Steuer-Spartipp

Reisekosten: Aufteilungs- und Abzugsverbot


Helmut Lehr

Wer geschäftliche bzw. berufliche Reisen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten steuerlich geltend macht, muss stets mit einer genauen Prüfung durch die Finanzverwaltung rechnen. War die Reise – etwa der Besuch eines Fachkongresses1) – teilweise privat mitveranlasst, werden die Kosten im Allgemeinen zumindest teilweise gekürzt. Die Finanzverwaltung beruft sich regelmäßig auf das sog. Aufteilungs- und Abzugsverbot bei gemischt veranlassten Aufwendungen. Danach sollen solche Kostenbestandteile sogar insgesamt nicht abzugs­fähig sein, die auch privat veranlasst sind, sofern eine leichte und einwandfreie Trennung nicht möglich ist.

In der Praxis wurden in den letzten Jahren aber zumindest eindeutig beruflich veranlasste Teile der Reisekosten wie z.B. Seminargebühren oder (anteilige) Hotelkosten regelmäßig anerkannt. Nach wie vor höchst umstritten war bislang jedoch insbesondere die Behandlung der Fahrt-/Flugkosten, wenn eine Geschäfts- bzw. Dienstreise mit einem zu­sätzlichen privaten Aufenthalt/Urlaub abgerundet wurde.

Richtungsweisende Entscheidung

Am 13. Januar 2010 hat der Bundesfinanzhof seine lange erwartete Grundsatzentscheidung2) zum Aufteilungs- und Abzugsverbot bei Geschäfts-/Dienstreisen veröffentlicht. Danach sind die Aufwendungen für eine sowohl betrieblich/beruflich als auch privat veranlasste Reise generell aufteilbar und somit anteilig abzugsfähig, auch soweit es sich um Kosten für die An- und Abreise handelt3).

Geklagt hatte ein angestellter EDV-Controller, der 1994 eine viertägige Konferenz/Messe in Las Vegas besuchte. Die Reise verband er mit je ein bis zwei privaten Erholungstagen vor und nach der Veranstaltung. Das Finanzamt berücksichtigte lediglich die Tagungsgebühren als Werbungskosten. Die Flugkosten, Verpflegungsmehraufwendungen und Hotelkosten erklärte es insgesamt zur „Privatsache“.

Hinweis: Der Bundesfinanzhof hat sich nun für eine generelle Aufteilung der Kosten entschieden und insbesondere auch die Flugkosten anteilig (Aufteilung nach Tagen: 4/7) anerkannt. Im Allgemeinen könnten die betrieblich/beruflich und privat veranlassten Zeitanteile als Aufteilungsmaß­stab herangezogen werden.

Klare Kehrtwende

Der Große Senat des Bundesfinanzhofs ist mit dieser Entscheidung von seiner langjährigen Rechtsprechung abgerückt. Entgegen der bisher vertretenen Rechtsauffassung ergibt sich damit aus § 12 Nr. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz überhaupt kein allge- meines Aufteilungs- und Abzugsverbot für gemischt veranlasste Kosten. Künftig soll ganz allgemein eine veranlas­sungsbezogene Beurteilung der einzelnen Kostenbestandteile einer Reise erfolgen.

Hinweis: Sollte der Gesetzgeber nun auf die Idee kommen, die Rechtsprechung durch eine entsprechende Gesetzesänderung wieder auszuhebeln, dürfte dies verfassungsrechtlich bedenklich sein. Aus der Richterschaft des Bundesfinanzhofs war bereits zu hören, dass eine solche Änderung gegen das „objektive Nettoprinzip“ verstoßen und verfassungswidrig sein könnte.

Auswirkungen

Bislang war eine Aufteilung gemischt veranlasster Kosten nur in wenigen Fällen (insbesondere Kfz, Telefon und PC) weitgehend zweifelsfrei auch von offizieller Verwaltungsseite anerkannt worden. Die Urteilsgrundsätze beschränken sich ausdrücklich nicht nur auf Reisekosten, sondern sind künftig im gesamten Betriebsausgaben-/ Werbungskostenbereich zu beachten. Steht danach eine teilweise betriebliche/berufliche Veranlassung fest und ist diese nicht nur von untergeordneter Bedeutung, muss ein teilweiser Kostenabzug möglich sein.

Beispiel: Frau Abt betreibt eine Apotheke in München. Im Jahr 2010 fliegt sie nach Hamburg und nimmt dort an einem zweitägigen Fachkongress teil. Direkt im Anschluss daran bleibt sie einen weiteren Tag im Hotel, weil sie sich noch ein Musical anschaut, und übernachtet anschließend eine weitere Nacht bei einer frü­heren Studienkollegin (pri­vater Besuch). Nach den vier Tagen fliegt sie zurück nach München. Aufgrund der ak­tuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs „müsste“ das Finanzamt zumindest folgende Aufwendungen als Betriebsausgaben anerkennen:

  • Kongressgebühren in voller Höhe (ausschließlich betrieblich veranlasst),
  • Hotelkosten anteilig nach Tagen (2/3 betrieblich veranlasst),
  • Flugkosten (Hin- und Rückflug) anteilig nach Tagen (2/4 betrieblich veranlasst),
  • Verpflegungsmehraufwendungen für zwei Kongresstage.

Hinweis: Künftig wird es in besonderem Maß darauf ankommen, dass Steuerpflichtige den betrieblich/beruflich veranlassten Teil einer Reise – möglichst anhand zeitlicher Kriterien – ausreichend nachweisen bzw. dokumentieren. Ggf. sind auch andere geeignete Aufteilungsmaßstäbe zu berücksichtigen.

Weiterhin bestehende Einschränkungen

Von der grundsätzlich steuerzahlerfreundlichen Rechtsprechung sind allerdings solche unverzichtbaren Aufwendun­gen für die Lebensführung nicht betroffen, die durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums bereits pauschal abgegolten oder als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind.

Das bedeutet: Auch Aufwendungen für bürgerliche Kleidung oder für eine Brille können natürlich aus Sicht des Steuerbürgers teilweise betrieblich/beruflich veranlasst sein – wenn nämlich die Kleidung oder die Brille während der Arbeit getragen wird. Dennoch ist in diesen Fällen auch weiterhin kein Betriebsausgaben-/ Werbungskosten­abzug möglich (ausgenommen typische Berufskleidung oder spezielle Arbeitsbrillen) – auch kein anteiliger.

1) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 10 vom 15. Mai 2009, Steuer-Spartipp Nr. 2, Seite 18.
2) Beschluss des Großen Senats vom 21. September 2009, Aktenzeichen GrS 1/06.
3) Vgl. bereits AWA -Ausgabe Nr. 2 vom 15. Januar 2007, Steuer-Spartipp Nr. 1, Seite 18.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(03):18-18