Prof. Dr. Burkhard Strobel
In Anlehnung an den Betriebsvergleich für Apotheken des Instituts für Handelsforschung an der Universität zu Köln (IfH) seien die Raumkosten hier definiert als Summe aus Miete und Sachkosten für Geschäftsräume. Sie nehmen nach den Personalkosten, die seit Jahren mit gut 60% den größten Anteil an den gesamten Handlungskosten beanspruchen, mit großem Abstand mit ebenfalls seit Jahren konstanten 10% den zweiten Rang ein.
Von der betriebswirtschaftlichen Logik her müssten zu diesen Raumkosten auch noch die Abschreibungen oder Leasinggebühren für die Offizineinrichtung gerechnet werden. Auch sie stellen Kosten in Zusammenhang mit den Apothekenräumen dar und werden beim IfH-Vergleich mit den Abschreibungen für Fahrzeuge, Datenverarbeitung, Laborausstattung und Forderungen zusammen – und (leider) nicht differenziert – ausgewiesen. Daher sollen in diesem Beitrag nur Miete und Sachkosten näher unter die Lupe genommen werden.
Die Miete stellt den Hauptbestandteil dieser Raumkosten dar. Dabei ist es für die Berechnung unerheblich, ob die Apotheke in eigenen oder gemieteten (bzw. gemischten) Räumen betrieben wird, solange für die eigenen Räume ein realistischer Mietwert angesetzt wird, der den entgangenen Einkünften aus Miete bei Fremdnutzung entspricht.
Offizinen werden immer größer
Zunächst ist festzustellen, dass nach den IfH-Betriebsvergleichsergebnissen die von den öffentlichen Apotheken beanspruchte Geschäftsfläche im Laufe der letzten Jahre stetig zugenommen hat, und zwar von durchschnittlich 170 qm (2002) auf 185 qm (2007). Dies ist ein Zeichen dafür, dass immer mehr Apotheken ihre Offizinen großzügiger gestalten.
In der unten stehenden Tabelle sind einige wesentliche Leistungskennzahlen ausgewiesen. Zunächst fällt auf, dass mit steigender Betriebsgröße (hier nach der Zahl der beschäftigten Personen gerechnet) die Raumleistung, gemessen am Umsatz je qm Geschäftsraum, zunimmt. Die daraus abgeleitete Vermutung, dass mit steigender Betriebsgröße die Produktivität des eingesetzten Betriebsfaktors (Personal, Raum, Kapital) steigt, wird dadurch widerlegt, dass beim oben zitierten Betriebsvergleich der Umsatz je beschäftigter Person über alle Personengrößenklassen in etwa gleich ist. Vielmehr ist § 4 Absatz 2 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) für dieses Phänomen verantwortlich, der besagt, dass die Grundfläche der Apothekenbetriebsräume insgesamt mindestens 110 qm betragen muss.
Wollte eine Apotheke mit einer Fläche von exakt 110 qm nur den laut Betriebsvergleich durchschnittlichen Umsatz je qm von 11.150 € erreichen, müsste sie immerhin 1,23 Mio. € Umsatz erzielen. Einen solchen Umsatz kann selbstverständlich nicht jede Landapotheke tätigen, selbst wenn sie für eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dringend benötigt wird. Damit wird durch den Blick auf die Apothekenbetriebsordnung wieder einmal überdeutlich, dass Versorgungsgesichtspunkte der Bevölkerung Vorrang vor jeglichen betriebswirtschaftlichen Überlegungen haben – müssen (!).
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Raumkostenniveau begrenzt beeinflussbar
Das Raumkostenniveau wird natürlich auf die Quadratmetergröße der Geschäftsfläche bezogen. Laut Betriebsvergleich des IfH betrug die jährliche Belastung im Jahr 2007 im Branchendurchschnitt 234,20 € pro qm.
Die Miete bei öffentlichen Apotheken ist (wie bei den meisten Gewerbetreibenden) im Allgemeinen nur begrenzt beeinflussbar, sie stellt eine mehr oder minder fixe, d.h. kurz- bis mittelfristig nicht oder kaum veränderbare Größe dar. Ursache hierfür ist, dass der einmal gewählte Standort einer Apotheke kurzfristig nicht gewechselt werden kann, die eigene Apotheke ist kurzfristig auch kaum ohne inakzeptable Verluste zu veräußern. Mietverträge für fremde Räume werden in aller Regel langfristig geschlossen. Einerseits dient diese langfristige Bindung der Planungssicherheit mit Blick auf die Stammkundenbindung, andererseits wird diese Sicherheit mit einer geringeren Flexibilität erkauft.
