Liquidität

Der Schlüssel zur unternehmerischen Handlungsfreiheit


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Nicht geringe Rentabilität bringt Betriebe oft in Bedrängnis, sondern mangelnde Liquidität, d.h. das Fehlen ausreichender Finanzmittel für das Tagesgeschäft. Selbst gut gehende Apotheken fallen einer schlechten Liquiditätslage zum Opfer – doch dies ist meist vermeidbar.

Bisweilen kann man nur staunen, wenn z.B. eine überdurchschnittliche Apotheke auf die Schnelle quasi „verramscht“ wird, weil nicht mehr kurierba­re Zahlungsprobleme aufgetreten sind. Wie kann so etwas passieren? Welche Fallen lauern selbst auf eine grund­solide kalkulierende Apotheke?

Ein Faktor ist schlicht eine gewisse Gutgläubigkeit: „Bisher hat sich immer eine Lösung gefunden...“ Zur Not springt eben noch einmal die Bank oder der Großhandel ein. Eine solche Vertrauensseligkeit kann jedoch böse enden.

Die Liquiditätsplanung können Sie sich wie ein Wasserbecken mit mehreren Zu- und Abflüssen vorstellen. Der „Wasserstand“ im Becken markiert Ihren maximalen finanziellen Spielraum. Dieser Finanzrahmen setzt sich üblicherweise wie folgt zusammen:

  • Ihre privaten Barmittel, die im Betrieb stecken,
  • langfristige Kreditmittel, die jedoch meist im Zusammenhang mit Investitionen bereits verplant sind,
  • kurzfristige Kredite, insbesondere Kontokorrentkreditlinien,
  • Lieferantenkredite und Va­luten, denen aber dezidier­te Warenkäufe gegenüberstehen, sowie
  • im Bedarfsfall zusätzlich ak­tivierbare Geldmittel, z.B. durch Umschichtung von privaten Konten oder Hilfe von der Verwandtschaft, aber in angespannter Lage auch durch Verkauf von Wertpapieren oder Vermögensgegenständen.

Schlimmstenfalls droht die Veräußerung von Unternehmensteilen (Filialen) oder gar Immobilien. Gerade letztere Fälle führen, wenn quasi „Notverkäufe“ stattfinden, oft zu dramatischen Wertverlusten.

Die laufenden Zuflüsse werden überwiegend vom Roh­gewinn und gegebenenfalls von weiteren Einnahmen sowie betrieblichen Kapitalerträgen ge­bildet. Die bedeutenden Ab­flüsse sind

  • die laufenden operativen Betriebskosten,
  • Steuern in Form der Vorauszahlungen und eventueller Nachzahlungen,
  • der Kapitaldienst (Zinsen und die aus dem Nettoeinkommen zu bestreitenden Tilgungen),
  • die private Vorsorge, für Selbstständige nicht selten Beträge von 2.000 € und mehr im Monat und selbst nach den steuerrechtlichen Verbesserungen der letzten Jahre nur teilweise im Rahmen der Vorsorgeaufwendungen absetzbar,
  • und schließlich die Entnahmen für die private Lebens­haltung, quasi das „Nettogehalt“.

Um im Bild zu bleiben: Bei einer klugen Liquiditätsplanung gestalten Sie Zu- und Abflüsse so, dass der „Wasserstand“ ei­nigermaßen konstant ist oder eher noch steigt. Keinesfalls darf das Becken leerlaufen.

Persönliche Spielräume

Deshalb an dieser Stelle der Praxistipp: Ermitteln Sie Ihre persönlichen Liquiditätsspielräume – zuerst in Form der regulären Finanzmittel (Bargeld im Betrieb, Kontokorrent und ggf. andere zugesagte Kreditmittel). Im nächsten Schritt beziehen Sie die notfalls noch zu aktivierenden Gelder ein (wie weiteres Pri­vatver­mögen, Verwandtschafts­hilfen usw.) – sozusagen als zweite Verteidigungslinie für den Fall außergewöhnlicher Schief­lagen.

Grundsätzlich zu unterscheiden ist zwischen der kurzfristigen Finanzplanung, also dem täglichen finanziellen „Durchkommen“, sowie der lang­fristigen Planung. Bei der Li­quiditätsplanung geht es vor allem darum, die laufende finanzielle Betriebsfähigkeit sicherzustellen, damit Sie nicht durch sämtliche Kontokorrentlinien und private Sicherheitsnetze „hindurchrauschen“ und letztlich insolvent werden. Ein solcher Liquiditäts-Exitus bedeutet den weitgehenden Verlust Ihrer unternehmerischen Handlungsfähigkeit, möglicherweise sogar den persönlichen Ruin.

