Prof. Dr. Reinhard Herzog
Das Reiseverhalten der Deutschen hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Wurde der Urlaub früher bereits lange im Voraus beim Reisebüro des Vertrauens gebucht, setzt man jetzt auf Schnelligkeit: Wenige Wochen vor dem geplanten Termin wird das Internet nach günstigen Offerten durchforstet, auch die Buchung erfolgt mittlerweile in vielen Fällen online. Verbunden sind damit mehrere Vorteile: Zum einen muss der Urlaub nicht mehr monatelang vorher gebucht werden, zum anderen bietet das Internet umfangreiche Preisvergleichsmöglichkeiten, die man im Reisebüro oft vermisst.
Doch es gibt auch Nachteile: Insbesondere bei Hotelbuchungen hat der günstige Internetpreis häufig zur Folge, dass auch nur ein „günstiges“ Zimmer zur Verfügung gestellt wird. Statt Panoramasuite mit Meerblick gibt es dann nur ein einfaches Doppelzimmer zur Straße. Vielen genügt dies zwar, andere möchten jedoch gerade in den seltenen Urlaubswochen nicht auf einen gewissen Luxus verzichten. Besser ist es daher, z.B. über die Homepage des Hotels zu buchen, wird hier doch meist auf die verfügbaren Zimmerqualitäten hingewiesen. Da immer mehr Hotels inzwischen eine „Bestpreisgarantie“ abgeben, müssen auch keine finanziellen Nachteile befürchtet werden.
Anders ist die Lage im Übrigen bei Pauschalreisen der großen Veranstalter. Hier gibt es zwar beim Preis oft erhebliche Unterschiede, die Leistungen sind jedoch oft identisch. Meist gilt dies auch für Flugbuchungen, wobei ein niedrigerer Preis allerdings häufig ungünstigere Bedingungen – etwa bei einem Storno – zur Folge hat.
Urlaubserfahrungen online
Während sich der Urlaubsinteressent im Reisebüro detailliert beraten lassen kann, muss er bei der Internetbuchung zunächst allein auf die Angaben des Veranstalters bzw. Anbieters vertrauen. Als Lösung kommen hier unabhängige Hotelbewertungsportale wie Holidaycheck (www.holidaycheck.de), Booking (www.booking.com) oder Tripadvisor (www.tripadvisor.de) infrage, in denen Urlauber ihre Erfahrungen mit dem jeweiligen Hotel veröffentlichen. Auch bei Google finden sich mittlerweile ent-sprechende Links. Die meisten Texte bieten einen schnellen Überblick über die Stärken und Schwächen eines Hotels. Dabei sollten Sie allerdings stets bedenken, dass es sich um subjektive Meinungen handelt. Auch gelingt es den Hotels immer wieder, „geschönte“ Berichte selbst zu platzieren. Indizien dafür sind überaus positive Beurteilungen von neu angemeldeten Portalmitgliedern; eine Vielzahl an Lobpreisungen innerhalb kurzer Zeit kann ebenfalls darauf hindeuten, dass es sich nicht um neutrale Bewertungen handelt.
Doch ob Reisebüro- oder Internetbuchung: Bei Pauschalreisen „aus dem Katalog“ hat der Urlauber durchaus die Möglichkeit, bereits in der Beschreibung „Probleme“ zu erkennen. Ausgelöst durch zahlreiche Gerichtsprozesse, hat sich in der Reisebranche eine „Geheimsprache“ – ähnlich wie beim Arbeitszeugnis – entwickelt, die zunächst unverfänglich erscheint, tatsächlich aber juristisch abgesicherte Mängelauflistungen enthält. Dies beginnt beim Hotel:
- Zentral gelegen / Verkehrsgünstige Lage/Am Strandboulevard/Stadthotel: Dieses Haus wird mit großer Wahrscheinlichkeit in der belebten Innenstadt angesiedelt sein – mit Lärm ist zu rechnen.
- Nahe einer nicht sehr befahrenen Straße: Auch hier ist davon auszugehen, dass der Verkehrslärm wesentlich stärker ist, als die Formulierung eigentlich erwarten lässt.
- Abseits vom touristischen Rummel /Ruhige Lage/ Abgeschiedenheit: Das Hotel liegt sehr einsam, ein abendlicher Bummel außerhalb der Anlage kann – je nach Reiseland – sogar gefährlich werden.
