Immobilien

Inflationsrate als schwaches Werbeargument


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Deutsche Geldanleger sind verunsichert: Seit die Staatsverschuldung von Monat zu Monat auf neue Rekordwerte klettert, fürchten sie ein deutliches Anziehen der Geldentwertungsrate. Gefragt sind daher Anlageformen, die einen weitgehenden Inflationsschutz bieten.

Um 141% – so hat das Marktforschungsunternehmen BulwienGesa errechnet – sind die Preise für Wohnimmobilien seit den 1970er-Jahren gestiegen. Deutlich übertroffen wurde damit die Geldentwertungs­rate, die im gleichen Zeitraum lediglich bei 130% angesiedelt war. Immobilien – so das Fazit der Berater – stellen mithin einen wertvollen Inflations­schutz dar. Mittlerweile sind auch Banken und Sparkassen auf diesen „Zug“ aufgesprungen, wobei neben dem Inflationsschutz auch noch die vielfach günstigen Immobilienpreise und nicht zuletzt die extrem niedrigen Darlehenszinsen ins Feld geführt werden. Ihr Fazit: Der Kauf einer Immobilie sollte sich gerade jetzt besonders lohnen.

In der Tat ist der Inflationsschutz einer Immobilie nicht von der Hand zu weisen. Denn schließlich gilt sie als Sachwert, deren Preis sich weitgehend an der Geldentwertungs­rate orientiert. Sollte es eines Tages – wie von einigen Skeptikern befürchtet – zu einer Währungsreform kommen, wäre ein Investment in „Betongold“ sicher eine lohnende Alternative. Allerdings sollte man auch den Gegenargumen­ten Beachtung schenken. So ist Inflation momentan noch kein Thema. Im Gegenteil: Die Preise sinken und damit letztlich auch der Wert von Immobilien. Ob wir in zwei, drei oder mehr Jahren tatsächlich eine hohe Inflationsrate bekommen, hängt in erster Linie vom Geschick der Regierungen ab, die jetzt ausgeschütteten Mammutbeträge konjunkturschonend wieder einzusammeln. Gelingt dies, sollten wir auch in den kommenden Jahren eine eher moderate Geldentwertungsrate erleben. Aber auch in dem – sicherlich unwahrscheinlichen – Fall einer Währungsreform wäre die Immobilie nur ein langfristiger Schutz. Denn schließlich sind Haus und Grund nur dann etwas wert, wenn sich auch ausreichend Käufer dafür finden – und dies erscheint in unmittelbarem Umfeld derartiger tief greifender Aktionen eher unwahrscheinlich.

Individuelle Marktentwicklungen

Im Übrigen werden die Immobilienpreise von einer Vielzahl weiterer Faktoren berührt. Während etwa beim Gold lediglich das Wechselspiel aus Angebot und Nachfrage sowie eventuelle Interventionen der Notenbanken zu beachten sind, kommt es bei den Immobilienpreisen auch auf die Lage des Objekts, seinen Erhaltungszustand und die Vermietbarkeit an. Schon kleine regionale Veränderungen können die Renditerechnungen zunichtemachen. Aber auch Fehler bei der Objektauswahl oder dem Abschluss eines Mietvertrags können den Traum von der inflationssicheren Immobilie zum Albtraum werden lassen. Schon in den vergangenen zehn Jahren hat sich im Übrigen gezeigt, dass der Immobilienmarkt in vielen Regionen Deutschlands bereits übersättigt ist. Und daran dürfte sich auch auf absehbare Zeit nichts ändern, denn schließlich wird speziell in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten mit einem Rückgang der Einwohnerzahlen gerechnet.

Als Anleger sollten Sie sich nicht von vermeintlich plausiblen Werbeargumenten und Musterrechnungen blenden lassen. Entscheidend für ein Investment ist insbesondere die persönliche finanzielle Situation und hier speziell der Umfang der bereits bestehenden Immobilienanlagen. Kommt ein Kauf in Betracht, sollten Sie hinsichtlich Lage, Qualität und Rendite keinerlei Kompromisse eingehen. Denn ein Positives hat die Wirtschaftskrise: Die Auswahl ist groß, echte Schnäppchen kommen immer wieder.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(20):16-16