Dr. Bettina Mecking
Ein Apothekenleiter hat sich vor Gericht erfolglos gegen eine Ordnungsverfügung gewehrt, mit der ihm untersagt worden war, rund 150 als „apothekenpflichtig“ gekennzeichnete Arzneimittel in Selbstbedienungsschütten in seiner Apotheke anzubieten. Die Apothekenaufsicht hatte das Verbot auf § 17 Absatz 3 ApoBetrO und § 52 AMG gestützt.
In ihrem Urteil vom 19. August 2010 (Aktenzeichen 13 A 182/08) betonten die Richter des OVG Münster, dass es sich bei Arzneimitteln um Waren besonderer Art handele. Vorherrschend sei der Grundsatz der Arzneimittelsicherheit, die durch ein das gesamte Spektrum von der Herstellung bis zur Abgabe von Arzneimitteln erfassendes Normengefüge des Apotheken- und des Arzneimittelrechts gewährleistet werde.
Es unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn dem Apotheker eine bestimmte Abgabeform verpflichtend auferlegt werde. Denn bei Apotheken handele es sich nicht um gewerbliche, wirtschaftlich geprägte Betriebe im üblichen Sinne. Das Wesensmerkmal einer Apotheke sei die unmittelbare Beziehung zum Kunden, die sich in der individuellen Befassung mit dem Kundenwunsch unter Wahrung eines gegenseitigen Vertrauensverhältnisses widerspiegle. Angesichts des Leitbilds vom „Apotheker in seiner Apotheke“ solle der Kunde sicher sein, in Apotheken von pharmazeutischem Personal bedient und beraten zu werden. Diese gesundheitspolitischen Erwägungen reichten zur Rechtfertigung des Selbstbedienungsverbots aus.
Das Selbstbedienungsverbot gewährleiste, dass der Apotheker seinen Beratungspflichten zu einem Zeitpunkt nachkommen könne, in dem der Kunde das Arzneimittel noch nicht endgültig in Besitz genommen habe und deshalb eine Beratung durch den Apotheker noch die ihr zugedachte Funktion einer umfassenden Information erfüllen könne. Eine mögliche Beratung erst am Ende des Erwerbsvorgangs eines Arzneimittels, die sich bei dessen Angebot zur Selbstbedienung ergeben würde, könne diese Funktion nicht mit der gleichen notwendigen Sicherheit erfüllen.
Zwar liege es in der freien Entscheidung des Patienten, ob er das Beratungsangebot des Apothekers in Anspruch nehme. Das Gericht geht jedoch davon aus, der Erwerb eines Arzneimittels vor Ort in einer Apotheke deute regelmäßig darauf hin, dass das Medikament kurzfristig zum Einsatz kommen solle. Umso wichtiger sei es, dass der Apotheker oder das pharmazeutische Personal die Wirkungsweise des Mittels erkläre und eine fehlerhafte oder schädliche Anwendung desselben verhindere.
Ein Angebot apothekenpflichtiger Arzneimittel als Selbstbedienungsware, das einen schnellen, uneingeschränkten Zugriff auf die Ware ermögliche, suggeriere dem Kunden, dass es sich wie bei anderen in der Selbstbedienung angebotenen Waren, z.B. Lebensmitteln, um „ungefährliche“ Waren handele. Dies begründe die Gefahr eines unkritischen und gefährlichen Arzneimittelkonsums.
Das Selbstbedienungsverbot begegne auch keinen europarechtlichen Bedenken. Es sei Sache der Mitgliedstaaten, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollten und wie dieses Niveau erreicht wer-den solle.
Dr. Bettina Mecking,
Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein,
Fachanwältin für Medizinrecht,
40213 Düsseldorf,
E-Mail: b.mecking@aknr.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(18):11-11