Prof. Dr. Reinhard Herzog
Überraschend ist das „Durchreichen“ des Abschlags nicht. Dies war angesichts der Ertragslage des Großhandels allgemein erwartet worden. Mit etwa 8.500 € ist jede Apotheke statistisch beim Sonderabschlag dabei, einschließlich des ebenfalls betroffenen Direktgeschäfts. Der Großhandelsanteil macht rund 6.500 € bis 7.000 € aus.
Ein allzu forsches „Durchreichen“ eins zu eins könnte indes rasch den Gesetzgeber und womöglich sogar das Kartellamt auf den Plan rufen – Szenarien, bei denen die Apotheke aber nicht wirklich gewinnen kann. Da sie am Ende der „Nahrungskette“ steht, schlagen alle Veränderungen bei den Vorstufen letzten Endes auf irgendeine Weise wieder auf sie zurück.
Dabei ist die Lage klar: Der Sonderabschlag ist primär an den Großhandel adressiert. Eine Weitergabe ist also keineswegs zwingend, anders als 2012: Dann werden die nominalen Rx-Rabatte bei rund 3,0% vom Apothekeneinkaufspreis gekappt – für jeden. Das bedeutet: Auch wenn jetzt die Rasenmäher laufen, um den Sonderabschlag einzutreiben – mit einem gewissen Einkaufsvolumen im Rücken und cleverem Verhandeln sind Sie der Stein auf der Wiese, der den Mäher stoppt. Die andere Seite ist natürlich, dass der Kollege um die Ecke möglicherweise mehr zu schlucken hat; der Großhandel wird auf einen dreistelligen Millionenbetrag an Rohertrag nicht verzichten können und wollen.
Konditionsgespräche vorbereiten
Wenn sich dieser Tage Ihr Außendienstler ankündigt, um Ihnen die unausweichlichen Kürzungen zu überbringen, sollten Sie vorbereitet sein. Dazu ist es unerlässlich, die Umsatzstruktur zu kennen, insbesondere den in diesem Fall betroffenen Rx-Anteil. Der erste Schritt ist also, Ihr Rx-Einkaufsvolumen der EDV zu entnehmen und den Großhandelsanteil herauszurechnen.
An dieser Stelle sei noch einmal erwähnt, dass sich der 0,85%ige Abschlag auf den Netto-Herstellerpreis (ApU) bezieht. Auf der Ebene des Apothekeneinkaufspreises – mit rund 6% Großhandelsspanne dazwischen – sind das „nur“ noch 0,80%. Diese 0,80% auf Ihren Rx-Großhandelsbezug markieren die absolute Belastungsobergrenze, damit wäre der Abschlag komplett weitergegeben. Das gilt es abzumildern.
Nun wird oft nicht einfach der Rx-Rabatt um 0,80%-Punkte reduziert. Es wird ein Gesamtpaket geschnürt und an etlichen Stellschrauben gedreht. Dies müssen Sie erkennen (unsere Checkliste zum Download fasst die wesentlichen Punkte bei den Einkaufskonditionen zusammen). Denn unterm Strich muss das Gesamtpaket stimmen. Im Grunde gibt es zwei Lösungen.
- Variante 1: Ihre bisherigen Konditionen stimmen, auch und gerade im Non-Rx-Bereich. Somit wäre es am klügsten, die Einkaufsbedingungen im Ganzen so zu lassen, wie sie sind, und sich nur speziell über die RxKonditionen zu unterhalten. Die Formel der Kürzung lautet dann: 0,80%-Punkte minus x, mit Sonderregeln für die hochpreisigen Produkte (siehe unten). Die Variable x markiert Ihr Verhandlungsgeschick. Wer ein Staffelmodell hat (= nach Umsatz gestaffelte Rabattstufen), muss schauen, dass die Staffelgrenzen nicht verändert werden oder künftig gar ein Abschlag auf bisher gar nicht rabattierte Sortimente erhoben wird. Hier hilft nur eines: Sie müssen Ihre Bezugsbedingungen verstehen und wissen, welche Umsätze in welcher Höhe betroffen sind.
- Variante 2: Man schnürt das ganze Paket auf. Damit stehen Sie vor der Notwendigkeit, eine Komplettbewertung all Ihrer Rabatte und Vorteile vorzunehmen, mehrere Großhändler zu Neuverhandlungen einzuladen und ggf. eine völlig neue Entscheidung zu treffen. Das ist nur empfehlenswert, wenn Ihre bisherigen Konditionen nicht gestimmt haben oder Unregelmäßigkeiten aufgetreten sind. Denn um Tabula rasa zu machen, ist der jetzige Zeitpunkt nicht gerade ideal.
