Claudia Mittmeyer
?Wie soll der Vorschlag der KBV, dass künftig Ärzte nur noch Wirkstoffe verordnen und Apotheker das konkrete Präparat auswählen, konkret umgesetzt werden?
Die Wirkstoffverordnung ist ein Bestandteil unserer Eckpunkte zur Neuausrichtung der Arzneimittelversorgung. Danach sollen Vertragsärzte in Zukunft die Verantwortung für die Indikationsstellung, die Auswahl des Wirkstoffes und die Festlegung der notwendigen Verordnungsmen-ge und -dosierung übernehmen. Die Apotheker sollen für die Auswahl eines preisgünstigen Arzneimittels zuständig sein.
Wir möchten unser Konzept jedoch nicht begrenzt auf die Wirkstoffverordnung im Generikabereich, das heißt auf patentfreie Arzneimittel, verstanden wissen. Denn es ist viel weitreichender. Wir sagen auch, dass evidenzbasierte Leitlinien in Verbindung mit den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses künftig Grundlage der Arzneimittelverordnung sein müssen. Durch die Bindung an Leitlinien werden die Versorgungsqualität und die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöht.
Gleichzeitig fordern wir, dass der Gesetzgeber die KBV ermächtigt, eine Positivliste der in der Grundversorgung verordnungsfähigen Wirkstoffe zu erstellen. Diese soll für alle gesetzlich Versicherten gelten, unabhängig davon, bei welcher Krankenkasse sie versichert sind.
Für die Umsetzung unseres Konzeptes müssen den Vertragsärzten Instrumente zur Verfügung stehen, die eine echte Entscheidungsunterstützung darstellen. Dafür ist es erforderlich, dass in den Praxisverwaltungssystemen die evidenzbasierten Empfehlungen von Leitlinien in Form von Entscheidungsbäumen ebenso hinterlegt sind wie die Richtlinien des GBA. Darüber hinaus will die KBV den Vertragsärzten zuverlässige, unabhängige und umfassende Informationen und Fortbildungsangebote über eine effektive Arzneimitteltherapie anbieten. Dazu werden wir den bereits bestehenden Arzneimittelinfoservice weiter ausbauen.
?Wie begegnen Sie der Kritik von Teilen der Ärzteschaft, dass hierdurch die Verordnungsfreiheit weiter eingeschränkt würde?
Im Moment trägt der Arzt die volle Verantwortung für die Kosten der Arzneimitteltherapie. Dabei sind die tatsächlichen Kosten eines Medikamentes für den Arzt völlig undurchschaubar: Er kennt die Rabattvereinbarungen zwischen Krankenkassen und pharmazeutischem Hersteller nicht. Er weiß nicht, zu welchem Preis er ein Arzneimit-tel verordnet und letztlich weiß er auch nicht, welches Arzneimittel der Patient in der Apotheke dann tatsächlich erhält. Dennoch kann er in Regress genommen werden, wenn er sein Arzneimittelbudget überschreitet. Das treibt die Ärzte in die Rationierung und nimmt ihnen die Freude an ihrem Beruf.
Nur eine neue Aufgabenteilung kann das Dilemma des Arztes zwischen Kostenverantwortung und medizini-scher Notwendigkeit auflösen. Wir wollen die Verantwortung für die Preise wieder denjenigen übertragen, die sie steuern können: den Krankenkassen und den Arzneimittelherstellern. Steuerungsinstrumente wie Arzneimittelausgabenvolumina und Richtgrößen könnten damit entfallen. Nur die indikationsgerechte Wirkstoffverordnung und die rationale Menge sind dann entscheidend für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit. Das bedeutet auch mehr ärztliche Therapiesicherheit, weniger implizite Rationierung und ein geringeres wirtschaftliches Risiko. Insgesamt gewinnt der ärztliche Beruf mit dieser Neuregelung wieder an Attraktivität, schließlich geben wir dem Arzt wieder Raum für seine Kernaufgabe: das Wohl des Patienten.
?Wo sehen Sie zukünftig weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern?
Eine Kooperation von Ärzten und Apothekern zugunsten einer qualitativ hochwertigen und wirtschaftlichen Patientenversorgung halten wir immer für richtig und wichtig. Die Grenzen zwischen beiden Berufen dürfen dabei aber nicht verwischen. Ein Apotheker und ein Arzt können sich nicht gegenseitig ersetzen. Das zeigt auch die Situation auf dem Land: Wo eine Apotheke ist, gibt es auch eine Arztpraxis.
Unser Vorschlag zur Neuausrichtung der Arzneimittelversorgung teilt die Aufgaben klar zwischen Arzt und Apotheker. Der Arzt verordnet den Wirkstoff und der Apotheker wählt ein kostengünstiges Präparat aus. Zusätzlich sind wir der Meinung, dass Arzt und Apotheker den gleichen Informationsstand darüber haben sollten, welche Medikamente ein Patient erhält. Eine Medikationsliste auf Wirkstoffbasis, die vom Arzt und Apotheker gemeinsam geführt wird, könnte dafür eine Lösung sein. Damit ließen sich beispielsweise unerwünschte Wechselwirkungen vermeiden.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(17):3-3