Ursula Hasan-Boehme
Ende Oktober 2010 hat das Bundesministerium der Finanzen die „Richtsatzsammlung für das Kalenderjahr 2009“ veröffentlicht. Grundlage für diese sogenannten amtlichen Gewinnrichtsätze sind die Ergebnisse von Betriebsprüfungen in den jeweiligen Branchen. Sie dienen den Veranlagungsstellen der Finanzämter und den Betriebsprüfern als Orientierung zur Höhe von Rohgewinnen und Gewinnen der einzelnen Branchen, auch der Apotheken. Die Richtsätze werden in Prozenten vom Nettoumsatz ausgewiesen. Dabei soll der Mittelsatz die Ergebnisse von Normalbetrieben wiedergeben, die Rahmensätze sollen den unterschiedlichen Verhältnissen der Einzelbetriebe Rechnung tragen.
Vergleich zu Vorjahren
Für Apotheken sind die Richtsätze 2009 der unten stehenden Tabelle zu entnehmen. Der Mittelsatz für den Rohgewinn beträgt 28% und für den Reingewinn 9% vom Nettoumsatz. Der Blick zurück zeigt, dass die Richtsätze seit 2006 unverändert sind, da sie nur alle drei bis vier Jahre neu ermittelt werden. Dies führt dazu, dass sich die Richtsätze immer mehr von der realen Marktentwicklung entfernen.
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Vergleich mit externem Betriebsvergleich
Die allgemeine Marktentwicklung der Apotheken lässt sich dem externen Betriebsvergleich 2009 der TREUHAND HANNOVER GmbH, Steuerberatungsgesellschaft, entnehmen (vgl. hierzu AWA -Ausgaben Nr. 14 und Nr. 15 vom 15. Juli und vom 1. August 2010). Danach betrug der durchschnittliche Rohgewinn (ohne nachträgliche, noch strittige Abschlagssenkung) im Jahr 2009 im Westen 26,4% vom Nettoumsatz und lag damit um 1,6%-Punkte unterhalb des Mittelsatzes. Für die neuen Bundesländer lag der durchschnittliche Rohgewinnsatz mit 24,2% sehr deutlich unter dem Mittelsatz und bereits unter dem unteren Rahmensatz. Der obere Rahmensatz von 31% wird heute nur noch sehr selten erreicht.
Noch größer sind die Abstände bei den Gewinnen. Das durchschnittliche steuerliche Betriebsergebnis in den alten Bundesländern von 6,2% für 2009 liegt deutlich unterhalb des Mittelsatzes der Richtsätze mit 9%. Auch in den neuen Bundesländern, in denen aufgrund der günstigeren Kostenstruktur die Betriebsergebnisse höher sind, liegt der Durchschnitt 2009 mit 7,1% erheblich unter dem Mittelsatz. Die Rahmensätze spiegeln die aktuelle Situation ebenfalls kaum noch wider. Den unteren Rahmen von 5% erreichen im Westen fast 40%, im Osten gut 30% der Apotheken nicht. Demgegenüber sind Gewinne von 13% nur noch sehr selten.
Die Abweichungen erklären sich nicht nur aus der Zeitdifferenz, sondern auch aus besonderen Begriffsdefinitionen der Finanzverwaltung. Der Reingewinn der Richtsätze fällt zwangsläufig höher aus, weil bei seiner Ermittlung die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes nicht vollumfänglich angewandt, sondern einige Kostenpositionen nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden:
- Dazu gehören Sonderabschreibungen (außer der Sofortabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter).
- Zinsaufwendungen für langfristige Verbindlichkeiten werden nur insoweit abgezogen, als sie die Apotheken in eigenen Räumen betreffen. Bei den meisten Apotheken sind daher die langfristigen Zinskosten gar nicht oder nur teilweise als Betriebsausgabe berücksichtigt.
