Prof. Dr. Reinhard Herzog
Noch 2001 kostete die Feinunze Gold an den internationalen Warenterminbörsen gerade einmal rund 260 US-Dollar, heute werden fast 1.200 US-Dollar dafür bezahlt. Aber auch Silber, Platin und Kupfer verzeichneten zumindest zeitweise drastische Preissteigerungen, selbst bei Zucker und Mais lassen sich Preissprünge beobachten. Fragt man nach den Gründen, haben Finanzdienstleister vorrangig drei Varianten parat:
- Das schnelle Wachstum in China – im ersten Quartal 2010 waren es wieder über 10% – hat einen enormen Rohstoffbedarf zur Folge.
- Die Konjunkturbelebung in der westlichen Welt erfordert zum einen wieder mehr Rohstoffe, zum anderen wächst die Nachfrage z.B. nach Edelmetallen aus der Schmuckindustrie.
- Die Haushaltsprobleme von Griechenland, Spanien und Portugal, aber auch von Deutschland können mittel- bis langfristig nur über eine höhere Inflationsrate gelöst werden. Dann sind es aber die Sachwerte, deren Kaufkraft erhalten bleibt.
Alle drei Thesen haben durchaus ihre Berechtigung und werden entsprechend von den Finanzdienstleistern in ihre Werbung eingebaut. Denn schließlich hat die Branche einiges zu bieten. Neben Fonds, Optionen und Zertifikaten spielen heute insbesondere die Exchange Traded Commodities (ETCs) eine bedeutende Rolle. Mit ihnen können sich Anleger direkt im Rohstoffsektor engagieren. Steigt der Rohstoffpreis, klettert auch der Börsenkurs des ETC – und umgekehrt. Zumindest teilweise sind die Papiere physisch unterlegt, d.h., der Emittent hat den Basiswert eingelagert.
Geringe Einschüsse
Eine immer wichtigere Rolle spielen aber auch Terminkontrakte, also Kauf und Verkauf von Waren mit Liefertermin z.B. erst in einem Jahr. Allerdings sind gerade diese Geschäfte nicht ohne Brisanz. Wer mit einem steigenden Ölpreis rechnet, kann einen Terminkontrakt auf Öl erwerben. Dafür zahlt er jedoch nicht den vollen Preis des Kontrakts, sondern lediglich den sogenannten Einschuss, der oft nur bei 3% bis 8% des realen Wertes liegt. Steigt nun der Ölpreis tatsächlich stark an, trennt er sich von seinem Engagement und macht einen überproportionalen Gewinn. Fällt der Ölpreis jedoch, werden schnell Nachzahlungen erforderlich. Und diese können um ein Vielfaches höher sein als die bereits eingezahlte Anlagesumme, sodass derartige Engagements nur für sehr erfahrene Anleger infrage kommen.
Gesteigert wird diese Strategie durch die physische Abwicklung entsprechender Geschäfte, die besonders vermögenden Anlegern und Fonds vorbehalten ist. Hier werden Preisdifferenzen zwischen Kassa- und Terminmarkt direkt genutzt. Liegt der Preis z.B. von Rohöl an den Terminbörsen für die Lieferung in sechs Monaten deutlich über dem Preis, der aktuell bezahlt wird, verkauft der Anleger das Rohöl auf Termin und erwirbt gleichzeitig die physische Ware. Diese wird dann gelagert, z.B. auf einem angemieteten Öltanker, der irgendwo auf den Weltmeeren „geparkt“ ist. Nach sechs Monaten wird „Kasse gemacht“. Auf der Plus-Seite steht die Differenz zwischen den unterschiedlichen Handelspreisen, als Spesen sind die Lager- und Versicherungskosten sowie ggf. Finanzierungskosten abzurechnen.
Das Problem dieses blühenden Marktes: Weltweit wird ein Vielfaches an Rohstoffen umgesetzt als tatsächlich vorhanden ist. Lag das Volumen spekulativer Gelder in Warentermingeschäften vor zehn Jahren noch bei rund 5 Mrd. US-Dollar, so hat sich diese Summe nach Schätzungen der Commerzbank mittlerweile fast verhundertfacht. Allein im Ölsektor wird jeden Tag 12-mal so viel Öl gehandelt wie gefördert wird, jedes Barrel geförderten Öls wechselt auf dem Weg zum Endverbraucher mehr als 20-mal den Besitzer. Und damit sind die Probleme vorprogrammiert: Konnte man früher davon ausgehen, dass letztlich das Wechselspiel aus Angebot und Nachfrage der tatsächlich vorhandenen Ware ausschlaggebend für den Preis war, so sorgen jetzt die Spekulanten für die Preisbildung. Rechnen sie mit Steigerungen, klettern die Preise auch ohne realen Hintergrund. Haben sie sich indes gegen ein Produkt eingeschworen, fällt der Preis ins Bodenlose – selbst wenn eigentlich ein Anstieg gerechtfertigt wäre.