- Aufstrebender Ort: Ein solcher Ort ist erst neu entstanden oder wird gerade „aufgerüstet“ – mit der Gefahr lärmender Baustellen.
- Glückshotel /Fortuna-Angebot: Bei dieser günstigsten Buchungsmöglichkeit werden lediglich Kategorie und Region genannt, die Zuteilung erfolgt erst bei Anreise vor Ort. Es kann eine Billigherberge sein, aber auch ein Luxushotel – je nachdem, was gerade frei ist.
- Internationales Publikum: Bei diesem Hinweis ist von Massentourismus und zahlreichen Busgesellschaften aus unterschiedlichen Län-dern auszugehen.
- Beliebt bei Junggesellen /Für kontaktfreudige Gäste: Eindeutig zweideutige Vergnügungen werden hier ebenso angeboten wie lange Disco-Nächte.
- Geeignet speziell für junge Leute /Ungezwungene Atmosphäre: Hier ist „Party angesagt“ – und das oft bis weit in die frühen Morgenstunden.
- Kinderfreundliches Haus: Ruhesuchende Urlauber werden hier oft enttäuscht.
- Gemütliches Hotel /Beliebt bei Stammgästen: Die „Gemütlichkeit“ kann sich auf die lockere – und laute – Stimmung der Gäste an der Bar beziehen.
- Bei deutschen Gästen sehr beliebt: Schnitzel- und Weißbiergarantie, aber kein landestypisches Flair.
- Neu: Das Hotel ist erstmals bei diesem Veranstalter im Angebot, es muss nicht neu sein. Da die Bindung zwischen Hotelier und Reiseveranstalter oft noch nicht so eng ist, kann es zu Problemen bei Reklamationen kommen.
- Neue Anlage /Neueröffnung: Grundsätzlich ist dieser Hinweis zwar positiv, jedoch ist insbesondere in den ersten Monaten mit Servicemängeln zu rechnen.
- Unter deutscher Leitung: Eine deutsche Leitung bedeutet längst nicht, dass alles reibungslos funktioniert. Zudem wird ein „Durchschnittsreisender“ bei größeren Anlagen die „deutsche Leitung“ ohnehin kaum zu Gesicht bekommen.
- Landestypischer Stil: Hier entscheidet das Reiseland, ob sich dahinter ein positiver Hinweis oder eine Warnung verbirgt. Insbesondere bei Ländern mit geringem Qualitätsstandard können durchaus die Kakerlaken im Zimmerpreis eingeschlossen sein.
- Direkt am Meer: Das Meer liegt zwar „vor der Haustür“, jedoch dürfte es kaum Bademöglichkeiten in unmittelbarer Nähe geben. Ein Hotel am Hafenbecken liegt auch „direkt am Meer“.
- Strandnah /Entfernung xy Meter bzw. xy Minuten bis zum Strand: Ein Strand ist zwar in der Nähe, kann jedoch vielleicht nur mühsam über eine Autobahn oder über Klippen erreicht werden. Möglicherweise benötigt man auch einen Wagen für die Fahrt zum Strand.
- Mit eigenem anschließenden Strand: Hier ist davon auszugehen, dass eine eventuell lebhafte Straße überquert werden muss.
- Ideal geeignet für Ausflüge in die Umgebung: Bei Strandhotels kann dies bedeuten, dass der Bereich rund um das Hotel wenig ansprechend ist.
Auch bei den Zimmern gilt es zu differenzieren:
- Zimmer zur Meerseite: Das Meer dürfte hier wahrscheinlich nicht zu sehen sein, z.B. aufgrund anderer Gebäude, die das Hotel vom Strand trennen. Bei einem seitlichen Meerblick ist das Meer meist nur vom Balkon aus zu sehen.
- Zweckmäßige Zimmer / Funktionelle Einrichtung/ Helle, freundliche Zimmer/ Landestypische Einrichtung: Sie erfüllen ihren Zweck, nicht mehr und nicht weniger.
- Saubere Zimmer: Wenn ein Veranstalter auf eine solche Selbstverständlichkeit hinweisen muss, wird es um die Einrichtung selbst eher schlecht bestellt sein.
- Geschmackvoll eingerichtet: Eine Aussage praktisch ohne jedes Qualitätsurteil.
- Einige Zimmer mit... Telefon/Minibar/Haartrockner/ Klimaanlage/Mietsafe usw.: Wahrscheinlich hat das gebuchte Zimmer diese Einrichtung nicht bzw. sie kann nicht genutzt werden. Teilweise werden auch extra Gebühren verlangt, etwa für einen Safe.
