Klaus Hölzel
Der junge Chef einer größeren Center-Apotheke kommt etwas irritiert von der letzten „Erfahrungsrunde“ mit seinen Kolleginnen und Kollegen zurück. Dort hat er gehört, wie es den Inhabern gelungen ist, aus pflichtbewussten Mitarbeitern richtige Verbündete für die Expansion der Apotheke zu machen. Diese Entwicklung sieht er im eigenen Betrieb nicht. Alle sind pünktlich, ordentlich, gewissenhaft. Das Team macht den Job zur „vollen Zufriedenheit“. Im Arbeitszeugnis wäre das bestenfalls die Note „befriedigend“ – zu wenig für eine Expansion.
Kurzformel: Herz trifft Hirn
Welche Führungstechniken wenden die Kolleginnen und Kollegen an, um eine höhere Qualität im „Wir-Gefühl“ zu erzeugen? Oder sind es lediglich die finanziellen Aspekte? Liegt der Schlüssel des Erfolges vielleicht im emotionalen Führen? Erst die Antwort auf die letzte Frage ist in diesem Fall – wie in sehr vielen anderen Apotheken auch – zielführend. Herz trifft Hirn heißt die verkürzte Formel.
Der beste Impuls für Menschen sind andere Menschen: Kollegen, Freunde, Geschäftspartner – sie alle sind Teil des Motors, der uns voranbringt. Denn viel mehr als Geld treibt uns etwas ande- res an: der Wunsch nach Zuwendung und Anerkennung. Wir sind auf Resonanz und Kooperation konstruierte Wesen. Unsere Motivationssysteme schalten ab, wenn keine Chance auf soziale Zuwendung besteht. Wertschätzung tut also richtig gut. Jeder freut sich darüber, wenn der Chef ihm das Gefühl gibt, dass er ihn als Person und Mitarbeiter schätzt. Wertschätzung ist die Grundlage der Beziehungsintelligenz und bewirkt persönliche Verbundenheit.
Erfolgsfaktor Networking
Im beruflichen Alltag der Apotheke wird es zunehmend wichtiger, Beziehungen systematisch aufzubauen und zu pflegen, also Networking zu betreiben. Bei sonst vergleichbarer Qualifikation hat derjenige Apotheker größere Chancen, dass ihm Teamqualitäten zugesprochen werden, der Fürsprecher auf seiner Seite hat. Und zwar nicht nur, weil das berühmte „Vitamin B“ im Spiel ist, sondern auch, weil Menschen mit einem funktionierenden Netzwerk ein hohes Maß an Sozialkompetenz zugesprochen wird – eine Fähigkeit, die neben der fachlichen Qualifikation immer wichtiger wird.
Talent als Voraussetzung
Mitarbeiter zu Verbündeten zu machen, hängt zunächst auch vom Talent im Umgang mit den Mitarbeitern ab. Wer sich so gar nicht in die Teammitglieder hineinversetzen kann oder will, wird sie auch nicht positiv beeinflussen können. Diese Chefs bleiben einsam, wenn auch äußerlich machtvoll. Doch eine erfolgreiche Weiterentwicklung der Apotheke kann mittelfristig so nicht funktionieren.
Ein Bündel an Fähigkeiten muss zusammenkommen, um Mitarbeiter zu Verbündeten zu machen. Eine davon ist Empathie, also die Begabung, sich in die Empfindungen und Gedanken anderer hineinzuversetzen. Sie ist eine Grundvoraussetzung dafür, erfolgreich Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und dauerhaft zu pflegen. Oft reicht schon, zuzuhören und dem Gegenüber das Gefühl zu geben, dass er sich vorbehaltlos öffnen kann. Dabei ist es entscheidend, das Anliegen des anderen nicht durch die eigene Brille zu sehen, sondern die des anderen aufzusetzen.
Egozentrik als Falle
Eine Falle stellt für den emotional stark aufgeladenen Chef folgende Situation dar: Er kann sich nur deshalb in die Mitarbeiterproblematik hineinversetzen, weil er selbst solche Erfahrungen gemacht hat. Anschließend erzählt er ausschließlich von seinen eigenen Problemen und bildet bestenfalls eine „Leidensgemeinschaft“ mit dem Angestellten. Von einer Lösung ihrer Schwierigkeiten sind beide meilenweit entfernt. Solche Chefs sind im Grunde führungsunfähig und selten empathisch begabt.
