Dr. Eva-Maria Stoya
„Jede dritte Apotheke in Deutschland steht gegenwärtig vor dem Aus“, so das Resümee des jährlichen Betriebsvergleichs des Instituts für Handelsforschung GmbH (IfH). Vor allem Apotheken auf dem Land seien gefährdet. So mancher Apothekenleiter will die wirtschaftlich prekäre Lage seiner Apotheke jedoch noch nicht wahrhaben. Angesichts weiterer Arzneimittelsparpakete, welche die Regierung auf den Weg bringen möchte, wird die Situation aber nicht leichter werden.
In der einen oder anderen Apotheke wurden schon betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. Für die Betroffenen kommt dies verständlicherweise meist „aus heiterem Himmel“, „völlig überraschend“. Sie und auch das übrig gebliebene Team füh-len sich wie vor den Kopf gestoßen. Verunsicherung und Angst regieren, als Folge sinkt die Arbeitsmoral. „Dienst nach Vorschrift“, kein Handschlag zuviel, Tuscheleien und Diskussionen hinter dem Rücken der Apothekenleitung bringen die Apotheke jedoch nicht auf den Weg des Erfolgs zurück. Der Kundenservice sinkt. Patienten bekommen die schlechte Stimmung im Team mit und meiden zunehmend die Apotheke. Ein Teufelskreis! Die Abwärtsspirale nach unten dreht sich.
Gesichter der Angst
Ängste gehören zu den negativsten Grundgefühlen der Menschen. Mitarbeiter, die Angst haben, verkriechen sich. Andere verfallen in blinden Aktionismus, ohne Ziel. Wieder andere gehen in die innere Kündigung. Verunsicherte Mitarbeiter schieben Entscheidungen vor sich her, Fehler treten vermehrt auf, da die Angst die Konzentration beeinträchtigt. Das Betriebsklima verschlechtert sich. Schlimmstenfalls macht sich eine Ellbogen- und Überlebenskampfmentalität breit, Konflikte und im Extremfall Mobbing treten offen zutage. Die Krankmeldungen, genauer die angst- und stressbedingten Ausfallraten von Mitarbeitern, nehmen zu.
Angst ist somit die Wurzel von Blockaden und Unproduktivität. Betriebswirtschaftliche Studien zeigen, dass Mitarbeiter-Ängste rund um ihren Arbeitsplatz starken negativen Einfluss auf die Ertragslage eines Unternehmens haben. Angst verbraucht die Energien Ihrer Angestellten, lähmt sie. Deshalb muss es Ihre dringendste Führungsaufgabe nach Bekanntwerden der wirtschaftlich schwierigen Apothekensituation oder dem Aussprechen einer Kündigung sein, diese Angststarre zu überwinden.
Tipp 1: Eigene Ängste identifizieren
Zunächst müssen Sie sich als Apothekenleiter mit Ihren eigenen Existenzängsten auseinandersetzen. Das produziert unangenehme Gefühle – aber Verdrängung schadet nur. Am sinnvollsten sollten Sie schriftlich festhalten: Was befürchten Sie? Was könnte noch eintreten (Worst-Case-Szenario)? Wie sehen die Schritte und Wege aus, dies zu verhindern? Nur wenn Sie lernen, mit Ihren eigenen Ängsten umzugehen, Ihre eigene psychische Blockade überwinden und offenen Blicks in die Zukunft sehen, können Sie Ängste Ihrer Mitarbeiter verkleinern. Dann zeigen Sie als Führungskraft wirklich die benötigte Stärke. Denn trotz der schlechteren wirtschaftlichen Situation haben Sie Zuversicht auszustrahlen und zu beweisen, dass Ihre Handlungsfähigkeit voll vorhanden ist.
Tipp 2: Situation nicht beschönigen
Die schwierigen Verhältnisse – oder gar die betriebsbedingte Kündigung eines Angestellten – zu verschweigen, ist keine Lösung. Früher oder später merken Ihre Mitarbeiter den Ernst der Lage. Eine klare Krisenkommunikation, in der Sie „Tacheles reden“, also wahrheitsgemäß und so objektiv wie möglich die Unternehmenssituation schildern, hilft dagegen sowohl Ihnen als auch den Mitarbeitern. Beim Verkünden schlechter Nachrichten zerstören Sie als Apothekenleiter mit Beschönigungen nur Ihre Glaubwürdigkeit und rufen Abwehrreaktionen hervor. Ehrlichkeit fördert Ihre Glaubwürdigkeit.