Sinnvoller ist in heutiger Lage somit die Variante 1. Das Aufschnüren des Gesamtpakets kommt noch früh genug. Mit der Neuordnung der Großhandelsvergütung ab 2012 werden die Karten komplett neu gemischt. Der Großhandel wird allerdings möglicherweise versuchen, diesen Übergang zu glätten und die Konditionen bereits heute vorsichtig auf 2012 hin auszurichten. Deshalb ist es günstiger, 2011 übersichtlich zu halten und sich gegen Jahresende auf eine komplett neue Verhandlungsrunde einzustellen. Inwieweit dies gelingt, werden die nächsten Wochen zeigen. Der Plan B lautet deshalb, etwaige „Kompensationen“ und „Friedensangebote“ außerhalb des Rx-Segments auf ihre Werthaltigkeit hin abzuklopfen (siehe weiter unten).
Sonderfall Hochpreiser
Bei den Hochpreisern (ab 1.272 € AEK) kann die kuriose Situation auftreten, dass der Sonderabschlag die fixe Großhandelsvergütung von 72 € überschreitet (ab Herstellerpreisen von rund 8.470 €). Indes lassen sich diese extrem teuren Packungen an einer Hand abzählen, das meiste spielt sich unter 2.000 € zum Fabrikabgabepreis (ApU netto) ab. Der Sonderabschlag bleibt somit zumeist unter 20 € je Packung, und das bei 72 € Großhandelshonorar. Dennoch wird dieses Thema auf die Agenda des Konditionsgesprächs kommen. Dabei gilt es, kühl zu kalkulieren: Wer nur 40 „Hochpreiser“ im Jahr absetzt, kann mit beispielsweise 10 € oder 15 € Kürzung je Packung recht leicht leben (sprich: an dieser Stelle zustimmen und lieber an anderer Stelle hartnäckig bleiben). Apotheken z.B. im Fachärztezentrum müssen hier aber genauer hinschauen.
Kompensationen: Nicht blenden lassen
Führt an einem herben Rx- Rabattschnitt kein Weg vor-bei, stellt sich die Frage nach Kompensationsmöglichkeiten. Es bieten sich dabei an:
- erhöhte Non-Rx-Rabatte und Vorteilspakete,
- Skonto, sowohl die absolute Höhe als auch die Bedingungen (umfasste Umsätze, Zahlungsziele),
- verstärkte Nutzung von Sonderaktionen mit attraktiveren Bedingungen,
- insbesondere bei Genossenschaften die Zeichnung von zusätzlichen Anteilen an der Gesellschaft mit einer über dem allgemeinen Zinsniveau liegenden Rendite,
- Anpassung von Gebühren und Kooperationsbeiträgen.
Faktisch ist jedoch bei der Überzahl der Apotheken der Rx-Einkauf mit 75% bis teilweise über 85% nach Wert so dominant, dass es sehr schwer – in der Regel unmöglich – ist, spürbare Kürzungen an dieser Stelle andernorts zu kompensieren. Bei einer typischen Apotheke benötigen Sie nämlich zum Ausgleich von 0,5%-Punkten Rabattverlust im Rx-Bereich rund 2% bessere Konditionen im Non-Rx-Segment durchgängig über alle Artikel hinweg (bei einem Verhältnis Rx zu Non-Rx von 80% zu 20%). Das mag für einige Artikelgruppen gelingen, aber eben nur sehr schwer für das gesamte unübersichtliche Non-Rx-Segment mit zwangsläufig vielen Direkteinkäufen, dem Hilfsmittelbereich etc.
Sonderaktionen („Angebotsdisketten“) sind schön und gut – aber selbst 35% Nachlass verblassen, wenn das ein Einkaufsvolumen von 5.000 € im Jahr ausmacht. Zudem ist wieder eine Differenzrechnung aufzumachen: Viele dieser „Wald- und Wiesen-Artikel“ vom Läusekamm bis zur Zahnbürste waren schon immer hoch rabattiert... Also: nicht Sand in die Augen streuen lassen, sondern genau hinschauen! Über welche Umsätze reden wir? Was hat es bereits bisher darauf gegeben?
Um dagegen „nur“ 5.000 € Rabattkürzung über Ausschüttungen auf Anteile abzufangen, muss erst einmal viel Kapital investiert werden. Nehmen wir eine um stolze 8%-Punkte über dem aktuellen Zinsniveau liegende Rendite an, so müssen Sie 62.500 € investieren, die Ihnen die entgangenen 5.000 € in Form einer höheren Rendite (eben die 8%-Punkte über Marktzins) zurückbringen. Zudem räumen nur entsprechend gesellschaftsrechtlich aufgestellte Großhändler solche Möglichkeiten ein – allerdings in der Höhe begrenzt.
