Prof. Dr. Reinhard Herzog
Das Telefon klingelt: „Maier von der XYZ. Sie haben sich doch bestimmt auch schon darüber geärgert, dass Ihre Bank nur unrentable Produkte anbietet? Heute habe ich etwas ganz besonderes für Sie!“ So oder ähnlich beginnen die meisten Telefonate, mit denen clevere Telefonverkäufer arglose Kunden ködern – übrigens entgegen den gesetzlichen Bestimmungen, die derartige Anrufe ohne Einwilligung verbieten. Versprochen werden enorme Renditen bei geringem Risiko, die Erträge seien selbstverständlich steuerfrei und die Anlage grundsolide. Einziges Problem: Das Geschäft müsse sofort abgeschlossen werden.
In der Tat verdienen viele derart angelockte Kunden zunächst gutes Geld: Aus probeweise eingesetzten 10.000 € werden in wenigen Wochen 15.000 € – doch dann beginnt das „Abzocken“. Dem Kunden wird eine neue, „noch wesentlich attraktivere Anlage“ offeriert. Wenn er hier schnell 50.000 € einsetze, könne er sich vom Gewinn bald ein Eigenheim leisten. Unterstützt werden die Bemühungen meist durch farbenfrohe Prospekte: Seitenweise wird in bunten Bildern das Börsengeschehen in den USA gezeigt, tolle Fotos von endlosen Weizenfeldern suggerieren Wohlstand – und sichere Gewinne. Das Ergebnis: Viele Kunden sagen zu, manche werben sogar bei Familienangehörigen und Freunden für die „Anlage mit Spitzenrendite“, andere nehmen eigens ein Darlehen auf. Nun schnappt die Falle zu: „Kein Anschluss unter dieser Nummer“ tönt es plötzlich aus dem Telefon, wenn die Rufnummer des „doch so seriösen Vermittlers“ gewählt wird. Das Geld ist meist verloren.
„Halber“ und „ganzer Betrug“
Den meisten Telefonverkäufern geht es letztlich nur um ihre eigenen Profite. Zu unterscheiden ist hier zwischen „halbem Betrug“ und „ganzem Betrug“. Im ersten Fall werden die berechneten Gebühren so hoch angesetzt, dass der Kunde gar keine Chance auf Gewinn hat. 35% Einstiegsprovision, 200 € Grundgebühr pro Geschäftsabschluss, 20% Verkaufsgebühr und eine Erfolgsbeteiligung von weiteren 20% des Bruttogewinns lassen kaum noch Spielraum für echte Renditen. Legal ist dies meist, da die Gebühren offen genannt werden. Doch auch beim „ganzen Betrug“ haben Anleger selten Chancen, ihr eingesetztes Geld mit Hilfe des Staatsanwalts wiederzusehen: Hier sind die Ansprechpartner zunächst nicht mehr erreichbar, dann verschwinden die Vermittlerfirmen von der Bildfläche und der Hauptsitz des Anbieters liegt weitab in der Karibik oder im „rechtlosen“ Panama.
Die Palette der offerierten Produkte ist breit gefächert: Besonders beliebt sind die auch per E-Mail oder Fax angebotenen „Penny Stocks“, also amerikanische oder kanadische Aktien im Wert von wenigen Pennys, die an kleineren Börsen oder im amerikanischen Freiverkehr, dem OTC-Markt, gehandelt werden. Hier bereitet der unseriöse Anbieter seinen Coup vor, indem er den Kurs durch eigene Aufträge von beispielsweise 0,05 auf 0,30 US-Dollar anziehen lässt. Dann ruft er potenzielle Kunden an, berichtet – oft mit durchaus plausiblen Argumenten (z.B. Entdeckung neuer Rohstoffe, Erteilung interessanter Patente) – über die phantastischen Zukunftsaussichten des Unternehmens und prognostizierte Kurse von 2 bis 3 US-Dollar. Oft geht das Geschäft sogar kurzzeitig auf und die Kurse steigen. Doch dann verkauft die Vermittlungsfirma ihre eigenen Bestände zu Spitzenkursen an die letzten Investoren, die noch gewonnen werden konnten. Nun fällt die Notierung aufgrund erster Verkaufsversuche der Anleger, denn die Nachfrage ist gleich null. Nur allzu schnell ist der Kurs wieder auf 0,05 US-Dollar eingebrochen.