Tipp 3: Mitarbeiter-Ängste ernst nehmen
Womöglich stehen Ihre Mitarbeiter zusammen und diskutieren über die wirtschaftliche Situation oder gar die Kündigung eines Kollegen. Die Angst vor weiteren Rationalisierungsmaßnahmen sowie die Ungewissheit um den eigenen Arbeitsplatz nehmen zu. Brodelt die Gerüchteküche, ist dies ein Indiz für ungenügendes Informationsmanagement seitens der Apothekenleitung.
Halten Sie engen Kontakt zu Ihren Mitarbeitern. Kommunizieren Sie offen, lassen Sie Fragen zu und beantworten Sie diese wahrheitsgemäß. Machen Sie sich am besten im Voraus schon Gedanken zu Fragen, die Ihre Mitarbeiter wahrscheinlich stellen werden, damit Sie eine Antwort parat haben. Wenn Sie auf eine bestimmte Frage noch keine Antwort wissen, geben Sie auch dies zu. Offenheit fördert Vertrauen.
Tipp 4: Unterstützung zusichern
Geben Sie Ihren Mitarbeitern das Gefühl, dass alle gemeinsam in einem Boot sitzen. Wenn zusammen im Gleichschlag gerudert wird, kann das rettende Ufer erreicht werden. Als „Kapitän“ des Bootes geben Sie die Richtung vor. Zudem sind Sie verantwortlich dafür, dass Ihre Leute wirklich im Gleichschlag rudern. Dazu müssen Sie Ihrer Mannschaft das Gefühl geben, dass Sie jederzeit für sie da sind und auch wirklich alles tun werden, um die Verbliebenen an Bord zu halten.
Tipp 5: Hoffnung geben
Ihre Mitarbeiter benötigen einen realistischen umsetzbaren Plan, ein klares Ziel, das gemeinsam anzustreben ist. Eine Krise erfordert Veränderungsprozesse, bietet aber auch neue Chancen. Doch allein mit Sach- und Vernunftargumenten werden Sie nicht überzeugen. Entscheidend ist, dass Ihre Mitarbeiter Ihnen vertrauen. Angst kann nur durch Vertrauen geheilt werden. Vertrauen bindet sich an so wichtige Tugenden wie Glaubwürdigkeit, Gradlinigkeit, Berechenbarkeit und menschlichen Anstand im Umgang miteinander. Haben Sie das Vertrauen Ihrer Mitarbeiter, werden diese Ihnen auch emotional folgen und weniger Energie in Sorgen, Befürchtungen und Bedenken investieren.
Tipp 6: Kraft der Angst nutzen
Angst verursacht nicht nur Ohnmacht, Unsicherheit, Ratlosigkeit bis hin zu irrationaler Panik, Angst kennt noch eine Kehrseite: die Aggression. Diese gilt es im positiven Sinne zu nutzen – als Kampfgeist. Die Energie Ihrer verbliebenen Mitarbeiter muss gebündelt werden, um neu gesetzte Ziele zu erreichen. Auch hier hilft das Bild vom Boot, in dem alle gemeinsam sitzen. Nur wenn jeder für jeden mit aller Kraft im Gleichschlag rudert, kann schnell wieder ruhigeres Gewässer erreicht werden. Nicht Konkurrenzkampf und Ellbogenmentalität sind jetzt für den Einzelnen nutzbringend, sondern Kameradschaft und Zusammengehörigkeitsgefühl.
Tipp 7: Noch mehr kommunizieren
Ist der Weg frei für ein zukunftsorientiertes Handeln, sollten Sie Ihre Mitarbeiter über die weiteren Schritte immer wieder zeitnah informieren. Wo stehen wir derzeit, was haben wir schon erreicht, wo wollen wir noch hin? Nennen Sie dabei Fakten und seien Sie ehrlich. Nur wenn Sie die gesetzten Ziele klar kommunizieren und transparent nachverfolgen, werden alle Beteiligten immer wieder auf Kurs gebracht. Dann bleibt das erworbene Vertrauen auch erhalten.
Dr. Eva-Maria Stoya,
Apothekerin und Journalistin,
65205 Wiesbaden,
E-Mail: EStoya@gmx.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(11):10-10