Prof. Dr. Reinhard Herzog
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Das Unternehmen
Der Siemens-Konzern hat seinen Ursprung in der 1847 gegründeten „Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske“. Ausgangsbasis war der 1846 von dem Tüftler Werner von Siemens aus Zigarrenkisten, Weißblech, Eisenstücken und Kupferdraht entwickelte Zeigertelegraph, der vom Mechaniker Georg Halske gebaut wurde. Bereits ein Jahr später erhielt das Unternehmen den Auftrag zum Bau einer Telegraphenlinie von Berlin nach Frankfurt am Main. Danach begann die internationale Ausrichtung mit Aufträgen aus Russland und England. Der Börsengang erfolgte 1899 und in den folgenden Jahrzehnten verzeichnete das Unternehmen ein deutliches Wachstum.
Heute ist Siemens einer der weltweit führenden Elektrotechnik-Konzerne mit breit gefächerter Angebotspalette. Die Geschäftstätigkeit gliedert sich in drei Sektoren. Am wichtigsten ist die Sparte „Industry“ (Umsatzanteil 2008: 49,3%), zu der auch die Lampenfirma Osram zählt. Die Strom-, Öl- und Gasaktivitäten sind in der Sparte „Energy“ (29,2%) zusammengefasst, die Medizinischen Dienstleistungen in der Sparte „Healthcare“ (14,4%). In Deutschland erwirtschaftet Siemens 16,5% des Umsatzes, weitere 36,3% entfallen auf das übrige Europa sowie Afrika. Das Amerika-Geschäft macht 26% aus, in Asien, Australien sowie im Nahen und Mittleren Osten tragen die Umsätze 21,2% zum Geschäftserfolg bei. Das Unternehmen ist in rund 190 Ländern vertreten und beschäftigt etwa 430.000 Mitarbeiter.
Fundamentale Daten
In den vergangenen Jahren gelang es dem Siemens-Konzern, trotz widriger Rahmenbedingungen – u.a. dem größten Korruptions/Schmiergeld-Skandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte – Umsatz und Ertrag auf vergleichsweise hohem Niveau zu halten. So lag der Auftragseingang im Geschäftsjahr 2007/08 (30. September) mit knapp 94 Mrd. € um 11% über dem Vorjahreswert, ohne Währungs- und Portfolioeffekte sogar um 13%. Der Umsatz mit externen Kunden wurde um 7% auf 77,3 Mrd. € verbessert. Hierbei wuchsen die Sektoren Healthcare und Industry zweistellig, die Sparte Energy erreichte ein Plus von 6%.
Deutlich rückläufig war allerdings der Ertrag: Der Gewinn aus fortgeführten Aktivitäten nach Steuern wurde mit 1,9 Mrd. € nach 3,9 Mrd. € ausgewiesen. Allerdings konnte der Konzern einen Gewinn aus nicht fortgeführten Aktivitäten in Höhe von 4,0 Mrd. € (nach 129 Mio. €) darstellen, sodass der Jahresüberschuss mit 5,9 Mrd. € um 46% über dem Wert des Vorjahres lag.
In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahrs 2008/09 gingen die Auftragseingänge gegenüber dem Vorjahreszeitraum erwartungsgemäß um 15% auf 60,2 Mrd. € zurück. Beim Umsatz konnte allerdings noch ein Zuwachs von 2% auf 56,9 Mrd. € ausgewiesen werden. Dank eines umfassenden Ergebniszuwachses im Energy-Sektor stieg das Ergebnis um 9% auf 5,5 Mrd. €. Beim angepassten EBITDA wurde ein Plus von 11% auf 7,0 Mrd. € erzielt, beim angepassten EBITDA aus fortgeführten Aktivitäten lag der Anstieg bei 19% auf 7,2 Mrd. €. Aus fortgeführten Aktivitäten verdiente Siemens in den ersten neun Monaten 3,4 Mrd. € nach 3,2 Mrd. €. Der Periodengewinn – bei dem sich die nicht fortgeführten Aktivitäten deutlich negativ auswirkten – lag bei 3,6 Mrd. € nach 8,3 Mrd. € und das Ergebnis je Aktie bei 3,96 € nach 9,07 €.
Trotz der schwierigen Wirtschaftslage wird derzeit davon ausgegangen, dass Siemens im Gesamtjahr 2008/09 wiederum angemessene Zahlen ausweisen kann. Ertragsbelastungen dürften sich zwar nicht vermeiden lassen, mittelfristig erscheint der Konzern jedoch nach den vorgenommenen Umstrukturierungen auf dem richtigen Weg. Große Hoffnungen setzt das Unternehmen auf den Bereich Erneuerbare Energien, auch das Elektroauto ist ein wichtiges Thema.
Charttechnische Daten
Die Siemens-Aktie ist nicht nur einer der größten Werte aus dem DAX, sondern entwickelt sich auch weitgehend analog zum Gesamtmarkt. In den 1990er-Jahren machte das Papier den Anlegern viel Freude, kletterte der Kurs doch von lediglich rund 10 € im Jahr 1980 auf über 120 € im Frühjahr 2000. Dann sorgte die Aktienbaisse für einen massiven Rückschlag und Ende 2002 wurde das Papier für knapp über 32 € gehandelt. In der nachfolgenden Hausse konnte die Aktie – vornehmlich aufgrund interner Krisen wie des Schmiergeldskandals – seine Höchstkurse nicht mehr erreichen. Beim anschließenden Kursrückgang fand das Papier im Bereich von 40 € eine solide Basis und legte mittlerweile wieder über 50% zu. Aus charttechnischer Sicht wurde mit dem Drehen des Gleitenden 200-Tage-Durchschnitts nach oben vor wenigen Wochen ein Kaufsignal ausgegeben, sodass der Kurs – zumindest langfristig – wieder in den Bereich früherer Höchststände klettern könnte.
Gesamtmarkttrend
Die deutsche Börse entwickelte sich im bisherigen Jahresverlauf trotz widriger Einflüsse von der Wirtschaftsfront ausgesprochen freundlich. Nachdem erhebliche charttechnische Widerstandsmarken nach oben durchbrochen wurden, stehen die Börsenampeln – zumindest nach den Regeln dieser Analysemethode – auf Grün. Allerdings hat sich mittlerweile auch einiges Enttäuschungspotenzial aufgebaut, sollten die Unternehmensergebnisse für 2009 schlechter ausfallen als derzeit erwartet.
Fazit
Die Siemens-Aktie ist ein solider Basiswert, der in keinem gut sortierten Wertpapierdepot fehlen sollte. Gerade vor dem Hintergrund der erfolgten Restrukturierungsmaßnahmen besteht dabei leicht überdurchschnittliches Kurspotenzial – vorrangig unter langfristigen Gesichtspunkten.
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Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(20):12-12