Dr. Christine Ahlheim
? Der EuGH hat die gesundheitspolitische Kompetenz der einzelnen Staaten gestärkt. CDU und FDP haben sich eindeutig zu Fremd- und Mehrbesitzverbot bekannt. Bedeutet dies, dass die Apotheke jetzt im alten Fahrwasser ihren Aufgaben nachkommen kann?
Es ist erfreulich, dass jetzt eine gewisse Rechtssicherheit geschaffen ist und wohl auch bestehen bleibt. Von ruhigem Fahrwasser aber kann im Gesundheitsmarkt schon lange nicht mehr gesprochen werden. Allerdings ist zu beobachten, dass die vormals gespannte Haltung der Apothekerinnen und Apotheker zu Themen der Profilierung, Filialisierung und Führung nachlässt, weil die Bedrohung durch „Fremde“ nicht mehr so akut zu sein scheint. Gespräche, die ich mit dynamischen und erfolgreichen Apothekerinnen und Apothekern über ihre Erfolgskonzepte führen konnte, haben mir jedoch überaus deutlich gemacht, dass wirklich erfolgreiche Unternehmer auch hier – wie in allen Branchen – nie aufhören, permanent über Innovationen nachzudenken.
? Haben diese erfolgreichen Apotheken ein Rezept für diesen Erfolg?
Ebenso wenig, wie es eine Spezialität für alle Indikationen gibt, existiert ein einziges Rezept für alle Apotheken, mit dem es gelingt, sich am Markt zu profilieren. Bei den Interviews habe ich ganz unterschiedliche Konzeptionen kennengelernt. So setzen einige Apotheken eindeutig auf ihre pharmazeutische Kompetenz, indem sie das ganze Spektrum aller Sortiments- und Dienstleistungsbereiche mit hoher personeller Kompetenz anbieten. Andere Apotheken wiederum dokumentieren, dass sie die Apotheke nicht nur als „Reparaturbetrieb“ der Gesundheit verstehen, sondern als ein Dienstleistungsunternehmen für gesundes Leben und Wohlfühlen. Dritte schließlich stellen die Rundumversorgung, die sogenannte „Convenience“, die Bequemlichkeit, in das Zentrum ihrer Profilierung und erreichen dies nicht nur durch überlange Öffnungszeiten, sondern auch durch perfekt organisierte Botendienste und Versand. Einige wenige schließlich setzen auch auf den attraktiven Preis als Unterscheidungsmerkmal zum Wettbewerb.
Von „dem“ Erfolgskonzept kann man also wirklich nicht sprechen. Ganz im Gegenteil: Ich möchte behaupten, dass jedes Konzept das Zeug zu einem Erfolgskonzept hat, wenn es nur professionell durchgeführt und vermarktet wird. Wenn also pharmazeutische Kompetenz als Alleinstellungsmerkmal die Apotheke profilieren soll, dann muss dies in allen Facetten der Apotheke deutlich werden. Dies bedeutet absolute Qualität in allen Sortimentsbereichen, hohe Kompetenz in Service und Beratung, ehrliche Kommunikation in der Werbung. Aggressive Preisaktionen sind hier ebenso kontraproduktiv wie alberne Dekorationen in Offizin und Schaufenster.
Nicht die Art der Profilierung, sondern die Konsequenz in der Konzeption und Durchführung unterscheidet letztendlich erfolgreiche und weniger erfolgreiche Apotheken.
? Verlangt eine solche professionelle Konzeption und Umsetzung nicht ein Apothekenmanagement, das der klassische Apothekenleiter aufgrund seiner eher pharmazeutischen Ausbildung nicht leisten kann?
Auch hier haben die Gespräche gezeigt, dass keineswegs ein betriebswirtschaftliches Aufbaustudium vorausgesetzt werden muss. Allerdings wurde in allen Gesprächen deutlich, dass die Apothekerinnen und Apotheker Weiterbildung nicht nur pharmazeutisch verstehen. Regelmäßig besuchen sie Seminare zur Unternehmensführung, nicht unbedingt mit apothekenspezifischen Inhalten, gerne nutzt man auch die Chance, sich mit Führungskräften anderer Branchen auszutauschen. Überhaupt kann der „Blick über den Tellerrand“ als gemeinsames Merkmal erfolgreicher Apothekerinnen und Apotheker festgehalten werden.
Zudem kann festgestellt werden, dass es nicht die Einzelkämpfer sind, die erfolgreiche Apotheken leiten. Zwar sind nicht alle Befragten in einer oder mehreren der großen Kooperationen. Aber alle sind in ein mehr oder weniger enges Netzwerk eingebunden. Sie tauschen ihre Erfahrungen in Erfa-Gruppen aus, engagieren sich in Standortgemeinschaften, gründen eigene Versorgungszentren.
Und schließlich sind erfolgreiche Apothekenleiterinnen und -leiter von ihrem Konzept so überzeugt, dass es ihnen nicht reicht, dies allein für sich zu nutzen. Entweder setzen sie dieses Erfolgskonzept bereits in Filialapotheken ein oder gewinnen Kollegen, die als Franchisepartner diese Marketing- und Führungskonzepte mittragen. Immer aber wird betont, dass diese Vervielfältigung nur gelingt, wenn die Filialleiter oder Part‑ nerapotheker auch in ihren Persönlichkeiten zueinanderpassen.
Apothekenerfolg hat also auch – vielleicht sogar in erster Linie – etwas mit der Führungspersönlichkeit der Apothekenleiter zu tun.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(20):3-3