Fehler beim Mietvertrag vermeiden
Bedingt durch diese Langfristigkeit sind Fehler beim Abschluss eines Mietvertrags nachträglich kaum noch zu beheben. Jeder Apothekenleiter muss deshalb bereits vor dem Abschluss eines solchen Mietvertrags bestrebt sein, einen akzeptablen Mietzins für den aus dem Apothekengeschäft zu erwartenden Ertrag zu vereinbaren.
Bei den Vertragsverhandlungen muss dem Vermieter deutlich werden, dass eine sichere Mieteinnahme über einen langen Zeitraum einem höheren Mietzins mit ungewisser Dauer vorzuziehen ist. Erstrebenswert sind Mietverträge mit mittelfristigen Lauf- und Kündigungszeiten, Indexkopplung oder Optionsmöglichkeiten. Der Rat von Steuer- oder Betriebsberatern, Industrie- und Handelskammern sowie Immobilienmaklern kann hilfreich sein.
Aus Sicht der Vermieter gelten Apotheken mit Blick auf die Anmietung von Ladenlokalen prinzipiell immer noch als zahlungskräftig, selbst wenn sich unter Experten herumgesprochen hat, dass auch beim Mietzins natürliche Obergrenzen gesetzt sind. So hat z. B. die Bahn kein allzu großes Interesse mehr, ihre Lokale innerhalb neu gestalteter Bahnhöfe – auch wegen des Verbots einer umsatzabhängigen Miete – an öffentliche Apotheken zu verpachten. Aufgrund unrealistischer Umsatzschätzungen werden jedoch von einzelnen Apotheken zum Teil Mieten akzeptiert, die sich später in der Realität als völlig überhöht erweisen.
Ob der gewählte Standort attraktiv ist, ob also die zu zahlende Miete angemessen ist, entscheidet sich letztlich über die Produktivität, d.h., wie viele Kunden und wie viel Umsatz an diesem Standort erreichbar sind.
Bei den Sachkosten für Geschäftsräume ist nicht immer klar, welche Kosten tatsächlich hinter dieser Bezeichnung stehen. In erster Linie sind es sicher die Energiekosten, Gebühren der Gemeinde, Reinigungskosten, aber auch Kosten der Instandhaltung und Renovierung, sofern es reine Unterhaltskosten sind. Bei zwischenbetrieblichen Vergleichen ist es jedoch sehr gut möglich, dass solche Kosten völlig unterschiedlich behandelt werden. So sind Reinigungskosten durch angestellte Mitarbeiter häufig auch bei den Personalkosten zu finden, Rechnungen fremder Dienstleistungsbetriebe eher bei den sonstigen Kosten.
Flächenproduktivität oft zu gering
In unserer Auswertung – siehe Tabelle – hat die Benchmark-Apotheke mit 18.500 € eine weitaus höhere Flächenproduktivität (Umsatz je qm Geschäftsraum) als die Durchschnittsapotheke mit 11.150 €.
Eine Steigerung der Flächenproduktivität durch Verminderung der Betriebsfläche ist bei den meisten Apotheken keine realistische Maßnahme. Eine Mindestgeschäftsfläche von 110 qm schreibt bekanntlich schon die Apothekenbetriebsordnung vor. Dabei gibt es nach wie vor eine Vielzahl von Apotheken, die diese Apothekengröße aufgrund des tatsächlichen Kundenpotenzials aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht nicht optimal nutzen können. So muss eine Apotheke – wie bereits erwähnt – zurzeit immerhin 1,23 Mio. € brutto umsetzen, wenn sie auch nur die durchschnittliche Flächenproduktivität in ihrer Branche erreichen will.
Geschäftsräume und deren Folgekosten
Geringe Flächenproduktivitäten werden aber auch gerade bei Apotheken in eigenen Räumen beobachtet. Eine großzügige Auslegung der Fläche wird dort gern gewählt, da vermeintlich keine „Mietkosten“ anfallen. Selbst wenn die kalkulatorische Miete nicht in Betracht gezogen wird, gilt es zu bedenken, dass zu große Geschäftsräume auch hohe Kosten in anderen Bereichen nach sich ziehen (hohe Energiekosten, hohe Reinigungskosten, höhere Versicherungen). Größere Flächen verlangen auch eine vermehrte Geschäftsausstattung mit entsprechenden Abschreibungen.
Zu groß gewählte Offizinflächen benötigen schließlich zusätzlich höhere Lagerbestände in der Frei- und Sichtwahl und vermindern so den Lagerumschlag – oder sie vermitteln ein Bild trostloser Leere, weil die Offizinfläche nicht angemessen möbliert und bestückt ist. Zu kleine Offizinflächen aber verhindern möglicherweise zusätzliche Umsatzchancen.
