilt wurde. Zuständig hierfür ist in der Regel das Gewerbeaufsichtsamt. Eine Zustimmung wird nur in dringenden Fällen, die ihre Ursache nicht in der Schwangerschaft haben, erteilt, so z.B. bei einer geplan-ten Betriebsstilllegung oder bei erheblichen Pflichtverletzungen durch die Arbeitnehmerin. Erst nach erfolgter Zustimmung kann die Kündigung ausgesprochen werden.
Die erfolgte Zustimmung kann als behördliche Entscheidung von der Mitarbeiterin im Verwaltungsverfahren angegriffen werden. Das führt in der Praxis dazu, dass sich eine Entscheidung über die Rechtswirksamkeit der Zustimmung über Monate hinauszögern kann. Befindet sich die Mitarbeiterin nicht mehr in der Probezeit und ist das Kündigungsschutzgesetz auf die Apotheke anwendbar, so kann sie trotz der behördlichen Zustimmung die Kündigung noch im Wege einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht überprüfen lassen.
Lehnt die Behörde hingegen eine Zustimmung ab, kann der Arbeitgeber nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren Verpflichtungsklage auf Erteilung der Zustimmung erheben. Diese Klage ist beim Verwaltungsgericht zu erheben, das nicht gerade für eine zügige Verfahrensführung bekannt ist. Dieser Schritt ist daher in der Regel nicht zu empfehlen, da es durchaus sein kann, dass sich das Kündigungsverbot durch Fristablauf erledigt hat, bevor das Verwaltungsverfahren beendet werden konnte.
Das Kündigungsverbot gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis auf andere Art beendet werden soll. So ist der Abschluss eines Aufhebungsvertrages jederzeit möglich, auch ohne behördliche Zustimmung. Befindet sich die Arbeitnehmerin in einem befristeten Arbeitsverhältnis und wird sie schwanger, so hat dies keinen Einfluss auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das befristete Arbeitsverhältnis endet durch Zeitablauf, eine Kündigung ist nicht notwendig, sodass das Kündigungsverbot nicht greift. Das gilt auch für ein Ausbildungsverhältnis, das mit Bestehen der Abschlussprüfung automatisch endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
Jasmin Theuringer, Rechtsanwältin,
Bellinger Rechtsanwälte und Steuerberater,
40212 Düsseldorf,
E-Mail: theuringer@bellinger.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(10):8-8