Bestes Beispiel ist der Kupfermarkt: Anfang 2003 lag der Tonnenpreis im Bereich von rund 1.700 US-Dollar. Dann lenkte der China-Boom die Aufmerksamkeit auf diesen wichtigen Rohstoff, man munkelt sogar, dass „interessierte Kreise“ die Statistik bewusst verfälschten: Es wurden große Mengen Kupfer in chinesischen Depots eingelagert – und tauchten prompt in der Importstatistik des Landes auf. Schon hatte man ein praktikables Werbeargument für eine Fortsetzung des Booms, auch wenn Experten immer wieder darauf verwiesen, dass China selbst Kupfererz fördert und die weltweite Produktion schneller steigt als die Nachfrage. Das Ergebnis der „Werbebemühungen“: Binnen drei Jahren verfünffachte sich der Preis beinahe. Doch dann platzte die Blase und der Kupferpreis brach auf 3.000 US-Dollar ein. Seit Anfang 2009 ist erneut eine gegenläufige Entwicklung zu beobachten, wobei wiederum China als Hauptargument für den aktuellen Boom genannt wird.
Dies zeigt jedoch: Der Rohstoffmarkt ist absolut unberechenbar geworden, wobei der private Anleger stets am Ende einer langen Informationskette steht. Zwar kann es durchaus sinnvoll sein, im Interesse einer breiten Diversifizierung auch das eine oder andere Rohstoffprodukt in die Anlagepalette aufzunehmen. Dabei ist jedoch eine sehr selektive Vorgehensweise erforderlich, d.h., man sollte sich auch mit dem Rohstoff befassen, in den man investieren will.
Gold für jedermann
Noch vergleichsweise überschaubar sind Investments in Gold, wobei neben physischen Anlagen etwa in Goldbarren insbesondere ETCs und Goldzertifikate eine Rolle spielen sollten. Das Problem dabei: Der Goldpreis ist in den vergangenen acht Jahren so massiv gestiegen, dass er sich deutlich vom marktgerechten Preis aus Angebot und Nachfrage abgehoben hat. Rückschläge sind besonders dann zu erwarten, wenn sich die Haushaltslage in Europa stabilisiert. Im Falle eines starken Inflationsanstiegs kann Gold jedoch durchaus eine interessante Diversifizierungsmöglichkeit bieten. Vergleichbares gilt für Silber, dessen Preis weniger stark gestiegen ist als der Goldpreis. Wesentlich spekulativer sind Platin und vor allem Palladium, genügen hier doch schon unbedeutende Meldungen, um den Preis in die eine oder andere Richtung springen zu lassen.
Eigene Benzinkosten stabilisieren
Auch der Rohölmarkt unterliegt deutlichen Preisschwankungen, wobei sich das BP- Unglück bisher noch nicht im Barrelpreis niedergeschlagen hat. Hier sind Engagements insbesondere unter dem Gesichtspunkt überlegenswert, dass steigende Öl- und Benzinpreise durch den Kauf sich entsprechend positiv entwickelnder Papiere ausgeglichen werden. Allerdings sollte sich das Engagement in eher engen Grenzen halten.
Generell Vorsicht ist bei landwirtschaftlichen Produkten wie Mais, Zucker, Kaffee oder Schlachtschweinen geboten. Zwar gibt es auch dafür eine Vielzahl passender Papiere, die Preistendenz kann man allerdings ohne Insiderwissen kaum zuverlässig prognostizieren. Zudem werden gerne von „interessierten Kreisen“ Gerüchte z.B. über Ernteausfälle gestreut. Gerade für Agrarprodukte bieten sich im Übrigen Fonds an, wobei man jedoch sehr genau auf die Zusammensetzung und den bisherigen Erfolg achten sollte.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(16):14-14