Selbst bei momentan gesicherter Liquidität ist langfristig der Schuldenstand im Auge zu behalten, zumal falls die Liquidität nur „auf Pump“ geschaffen wurde. Wenn die Saldenlisten einmal ins Minus gehen, dann mag zunächst noch keine Gefahr drohen. Aber langfristig müssen eben die Verbindlichkeiten zurückgeführt werden.

Damit sind wir bei einer gefährlichen Unternehmerfalle: Verzetteln und fortwährendes „Löcherstopfen“. Es ist heut­zutage ein Leichtes, ein ganzes „Schattenreich“ an Verbindlichkeiten aufzuhäufen:

  • Es werden verschiedene Kredite, womöglich bei unterschiedlichen Banken, auf­genommen,
  • das gleiche Spiel läuft mit Kontokorrentkrediten auf mehreren Konten,
  • hinzu kommen Lieferantenkredite (Großhandel, Valu­ten usw.),
  • es werden etliche Leasingverträge eingegangen – einige mit hohe Schlussraten,
  • Rechnungen bleiben so lange wie möglich liegen,
  • gegenüber dem Finanzamt wird eine Verzögerungs- und Verschleierungstaktik betrieben.

Zwar keine direkte, in Geld anfallende Verbindlichkeit, aber praktisch auf das gleiche Ergebnis hinauslaufend ist der „Investitionsstau“, das Hinauszögern von selbst dringen­den Erhaltungsinvestitionen und das „Leben von der Substanz“. Auch hier wird immanent eine Zukunftslast aufgehäuft, der man sich dadurch entledigen kann, dass der Betrieb, bevor die Investitionen unaufschiebbar werden, noch rasch übergeben (wenn sich dann überhaupt Interessenten finden!) oder aber schlicht mit dem Eintritt in die Rente geschlossen wird.

Daneben gibt es einige Liquiditätsfallen, die selbst grundsolide Betriebe kurz­fristig ins Rotieren bringen können:

  • Der „Klassiker“ sind hohe Steuernachzahlungen – oft ein Versagen des Steuer­beraters, denn aus den laufenden Betriebsdaten lässt sich abschätzen, ob sich das zu versteuernde Einkommen im laufenden Jahr deutlich erhöhen wird und damit im Folgejahr Nachzahlungen drohen. Bisweilen sind aber auch geplatzte Kap­ital­an­lagekonstruk­tio­nen (z.B. die Versagung der steuerlichen Abzugsfähigkeit) verantwortlich. Und manch einer wundert sich, was eine Betriebsveräußerung für steuerliche Konsequenzen hat.
  • Unvorhergesehenes wie Reparaturen, Unfälle oder Krankheit kann große Löcher in die Kasse reißen.
  • Plötzliche Veränderungen im Umfeld (zum Beispiel Ausfall des Hauptverordners) führen schnell zu einer angespannten Liquiditätslage und verlangen nach raschem, entschiedenem Ge­gensteuern.
  • Das Aufhäufen von Valuten und Warenkrediten, die dann alle beinahe gleichzeitig fällig werden.
  • Bei Apotheken mit hohem Anteil teurer Spezialpräparate nehmen Retaxationen bisweilen beängstigende Di­mensionen an.
  • Ausufernde Marketingkos­ten, wenn es plötzlich am Ort „hoch hergeht“, können schnell belastend sein, zumal wenn keine steigenden Erträge folgen.
  • Bei Neugründungen und auch bei Übernahmen mit großen Investitionskosten wer­den oft die Anlaufverluste falsch eingeschätzt, was rasch in die Liquiditätsfalle führen kann.
  • Noch eher nebensächlich, aber von steigender Bedeutung: Zahlungsausfälle. Wenn erst einmal Krankenkassen ihre Zahlungen verzögern oder gar für längere Zeit einstellen sollten, wird es für viele Apotheken ganz schnell kritisch.