Gewinnerhöhend enthalten die Richtsätze auch außerordentliche Erträge, z.B. Gewinne aus dem Verkauf eines Betriebs-Pkws oder anderer Gegenstände des Anlagevermögens.
Anwendung der Richtsätze
Die Betriebsprüfer können und sollen die Richtsätze zur Orientierung in Betriebsprüfungen nutzen. Vorteilhaft ist es für den Steuerpflichtigen daher, wenn sich die eigenen Daten innerhalb der Rahmensätze befinden oder gar dem Mittelsatz entsprechen. Dies ist heute kaum noch möglich. Was darf der Betriebsprüfer bei Abweichungen tun?
Bei Abweichungen der erklärten Gewinne oder Umsätze in Steuererklärungen und Jahresabschlüssen der Einzelbetriebe von den Richtsätzen dürfen diese Differenzen nach ständiger Rechtsprechung nicht allein für Gewinn- oder Umsatzschätzungen bzw. Hinzuschätzungen herangezogen werden, wenn die Buchführungsergebnisse formell ordnungsgemäß ermittelt wurden. Jedoch muss davon ausgegangen werden, dass der Betriebsprüfer in solchen Fällen seine Ermittlungen zu den Abweichungen intensiviert. Insbesondere durch die digitale Überprüfung der Warenwirtschaft können Prüfungen viel tiefer gehen. Die Apotheker sind daher gut beraten, Umstände darlegen zu können, die die Abweichungen erklären.
Abweichungen zeitnah klären
Wichtig ist es, sich möglichst zeitnah um die Aufklärung von Abweichungen zu bemühen, solange die Sachverhalte noch frisch im Gedächtnis sind. Die Erklärungen sollten verfügbar sein, wenn eine Betriebsprüfung ansteht. Doch auch unabhängig davon sollte der Unternehmer im eigenen Interesse den Abweichungen nachspüren, insbesondere, wenn die Ergebnisse nicht nur von den Richtsätzen, sondern vor allem von der allgemeinen Marktlage nach unten abweichen.
Unterschiede bei Kostenpositionen sind meist vergleichsweise einfach und plausibel zu begründen. Entscheidend für Gewinnabweichungen sind Wareneinsätze bzw. Rohgewinne. Schwierigkeiten bereitet, dass gerade bei Rohgewinnabweichungen vielfältige Ursachen infrage kommen, z.B. die absolute Umsatzhöhe, ein hoher Anteil GKV-Umsatz, ein hohes Preisniveau der verschreibungspflichtigen Arz-neimittel und die effektiven Einkaufskonditionen.
Zwar sind die Einkaufsvorteile in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, aber sie haben nach wie vor einen wichtigen Einfluss auf den zu erreichenden Rohgewinn. Die Einkaufsvorteile hängen ihrerseits von vielen Faktoren ab, z.B. der Umsatzstruktur oder der Verteilung auf Großhandel und Direktbezug. Durch die anstehende Änderung der Großhandelsvergütung muss mit Rückgängen der Funktionsrabatte an die Apotheken gerechnet werden.
Durch eine professionelle Rohgewinnanalyse und eine Rabattüberprüfung, wie sie z.B. die TREUHAND HANNOVER anbietet, lassen sich im Hinblick auf spätere Betriebsprüfungen Abweichungen aufklären und – was noch wichtiger ist – ggf. Ertragsreserven aufspüren. Für das unternehmerische Handeln der Apothekeninhaber sind aktuelle Benchmarks nötig. Diese können externe Betriebsvergleiche liefern, wenn sie sehr differenziert sind, sodass auch die Besonderheiten des eigenen Betriebs widergespiegelt werden.
Dipl.-Volkswirtin Ursula
Hasan-Boehme, Steuerberate-
rin, TREUHAND HANNOVER
GmbH, Steuerberatungs-
gesellschaft, 30519 Hannover,
E-Mail: ursula.hasan-boehme@treuhand-hannover.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(22):8-8