Noch verlockender sind Engagements an ausländischen Warenterminbörsen. Schon wenige tausend US-Dollar Anzahlung genügen, um hier Millionenbeträge zu bewegen, sodass die von den Vermittlern versprochenen Tagesgewinne von über 20% in der Tat keine Seltenheit sind. Verschwiegen wird jedoch das nicht minder große Verlustrisiko, denn ebenso wie die Preise steigen, können sie auch wieder fallen. Im Falle des „halben Betrugs“ begnügen sich die Vermittler mit der Berechnung extrem hoher Kosten, beim „ganzen Betrug“ gelangt das Geld der Anleger gar nicht erst an die Börse.
Risiken für Hausbesitzer
Auch Hausbesitzer stehen oftmals im Visier der Anlagebetrüger: Ihnen werden zinsgünstige Darlehen versprochen, die über eine freie Grundschuld auf die Immobilie abgesichert werden. Das Geld soll dann beispielswei‑ se in hochverzinste Papiere ausländischer Staaten (z.B. Südafrika), in Fonds oder Aktien investiert werden. Während eine solche Konstruktion – seriös aufgemacht – in der Tat Gewinne bringen kann, profitieren die „schwarzen Schafe“ der Branche entweder von immens hohen Vermittlungsgebühren oder sie verschwinden mit dem erhaltenen Geld unerkannt ins Ausland.
Hohe Provisionen werden Anlegern auch von der „Nigeria-Connection“ prognostiziert: Per E-Mail werden vorzugsweise Inhaber kleinerer oder mittelständischer Unternehmen von – angeblichen – Mitgliedern der nigerianischen Regierung oder von dortigen Banken angesprochen. Man verfüge – so wird suggeriert – über eine größere Summe von meist mehreren Millionen, die vor einem korrupten Regime in Sicherheit gebracht werden soll. Das Geld stamme aus Subventionen, aus Bestechungen oder aber aus Aufträgen an deutsche Unternehmen, sei aber „schwarz“ geflossen. Wenn der Anleger sich bereit erkläre, sein Girokonto als kurzzeitigen „Parkplatz“ zur Verfügung zu stellen, erhalte er einen Teil der Gesamtsumme, meist zwischen 1 Mio. € und 10 Mio. €. Im zweiten Schritt wird dann jedoch eine hohe „Sicherheitsleistung“ verlangt, die manchmal auch als „erforderliches Bestechungsgeld für den zuständigen Beamten“ getarnt wird. Ist die Zahlung geflossen, verschwindet der Anbieter auf Nimmerwiedersehen.
Die Letzten beißen die Hunde
Eine weitere gefährliche Masche sind kettenbriefartig aufgebaute Anlagekonzepte. Der Anleger beteiligt sich beispielsweise mit 1.000 € an einem Anlage-Pool, wirbt dann zwei neue Investoren an und erreicht so die nächste Stufe der Hierarchie. Nach einiger Zeit steht er in der Pyramide ganz oben und bekommt z.B. 100.000 € ausgezahlt. Das Spielchen funktioniert so lange, wie sich neue Anleger finden lassen – und damit ist es meist schnell vorbei. Die in der Liste oben stehenden Initiatoren haben ihre „Schäfchen dann längst im Trockenen“.
Schließlich ist noch eine Methode zu nennen, die gerade rund um Feiertage (Valentinstag, Ostern, Weihnachten) besonders häufig anzutreffen ist: Anlegern werden Diamanten als Geldanlage offeriert, eingeschweißt in feste Boxen, mit Zertifikat und Rückkaufgarantie. Damit solle der Anleger – so wird suggeriert – von den angeblich hohen Wertsteigerungen am Diamantenmarkt profitieren können. Tatsächlich erhält der unbedarfte Anleger jedoch meist minderwertige Ware, der versprochene Rückkauf scheitert entweder an einer angeblichen Manipulation an der Boxenverpackung oder schlicht an der Insolvenz des Verkäufers – der längst unter anderem Namen dieselben Geschäfte anbietet.
Doch nicht alles, was via Telefon offeriert wird, ist unseriös: Zahlreiche renommierte amerikanische Brokerhäuser, aber auch deutsche Anlageberater unterbreiten telefonische Angebote. Der wichtigste Unterschied jedoch: Hier besteht bereits eine solide, gefestigte Geschäftsbeziehung, zudem sind die Angebote transparent und kontrollierbar.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(20):15-15