Beinahe ein Tabuthema sind die privaten Entnahmen. Doch liegt hier ebenfalls nicht selten ein Schlüssel zur Lösung der Probleme. Etliche Kollegen wissen gar nicht so genau, wie hoch ihre Privat­entnahmen eigentlich sein dürften. Man nimmt das, was schon immer ging, solange die Umsätze und die sonstige Betriebsentwicklung keine offen­kundigen Einbrüche aufweisen. Gleichwohl kann es trotzdem zu Ungleichgewichten und schleichenden Ertrags­erosionen kommen, vor allem, wenn kein zeitnahes Controlling betrieben wird. Die Entnahmen sind dann möglicherweise nicht mehr gerechtfertigt. Eine recht lange Zeit wird das nicht einmal akut bedrohlich, nur das Girokonto rutscht Stück für Stück ins Minus...

Liquiditätsquellen erschließen

Wird es immer enger auf dem Girokonto und schmelzen die Gelder dahin, müssen Zu- und Abflüsse neu austariert werden. Folgendes bietet sich an:

  • Das immer zuerst genannte „Streichkonzert“ bei den Kosten ; abgesehen von wirklich überzogenen Kostenpositionen ist indes das Potenzial meist deutlich begrenzt und bei den kundenwirksamen und serviceorientierten Ausgaben kann der Schuss sogar „nach hinten losgehen“.
  • Ein strikteres Zahlungs- und Forderungsmanagement verschafft ebenfalls ein wenig mehr Luft. Also später zahlen sowie früher und konsequenter bei den Kunden kassieren... Allerdings: Auch hier ist die Wirkung limitiert, da das Meiste von der GKV pünktlich erstattet wird bzw. beim klassischen Barverkauf direkt in der Kasse landet.
  • Die Steuervorauszahlun­gen sen­ken – immer zu erwägen, wenn die Rohgewinne bei etwa gleichen oder gar steigenden Kosten rückläufig sind.
  • Das Warenlager kann behutsam reduziert werden und Sie bauen so ggf. überhöhte Substanz ab – aber auch das wirft schnell neue Probleme (Lieferfähigkeit, mangelnde Warenpräsen­tation) auf.
  • In höherem Alter sind die privaten Vorsorgeausgaben zu überdenken. Viele Versicherungen verlieren aufgrund anderweitig erreichter Ansprüche mehr und mehr ihren Sinn. Die Verzinsung der Versorgungswerkbeiträge nimmt ab, eine Reduzierung der Zahlungen ist ggf. zu prüfen.
  • Wertpapierdepots enthalten nicht selten einige „Leichen“, die man entsorgen kann. Etliche Papiere „dümpeln vor sich hin“ und die Chance, dass sie wirklich wieder auf die Beine kommen, ist oftmals gering. Also jetzt einmal genauer hinschauen (wann sonst?) und lieber das eine oder andere Investment gleich zu Geld machen, als noch jahrelang abzuwarten.
  • Das sensible Thema Privat­entnahmen haben wir bereits oben angesprochen, es darf in dieser Liste nicht fehlen.

Bedenken Sie, dass eine gute Liquiditätslage heutzutage einen entscheidenden Wett­bewerbsvorteil darstellt. Dieser Punkt kann gar nicht deutlich genug hervorgehoben werden. Wer finanziell „gut ge­polstert“ ist, hat die Möglichkeit, auf Angriffe der Wettbewerber kraftvoll zu reagieren und verfügt über unterneh­merische Handlungs­freiheit.

Liquidität sichert den Anschluss

Liquiditätsreserven und finanzielle Solidität versetzen Sie zudem in die Lage, den Betrieb stets auf der Höhe der Zeit zu halten, sinnvolle Investitionen zu tätigen, Ser­viceleistungen weiter auszu­bauen oder das Warenangebot und die Lieferbereitschaft auszuweiten. Wer hingegen ständig mit einem „auf Kante genähten“ Finanzrahmen haus­halten muss, verliert mög­licherweise schneller als gedacht den Anschluss – eine Abwärtsspirale droht.

Besonders schade ist dies, falls das Geld über die Jahre hinweg in vergleichsweise wenig werthaltige Konsumausgaben geflossen ist anstatt in Zukunftsarbeit. Die Konkurrenz freut das natürlich, denn in einem Verdrängungsmarkt ist des einen Verlust des anderen Gewinn...

Dr. Reinhard Herzog,
Apotheker, 72076 Tübingen,
E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Checkliste

Eine Excel-Rechenmappe zur
Liquiditätsplanung zum Download finden Sie hier

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(15):8-8