Bleibt – neben den Gebühren und Beiträgen – die Stellschraube Skonto. Gerne wird heute über die 0,5% oder 0,6%, die es im aktuellen Niedrigzinsumfeld vielfach nur noch gibt, milde lächelnd hinweggesehen (nebenbei: nicht selten ist dieses Skonto bereits in die Rabatte eingerechnet...). Doch ist dies ein wirksamer Hebel, gemäß dem Motto: Die Masse macht es! Nur 0,1% auf eine Million Einkaufsbetrag sind eben 1.000 €. Deshalb ist das die interessanteste Option zur Abfederung der Verluste, zumal das Ganze offiziell nicht „Rabatt“ heißt. Wichtig ist aber, Skonto-Ausschlüsse konsequent zu vermeiden. Dieser Nachlass wird sachlogisch für die kurzfristige Bezahlung eingeräumt, und da der gesamte Rechnungsbetrag abgebucht wird, ist es nur folgerichtig, auch Skonto auf den Gesamtbetrag einzuräumen.
Unter dem Strich gilt: Die Mischung entscheidet! Und zu guter Letzt: Versuchen Sie immer, eine verbindliche, schriftliche und unterschriebene Vereinbarung zu erzielen!
Die „Null-Rabatt- Apotheke“ – geht das?
Die Rabatte der Apotheken stehen unter Beschuss. Dieser dürfte anhalten, solange noch Rabatte gegeben werden. Weitere Abschöpfungsaktionen sind somit denkbar. Daher soll die provokante Frage erörtert werden, ob eine politisch korrekte „Null-Rabatt-Apotheke“ wirtschaftlich überhaupt funktionieren kann. Modellrechnungen, basierend auf Realdaten bestehender Apotheken, beantworten dies.
Heute erzielt eine Durchschnittsapotheke mit etwa 1,75 Mio. € Umsatz bei marktüblichen Rabatten Gesamtvorteile in Höhe von gut 100.000 € im Jahr (bei cleverem Einkauf auch etwas mehr, davon beim momentanen Niedrigzinsniveau etwa 8.000 € bis 10.000 € Skonti). Das sind in der Regel mehr als 70% des Cashflows. Die Apotheke lebt faktisch von den Nachlässen!
Je nach Verhandlungsgeschick etwa 40.000 € bis 50.000 € davon sind Rabatte – ohne Skonti – auf Rx-Arzneimittel. Der GKV zuzuordnen (Marktanteil 85%) sind rund 34.000 € bis 42.500 €. Um netto 47.400 € wird diese Durchschnittsapotheke 2011 durch den Kassenrabatt auf Rx-Arzneimittel „erleichtert“, auf der Basis von 27.500 Packungen sowie 2,05 € Bruttorabatt. Selbst Top-Apotheken mit Spitzenrabatten schöpft der Kassenabschlag die Einkaufsrabatte schon heute größtenteils ab, übertrifft sie oft sogar hier.
Gut die Hälfte zum „Rabattkuchen“ tragen alle Non-Rx-Produkte bei, in barverkaufsstarken Lagen auch mehr. Diese Vorteile werden aber zunehmend gekappt, da die Hersteller die OTC-Konditionen zurückfahren, um Einbußen im Rx-Markt abzufedern.
Die Zahlen zeigen: Ohne Rabatte wären die meisten Apotheken nicht mehr zu führen! Nur die größten Betriebe könnten überleben, aber auch nur noch auf einer sehr schmalen Renditebasis. Eine „Null-Rabatt-Apotheke“ könnte also nur so funktionieren:
- Der Null-Rabatt-Ansatz gilt auch für die Krankenkassen, d.h., vollständige Abschaffung des Kassenabschlags.
- Bei Wegfall der Non-Rx-Rabatte werden die Preise hier um durchschnittlich 20% erhöht. Dies entspräche etwa den heutigen Einkaufsvorteilen.
Wäre das wirklich gewollt? Es wird höchste Zeit, dass in die Diskussion um die Rabatte mehr Ehrlichkeit einzieht ...
Dr. Reinhard Herzog,
Apotheker,
72076 Tübingen,
E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de
Checkliste
Eine Checkliste für die Einkaufskonditionen sowie Excel-Rechenblätter dazu finden Sie hier zum Download |
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(01):5-5