Bei der Benchmark-Apotheke ist die Offizinproduktivität (Umsatz je qm Offizin) fast doppelt so hoch wie beim Branchendurchschnitt. Besonders deutlich wird diese Produktivitätsdifferenz beim GKV-Umsatz und bei der Selbstmedikation (siehe unten stehende Tabelle). Hier ist zu hinterfragen, ob die Offizin der Benchmark-Apotheke nicht doch etwas klein für Umsatz und Kunden ist.
Aber gerade moderne Lagertechniken erlauben es heute, mit einer geringeren Fläche für Lager und Verwaltung auszukommen. Ob ein Umbau zugunsten einer Vergrößerung der Offizin, der ja in der Regel mit erheblichen Investitionen und daraus folgend deutlich höheren Abschreibungen einhergeht, angeraten ist, muss also sorgfältig geprüft werden.
Würden bei der Benchmark-Apotheke nämlich durch eine solche Maßnahme keine zusätzlichen Kunden angezogen oder würden die vorhandenen Kunden nicht durch eine bessere Warenpräsentation in der Frei- und Sichtwahl zu höheren Korbumsätzen animiert, so bliebe die Produktivität der Gesamtfläche gleich, die Produktivität pro Quadratmeter Offizin nähme aber ab, und die Abschreibungen belasteten zusätzlich die Kosten. Eine solche Maßnahme wäre wirtschaftlich dann doch nicht empfehlenswert. Eine Entscheidung kann also nur durch eine intensive Analyse vor Ort getroffen werden.
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Raumkosten und Standort
Letztlich entscheidet die Qualität des Standorts darüber, ob durch Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen zusätzliche Kunden gewonnen werden können. Exzellente Standorte verfügen über eine ausreichende Kundenfrequenz (in Lauflagen), ein ausreichendes Kundenpotenzial (in Wohnlagen) oder eine hohe Anzahl von verordnenden Ärzten.
Übersteigerte Mieten
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Die traditionell guten Standorte mit entsprechender Kundendichte und -frequenz sind längst vergeben. Dennoch gibt es immer wieder neue attraktive Standorte für Apotheken, sei es durch Neuansiedlungen in wachsenden Orten und Gemeinden, sei es durch den Bau von Ärztehäusern oder Gesundheitszentren. Aber längst nicht in allen Fällen sind diese neu geschaffenen Geschäftsflächen für eine Apotheke wirtschaftlich zu betreiben. Die Mieten übersteigen oft genug ein erträgliches Maß und werden nur aufgrund der bereits angesprochenen unrealistischen Umsatz- und Ertragsschätzungen akzeptiert.
Mietkosten und Produktivität müssen also in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Das oben abgebildete Tableau stellt beide Kennzahlen gegenüber: Die Diagonale weist ausgeglichene Kostenbelastungen an unterschiedlichen Standorten auf.
Die Problematik steckt in der Standortdynamik. Gute Lagen können durch relativ kleine Veränderungen in der Qualität abfallen: Der Wegzug von Ärzten, die Neugründungen von Wettbewerbsapotheken, die Änderung der Verkehrsverhältnisse oder aber die Verschlechterung des gesamten Standorts lassen möglicherweise die Frequenz und damit die Produktivität sinken. Nur selten aber ist der Vermieter bereit, auf solche Veränderungen mit einer Mietanpassung zu reagieren. So verlagert sich manchmal die akzeptable Situation des Feldes C in die schlechte Situation des Feldes B oder sogar des Feldes A.
Diese Entwicklungen sind in vielen Gemeinden und bei fast allen standortgebundenen Handelsbranchen zu beobachten. Leerstände sind beredte Zeugen solcher unflexiblen Immobilienmärkte.
Fazit: Ständige Analyse notwendig
Selbst wenn der einmal gewählte Standort eine nur schwer veränderbare Größe darstellt, bedarf es doch der ständigen Analyse, sollen die Raumkosten für Umsatz und Ertrag einer Apotheke nicht unangemessen ausfallen. Diese Analyse macht deutlich, wie hilfreich betriebswirtschaftliche Kennzahlen (auch) für die Beurteilung der Raumkosten öffentlicher Apotheken sein können.
Prof. Dr. Burkhard Strobel,
Fachhochschule Worms,
67549 Worms,
E-Mail: strobel@fh-worms.de und
Dipl.-Math. Uwe Hüsgen,
45239 Essen,
E-Mail: uwe.huesgen@web.de
Buchtipp
Wertvolle Tipps sowie eine CD-ROM inklusive Programm zur Ermittlung eigener Kennzahlen und zum Aufbau eines eigenen Controlling-Systems finden Sie in Uwe Hüsgen und Burkhard Strobel: Apothekenmanagement mit Kennzahlen, erhältlich beim Deutschen Apotheker Verlag (Telefon: 0711/ 2582 341, Telefax: 0711/2582 290, E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de). |
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(12):5-5