- Landestypisches Essen: Nicht jeder deutsche Magen verträgt jeden Tag z.B. asiatische Curry-Mahlzeiten.
- Internationale Speisekarte: Hier wird das meiste importiert und stammt aus der Tiefkühltruhe, frische Speisen sind Mangelware.
- Essen in zwei Sitzungen: Dies kann bedeuten, dass man sich mit dem Essen beeilen muss, weil z.B. nach einer Stunde bereits die nächsten Gäste kommen.
Mindestens ebenso wichtig wie die Zimmer sind die Einrichtungen des Hotels. Grundregel dabei: Was lediglich als Möglichkeit angeboten wird, kann es, muss es aber nicht geben.
- Beheizbarer Swimmingpool: Ein Pool ist zwar vorhanden, muss aber nicht gefüllt oder gar beheizt sein.
- Naturstrand /Naturbelassener Strand bedeutet, dass dieser Strand vielfach nicht zum Baden einlädt.
- Badeschuhe empfohlen: Es handelt sich um einen grobsandigen Strand, einen Steinstrand oder sogar um Klippen.
- Das Meer ist über Treppen erreichbar: Bademöglichkeiten für Menschen mit Höhenangst oder schwacher Kondition können stark eingeschränkt sein.
- Sportanlagen sind nicht für Profis geeignet: Hier müssen Sie davon ausgehen, dass der Zustand der Sportanlagen auf sehr niedrigem Niveau liegt.
- Freizeiteinrichtungen des Nachbarhotels können mitbenutzt werden: Für die Benutzung müssen meist Gebühren bezahlt werden, die oftmals beträchtlich ausfallen.
- Sportmöglichkeiten /Ausflugsmöglichkeiten: Alle als Gelegenheit oder Möglichkeit beschriebenen Angebote müssen – gegen entsprechende Zahlung – gesondert gebucht werden.
Schließlich ist auch noch die Frage der Anreise zu klären:
- Direktflug bedeutet, dass üblicherweise mindestens eine Zwischenlandung mit Umsteigen vorgesehen ist. Hier lohnt sich ein Blick auf die Gesamtflugzeit.
- International renommierte Airline: Hier wird üblicherweise nicht mit einer deutschen Fluggesellschaft geflogen. Das muss kein Nachteil sein, jedoch umfasst der Begriff letztlich sämtliche Gesellschaften, die in Deutschland Landerecht haben.
- Nur wenige Minuten zum Flughafen/Kurze Transferdauer: Dieses Hotel liegt möglicherweise in der Einflugschneise des Zielflughafens – mit entsprechen-den Lärmrisiken.
- Transfer in eigener Regie: Um das Taxi muss sich der Urlauber selbst kümmern – und es vielfach auch selbst bezahlen.
- Örtliche Reiseleitung: Der Veranstalter hat keine Reiseleitung vor Ort – was bei Reklamationen allein schon wegen Sprach- und Mentalitätsunterschieden zum Problem werden kann.
Während diese Aussagen noch eher die Tatsachen verschleiern, ist bei konkreten Warnungen absolute Vorsicht geboten. Sätze wie „In der Hochsaison kann es im Servicebereich zu Verzögerungen kommen“ deuten auf lange Wartezeiten beim Essen hin. Auch Hinweise auf „möglichen“ oder „gelegentlichen Baulärm“ sollten Sie sehr ernst nehmen, wenn Ihnen an einem ruhigen Urlaub gelegen ist.
Fotos meist geschönt
Kritisch sollten Sie schließlich auch die Fotos sehen, mit denen die Hotelanlage beworben wird. Sie werden von Profis aufgenommen, die es verstehen, die „Schokoladenseite“ darzustellen. Fotomontagen sind an der Tagesordnung und der blaue Himmel wird eindrucksvoll nachkoloriert. Triste Hinterhöfe oder die Stadtautobahn zwischen Hotel und Strand werden sicher nicht zu sehen sein. In jedem Fall sollten Sie daher die Kataloge mehrerer Veranstalter miteinander sowohl hinsichtlich der Abbildungen als auch der Hotelbeschreibungen vergleichen. Optische Eindrücke bieten zudem Internetprogramme wie Google Earth, in denen Urlauber ihre eigenen Bilder veröffentlichen können, ebenso übrigens wie z.B. bei Holidaycheck.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(06):14-14