Frühwarnsignale für Apotheken

Drei Fragen an Prof. Dr. Burkhard Strobel


Claudia Mittmeyer

Prof. Dr. Burkhard Strobel lehrt an der Fachhochschule Worms Handelsmanagement und forscht speziell in den Bereichen Apothekenmanagement und Kooperationsmanagement.

? Das Bundesgesundheitsministerium hat die Überarbeitung der Apothekenbetriebsordnung auf das nächste Jahr verschoben. Kann die Apotheke abwarten, bis die Anforderungen konkret als Verordnung auf dem Tisch liegen?

Die Gefahr ist groß, dass dies passiert. Leider zeigt sich, dass Apotheken ihre Entscheidungen sehr kurzfristig an den aktuellen Umständen ausrichten. Dies hat man am EuGH-Urteil gesehen. Die spürbare Aufbruchstimmung zu einem stärkeren Engagement in Kooperationen in banger Erwartung eines Eintritts der Konzerne in die Apothekenlandschaft war sofort vorbei, als die für Apotheken sicher positive Entscheidung bekannt wurde. Kooperationen haben diesen Wandel leidvoll erfahren müssen, als die Mitgliederzahlen nicht mehr stiegen. Konsequenter wäre es gewesen, diese Gefahr als Frühwarnsignal zu sehen, um die strategische Ausrichtung der Apotheke zu überdenken, und die EuGH-Entscheidung als willkommenen Aufschub zu nehmen, der für die Realisierung dieser Strategie genutzt werden kann.

Ähnlich sieht es jetzt mit der Gesundheitsreform aus. Auch wenn insbesondere eine Neuordnung der Apothekenbetriebsordnung aufgeschoben wurde, so steht sie doch in kurzer Zeit an. Aufgabe der Apotheke ist es daher, die Informationen, die über solche Neuregelungen bekannt sind, für eigene Entscheidungen bereits jetzt zu nutzen, auch wenn nicht sicher ist, wie die neuen Regelungen konkret aussehen werden.

Immerhin steht fest, dass Eingriffe in Sortiment und Offizingestaltung vorgenommen werden, und darauf ist zu reagieren. Kann nicht heute schon die Beratungskompetenz durch Veränderungen in der Offizin deutlicher herausgestellt werden? Stecken in den gefährdeten Freiwahlsortimenten Ertragsbringer oder eher Verlust­bringer, sodass bereits jetzt Optimierung möglich ist? Die Änderung der Großhandelsvergütung wird ebenfalls neue Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit der Apotheke erfordern.

? Die ständigen Neuerun­gen der rechtlichen Rahmenbedingungen sind ja nur eine, wenn auch wichti­ge „Störgröße“ für die Apotheke. Welche Frühwarnsignale sind noch zu beachten?

Entscheidungen der Gesundheitspolitik werden natürlich besonders intensiv diskutiert. Globale Wirtschaftstrends, wie Konjunktur- oder Preisentwicklungen, haben demgegenüber weit weniger Einfluss auf Umsatz und Ertrag der Apotheken, als dies in anderen Branchen der Fall ist. Dennoch bestimmt die wirtschaftliche Situation insbesondere das Umsatzpotenzial im Bereich der Selbstmedikation und des Ergänzungssortiments.

Und schließlich sind natürlich besonders die Veränderungen am jeweiligen Standort zu beachten. Wenn sich Anzahl und Zusammensetzung der Verschreiber ändern, Wettbewerber hinzutreten oder schließen, Verkehrs- und Passantenströme umgelenkt werden oder neue Zentren entstehen, dann wirken solche Veränderungen unmittelbar auf die Apotheke ein und müssen rechtzeitig berücksichtigt werden.

? Wie kann eine Apotheke aber sicher sein, diese Veränderungen rechtzeitig zu bemerken und entsprechend zu reagieren?

Das Problem eines Frühwarnsystems für die Apotheke ist in der Regel nicht, die erforderlichen Informationen zu erhalten. Kaum eine andere Branche hat so viele Informationsquellen zur Verfügung. Gesamtwirtschaftliche und apothekenrelevante Veränderungen werden regelmäßig und mit großem Sachverstand in den Medien aufbereitet. Der AWA ist das naheliegende Beispiel.

Die Veränderung der Standortdaten kann jedoch nur vor Ort registriert werden. Hier machen die großen Filialisten vor, wie mit sogenannten Kontrollgängen (C-Gänge) systematisch anhand einer Checkliste der Wettbewerb und das Umfeld beobachtet werden. Solche regelmäßigen Standortanalysen wären auch für die Apotheke hilfreich.

Das konkrete Kundenver­halten kann schließlich nur in der Apotheke abgefragt werden. Warenwirtschaftssysteme, gleichgültig welcher Softwareanbieter, liefern kontinuierlich aktuelle Daten über die Entwicklung von Umsatz, Ertrag, Kundenzahlen und Kundenumsatz. Sie können ergänzt werden durch die Betriebsvergleiche (Benchmarks) der Steuerberatungsgesellschaf­ten, wissenschaftlicher Institute und sonstiger Datenanbieter. Informationen also gibt es genug, vielleicht zu viele, um den Überblick über die wirklich relevanten Entwicklungen zu behalten. Diese Informationen gilt es auf ihre Bedeutung hin zu überprüfen und die wichtigsten als Favoriten zu markieren.

Diese Daten müssen in die mittelfristige (Jahres-)Planung von Umsatz, Ertrag und Kosten, von Personalkapazität und Werbebudget, vor allem aber der finanziellen Mittel der Apotheke Eingang finden. Auf der Grundlage solcher Planungen können jetzt Entscheidungen in der Apotheke zumindest vorbereitet werden, sodass die zu erwartenden Änderungen die Apotheke nicht unvermittelt treffen und ihre Wirtschaftlichkeit und Liquidität gefährden

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(18):3-3