Bankvollmachten

Die Sicherheit ist meist kostenlos


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Eine Sekunde Unaufmerksamkeit bei der Fahrradtour oder ein schwerer Autounfall – die Folgen sind oft fatal. Wochenlange Bewusstlosigkeit, künstliches Koma oder sogar der Tod stürzen die Angehörigen nicht nur in seelische, sondern oft auch in finanzielle Bedrängnis.

Niemand spricht gerne dar­über, dennoch ist die Frage stets aktuell: Was geschieht mit den Finanzen, wenn der Kontoinhaber stirbt oder auch „nur“ wegen eines Unfalls oder schwerer Krankheit wochen- oder gar monatelang keine Entscheidun­gen treffen kann? Die Banken sind an strenge Vorschriften gebunden: Verfügungsberechtigt sind neben dem Kontoinhaber nur die Personen, die eine entsprechende Vollmacht haben oder sich als Erben ausweisen können. Persönliche Schicksale spielen indes keine Rolle: Solange die Rechtsfragen nicht geklärt sind, ist der Zugriff auf Giro- oder Anlagekonten, auf Schließ­fächer und Wertpapierdepots gesperrt. Dies gilt selbst dann, wenn z.B. bei Wertpapieren dringender Hand­lungsbedarf besteht, um Verlustrisiken zu bremsen. Allenfalls durch die gerichtliche Bestellung eines Betreuers lassen sich entsprechende Pro­bleme umgehen, jedoch ist auch dafür ein erheblicher Zeitaufwand einzuplanen.

Es gibt allerdings relativ einfache Möglichkeiten zur rechtzeitigen Vorsorge. Dies beginnt bei der Kontenbezeichnung. In der Standardvariante wird das Konto bzw. Depot auf den Namen des Kontoinhabers geführt, es handelt sich also um ein Einzelkonto. Durchaus sinnvoll ist jedoch die Gestaltung als Gemeinschaftskonto, das z.B. auf beide Ehepartner lautet. Dabei gibt es zwei Varianten:

  • Bei dem inzwischen selten gewordenen Und-Konto sind alle Kontoinhaber lediglich gemeinsam verfügungsberechtigt. Es kommt daher vorrangig für große Vermögenswerte in Betracht, die über einen längeren Zeitraum fest angelegt werden. Stirbt einer der Kontoinhaber, tritt an seine Stelle die Erbengemeinschaft.
  • Das üblichere Oder-Konto wird zwar ebenfalls auf den Namen von zwei oder mehreren Kontoinhabern geführt, jedoch kann hier jeder Kontoinhaber auch allein verfügen. Diese Berechtigung erstreckt sich im Übrigen auf alle Belange des Kontovertrags, d.h., jeder Mitinhaber hat grundsätzlich auch das Recht, das Konto auf seinen Namen umzuschreiben. Insbesondere im Falle einer drohen­den Scheidung kann hier also frühzeitig Handlungsbedarf bestehen.

Im Übrigen erlaubt die z.B. auf dem Konto-/Depotauszug abgedruckte Kontobezeichnung allein noch keine Beurteilung, ob es sich um ein Und- oder ein Oder-Konto handelt. In der Praxis vieler Institute lauten Gemeinschaftskonten stets auf die „und“-Bezeichnung, Details findet man erst im Kontenvertrag. Ebenso wird auch bei „klassischen“ Und-Konten oft eine Vereinbarung getroffen, nach der zumindest beim Tod eines Mit-Kontoinhabers der überlebende Kontoinhaber allein verfügungsberechtigt wird, um so eine Blockade bis zur Klärung der Erbschaftsverhältnisse zu vermeiden.

Keine derart umfassenden Rechte vergibt der Kontoinhaber bei Ausstellen einer Vollmacht. Die einfachste Variante ist die Vollmacht für einen einzelnen Geschäftsvorfall, die den Bevollmächtigten dazu berechtigt, z.B. einen bestimmten Bargeldbetrag abzuheben. Sie kann formlos oder auf speziellen Formularen des Kreditinstituts erteilt werden. Grundsätzlich zählt dazu aber auch die Übergabe der Bankkarte und das Nennen der Geheimnummer – was sich nur bei einem sehr gutem Vertrauensverhältnis empfiehlt.

