Steuer-Spartipp

Häusliches Arbeitszimmer: „Neuregelung“ verfassungswidrig


Helmut Lehr

Mit Beschluss vom 6. Juli 20101) hat das Bundesverfassungs­gericht entschieden, dass die seit 2007 geltende Neuregelung zur steuerlichen Berücksichtigung eines häuslichen Arbeitszimmers in Teilen verfassungswidrig ist. Zuvor hatte bereits der Bundes­finanzhof erhebliche Zweifel angemeldet2) .

Fehlender Arbeitsplatz entscheidend

Konkret entschied das Bundesverfassungsgericht, dass ein vollständiges Werbungskostenabzugsverbot für das häusliche Arbeitszimmer verfassungswidrig ist, sofern dem Steuerpflichtigen tatsächlich kein anderer Arbeitsplatz (bei seinem Arbeitgeber) zur Verfügung steht. Die Gerichte und die Finanzämter dürfen das Abzugsverbot insoweit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen. Der erfolgrei­che Kläger ist ein Lehrer, dem in der Schule kein gesonderter Arbeitsplatz für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts zugewiesen worden war und der sein häusliches Arbeitszimmer täglich zwei Stunden beruflich nutzte.

Hinweis: Die Entscheidung gilt ebenso für den Betriebsausgabenabzug von Gewerbetreibenden und Selbstständigen, sofern das Arbeitszimmer den einzig nutzbaren „Büroarbeitsplatz“ darstellt.

Gesetzgeberischer Hintergrund

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird besser verständlich, wenn man sich zunächst die gesetzge­berische Entwicklung der Abzugsbeschränkungen zum häuslichen Arbeitszimmer vergegenwärtigt.

Mit dem Jahressteuergesetz 1996 wurde die Abzugsfähigkeit der Arbeitszimmerkosten bereits wesentlich eingeschränkt, es galt grundsätzlich ein Abzugsverbot. Eine Ausnahme hiervon war für Steuerpflichtige vorgesehen, die mehr als 50% ihrer gesamten betrieblichen/beruflichen Tätigkeit im Arbeitszimmer verbrachten oder denen kein anderer (Büro-)Arbeitsplatz zur Verfügung stand. In diesen (beiden) Fällen konnten Aufwendungen von bis zu 1.250 € (bzw. 2.400 DM) abgezogen werden. Das Bundesverfassungsgericht hielt diese Einschränkungen für zulässig3) .

Hinweis: Ein unbeschränkter Abzug kam nur dann in Betracht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen/beruflichen Tätigkeit darstellte.

Mit dem Steueränderungsgesetz 2007 erfolgten weitere erhebliche Einschränkungen der Abzugsmöglichkeiten. Aufwendungen konnten nur noch dann geltend gemacht werden, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen/beruflichen Tätigkeit bildete.

Praktische Folgen des aktuellen Beschlusses

Für die Fälle, in denen dem Steuerpflichtigen kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, muss der Gesetzgeber rückwirkend auf den 1. Januar 2007 eine Neuregelung treffen. Er könnte deshalb wieder zur Vorgänger­regelung zurückkehren und den Abzug auf 1.250 € beschränken. Soweit kein Kostenabzug für das Arbeitszimmer möglich ist, weil das Zimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit darstellt, verstößt dies nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht gegen das Grundgesetz – auch nicht in solchen Fällen, in denen das Zimmer zu mehr als 50% für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird.

Hinweis: Seitens der Politik wurde bereits angekündigt, sich umgehend nach der Sommerpause um eine gesetzliche Neuregelung zu bemühen. Diese könnte dann im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2010 verabschiedet werden.

Bedeutung für Apotheker und Mitarbeiter

Wer als selbstständiger Apothekenleiter dem Finanzamt darlegen kann, dass ihm in der Apotheke kein geeigneter Büroarbeitsplatz zur Verfügung steht, dürfte nun wieder rückwirkend Betriebsaus­gaben in Höhe von bis zu (mindestens) 1.250 € für ein häusliches Arbeitszimmer geltend machen können. Auch für Apothekenmitarbeiter könnte die Entscheidung Bedeutung haben, sofern sie ein Arbeitszimmer beruflich nutzen (müssen).

Hinweis: Zunächst muss natürlich abgewartet werden, wie die gesetzliche Neuregelung konkret aussieht. Mög­licherweise entscheidet sich der Gesetzgeber auch für einen (geringfügig) höheren Abzugsbetrag.

Geringe Hoffnung für andere Fälle

Vielleicht ringt sich die Legislative auch dazu durch, in den Fällen nachzubessern, in denen Steuerpflichtige ihre betriebliche/berufliche Tätigkeit zu mehr als 50% im häuslichen Arbeitszimmer verrichten, ohne dort ihren Tätigkeitsmittelpunkt zu haben. Weil das Bundesverfassungsgericht für der­artige Fälle keinen Grundgesetzverstoß erkennen konnte und die Haushaltslage angespannt ist, dürfte dies jedoch wenig wahrscheinlich sein.

Verfahrensrechtliche Besonderheiten

Seit geraumer Zeit ergehen die Einkommensteuerbescheide hinsichtlich der ab 2007 eingeführten Abzugsbeschränkungen für das häusli­che Arbeitszimmer vorläufig. In diesen Fällen ist die Berücksichtigung einer vorteilhaften Neuregelung problemlos möglich – ebenso, wenn die Einkommensteuerbescheide (ab 2007) rechtzeitig mittels Einspruchs offengehalten wurden. Wer keinen Einspruch eingelegt hat und in seinen Bescheiden auch keinen entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk findet, wird nach ersten Äußerungen aus dem Bundesfinanzministerium nicht von einer verbesserten Neu­regelung profitieren können.

Hinweis: Da eine gesetzliche Neuregelung sicherlich mit Abzugsbeschränkungen insbesondere der Höhe nach verbunden sein wird, ist die Unterhaltung eines außerhäuslichen Arbeitszimmers in geeigneten Fällen noch immer eine überlegenswerte Gestaltungsalternative4) .

1) Aktenzeichen 2 BvL 13/09.

2) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 21 vom 1. November 2009, Steuer-Spartipp Nr. 2, Seite 18.

3) Vgl. Beschluss vom 7. Dezember 1999, Aktenzeichen 2 BvR 301/98.

4) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 4 vom 15. Februar 2009, Steuer-Spartipp Nr. 1, Seite 17.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(16):18-18