Kein Schubladendenken mehr
Eine weitere praktische Fähigkeit in der Führung ist die im Alltag oft untergehende Achtsamkeit. Das bedeutet, alle Antennen auf Empfang zu schalten, sich mit allen Sinnen der Kommunikation zu widmen. Leider gelingt diese 100-prozentige Präsenz nur in bedrohlichen oder spannenden, neuen Situationen. Sobald sich aber der Alltag eingeschlichen hat, schalten wir den Autopiloten ein und sind nur noch „teilanwesend“.
Unser Gehirn vereinfacht die Wirklichkeit, indem es sie in Schubladen packt. Vorgefertigte Denkmuster und automatisierte Gewohnheiten verhindern eine differenzierte Wahrnehmung, lassen uns unachtsam werden. Diesem Trott entkommen wir nur, indem wir Routinen aufbrechen, zum Beispiel im vertraulichen Einzelgespräch über die berufliche und familiäre Situation des Mitarbeiters.
Chefs, die noch an ihrer Führungsqualität arbeiten wollen, sollten immer wieder bewusst den Kontakt zu anderen Menschen suchen, sich verschiedenen Gruppen anschließen oder Mitglied in institutionellen Netzwerken werden. „Nur die praktische und selbstkritische Erfahrung im Umgang mit anderen Menschen verbessert unsere Beziehungsintelligenz“, schreibt auch der Kölner Psychologie-Professor Dr. Uwe Scheler in seinem Buch „Erfolgsfaktor Networking“. Wichtig dabei: Beziehungen zu Mitarbeitern beruhen immer auf dem Gegenseitigkeitsprinzip. Geben und Nehmen müssen in einem Gleichgewicht stehen: no give, no get.
Doch Vorsicht bei zu viel eigenem Einsatz. Die Bereitschaft als Chef, sich ins Team einzubringen, ist schon ein Entgegenkommen, das von beziehungsstarken Mitarbeitern honoriert wird. Wer dann noch überprüft, ob eigene Gewohnheiten eher gut oder schlecht ankommen, ist auf dem richtigen Weg.
Authentisch sein – Interesse zeigen
Neugierde und Interesse sind wichtige Voraussetzungen für die Beziehungspflege. Nur wer fragt, erfährt mehr über seine Mitarbeiter und kann sich besser auf sie einstellen. Dabei darf man sich nicht verstellen, sondern muss authentisch und damit glaubwürdig bleiben. Die Neugierde wird so als Wertschätzung empfunden.
Gelingt es dem jungen Chef, diese emotionale Beziehungsstärke auf sein Team zu übertragen, kann sich die Apotheke im Betriebsklima und daraus folgend auch in der Beratungs- und Serviceleistung deutlich vom Mittelmaß abheben. Das wirkt auf Kunden sehr viel stärker als zahlreiche Preisaktionen. Und es zieht neue beziehungsstarke Mitarbeiter aus anderen Apotheken an. Top-PTAs und -Approbierte in das Team zu bekommen, ist dann die Krönung für den Chef.
Dipl.-Volkswirt Klaus Hölzel,
Apotheken Management-
Institut GmbH,65375 Oestrich-
Winkel, E-Mail: sekretariat@apothekenzukunft.de
Buchtipp
Gross, Stefan F.:
Beziehungsintelligenz –
Talent und Brillanz im Umgang mit Menschen,
Redline Wirtschaftsverlag,
erscheint im März 2010,19,90 €
Scheler, Uwe: Erfolgsfaktor Networking –
Mit Beziehungsintelligenz die richtigen
Kontakte knüpfen, pflegen und nutzen,
Piper Verlag, 2005, 9,95 €
beide zu beziehen über den Deutschen Apotheker Verlag (Telefon: 0711/2582 341, Telefax: 0711/2582 290, E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de).
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(03):8-8