Kontovollmachten bestehen bis auf Widerruf

Umfassendere Rechte sind mit einer Einzel- oder Unterschriftsvollmacht verbunden, die üblicherweise unbefristet erteilt wird. Hier kann der Bevollmächtigte ähnlich wie der Kontoinhaber vollwertig über das Konto bzw. Depot verfügen, also Überweisungen tätigen oder Geld abheben. Ausgenommen ist lediglich der Kontovertrag selbst, d.h., der Bevollmächtigte kann keine Umschreibungen vornehmen oder einen höheren Dispo­kredit beantragen. Eine solche Vollmacht ist im Übri­gen – ebenso wie die meisten anderen Varianten – kostenlos, es genügt das Ausfüllen der entsprechenden Formulare bei Bank oder Sparkasse.

Wer lediglich sichergehen will, dass im Falle seines Todes erforderliche Finanzgeschäfte problemlos abgewickelt werden, kann auch eine Vollmacht auf den Todesfall ausstellen. Hier darf der Bevollmächtigte nach dem – nach­zuweisenden – Tod des Kontoinhabers Verfügungen treffen. Dabei ist er allerdings den Erben gegenüber rechenschaftspflichtig, auch haben diese das Recht, die Vollmacht jeder­zeit zu widerrufen. Eine Vollmacht auf den Todesfall ist immer dann sinnvoll, wenn z.B. in der Apotheke die Abwicklung der laufenden Geschäfte auch nach dem Tod des Inhabers sichergestellt werden soll, ohne dabei allzu weitreichende Verfügungsberechtigungen einzuräumen.

Eine Kombination aus Einzel- bzw. Unterschriftsvollmacht und Vollmacht auf den Todesfall stellt die Vollmacht zu Lebzeiten und auf den Todesfall dar. Hier kann der Be­vollmächtigte sowohl zu Lebzeiten als auch nach dem Tod des Kontoinhabers über das Konto bzw. Depot verfügen. Er muss sich lediglich gegen­‑ über dem Kontoinhaber bzw. der Erbengemeinschaft rechtfertigen. Da die meisten Unterschriftsvollmachten heute per Formular auch „über den Tod hinaus“ gelten, sollten ungewünschte Erweiterun­gen der Vollmacht ggf. indivi­duell gestrichen werden.

Erbrechtliche Entscheidung

Einen Schritt weiter geht der Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall – im Bankenjargon als „Vertrag nach 328/333 BGB“ bezeichnet: Hier wird ein Dritter durch den Kontoinhaber begünstigt, im Todesfall in vollem Umfang über das Konto bzw. Depot wie über sein Eigentum zu verfügen. Dabei handelt es sich im Grunde nicht um eine Vollmacht, sondern um eine vorweggenommene Entscheidung nach dem Erbrecht. Die Erbengemeinschaft muss beim Tod des Kontoinhabers grundsätzlich nicht einmal vom Kreditinstitut über dieses Konto bzw. Depot informiert werden.

Gerade bei größeren Vermögen werden Vollmachten oft nicht (nur) gegenüber dem Kreditinstitut erteilt, sondern bei einem Notar vereinbart und mit einer Urkunde „be­siegelt“. Sie kann dem Be­vollmächtigten weitreichende Möglichkeiten bis hin zum Recht zur Kontoumschreibung oder -auflösung geben. Im Übrigen lassen sich beim Notar gleich noch erbrechtliche Fragen klären.

Vorsorgevollmacht

Um Notarkosten zu vermei­‑ den, bietet sich die Vorsorgevollmacht an, die sich nicht nur auf Bankgeschäfte erstreckt, sondern auch andere Bereiche der Lebensführung umfasst. Sie tritt immer dann in Kraft, wenn Bankkunden aufgrund von Krankheit, Unfall oder ihres hohen Alters nicht mehr in der Lage sind, ihre finanziellen Dinge zu regeln. Im Gegensatz zur Konto- bzw. Depotvollmacht erstreckt sich die bei dem Kreditinstitut hinterlegte Bankvorsorgevollmacht auf sämtliche Konten und Depots des Inhabers und deckt sogar später eröffnete Konten ab. Zulässig sind alle Arten von Verfügungen, nicht jedoch die Kontoauflösung.

Das Problem dabei: Das Kreditinstitut prüft in der Regel nicht, ob der Vorsorgefall auch wirklich eingetreten ist. Letztlich handelt es sich also praktisch um eine Generalvollmacht, sodass sich Kontoin­haber genau überlegen sollten, wem sie diese erteilen. Die Vorsorgevollmacht gilt grundsätzlich so lange, bis sie vom Kontoinhaber bzw. den Erben widerrufen wird. Sind mehrere Erben vorhanden, gilt sie im Falle eines Widerrufs durch einzelne Miterben für alle anderen Miterben weiter, die nicht widerrufen haben. Allerdings kann der Bevollmächtigte dann nur noch gemeinsam mit dem Widerrufenden Gebrauch von seinem Recht machen.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(15):15-15