Prof. Dr. Reinhard Herzog
Während die Jubelmeldungen der deutschen Wirtschaft kein Ende zu nehmen scheinen, schaltet ausgerechnet die als krisenresistent geltende Apothekenbranche in den Rückwärtsgang – bzw. wird von außen politisch geschaltet. Dies illustriert wieder einmal den hohen Grad an Fremdbestimmung und die Abhängigkeit von politischem Wohlwollen.
Die Reaktionen darauf haben immer zwei Seiten: einerseits die erwünschte Innenwirkung bei Kosteneinsparungen oder Prozessveränderungen. Andererseits gibt es meist auch eine mehr oder minder starke Außenwirkung z.B. bei der Einschränkung von Leistungen, in Form von Preiserhöhungen oder bei Entlassungen. Eine negative Außenwirkung kann dabei unter dem Strich sogar mehr zerstören, als an anderer Stelle Kosten eingespart oder Mehreinnahmen generiert werden.
Prioritäten setzen
Aus diesen Gründen ist es wichtig, eine Priorisierung aller Maßnahmen vorzunehmen:
- Abstufung nach Potenzial konkret in absoluten Beträgen: etliche, bisweilen panische Reaktionen wirbeln viel Staub auf und bringen in summa fast nichts.
- Beachtung von Innen- und Außenwirkung: Während bei der Innenwirkung insbesondere auf die Motivation der Mitarbeiter und das Betriebsklima zu schauen ist, gebührt eine noch viel stärkere Aufmerksamkeit der Außenwirkung, vor allem auf Ihre Kunden! Sparen Sie zu sehr an den Kunden, kann der Schuss vollkommen „nach hinten losgehen“.
- „Schmerzhaftigkeit“ berücksichtigen: Es fällt sicher leichter, den Druck nach unten, d.h. an Lieferanten und Dienstleister, weiterzugeben, als an Mitarbeiter oder gar Kunden. Den Anbieter von Werbeflyern können Sie „schmerzfreier“ wechseln als lieb gewonnene Sonderleistungen an Ihre Angestellten streichen. Auf manch technische Spielerei ist leichter verzichtet, als einer Stammkundin ihre langjährig gewohnte Kundenzeitschrift vorzuenthalten...
- Reversibilität: Manches ist ohne Weiteres umkehrbar, anderes hingegen nicht. Sie können etwas abbestellen und ggf. später wieder neu einkaufen. Geht wichtiges Know-how von entlassenen Mitarbeitern verloren, wird es schon schwieriger. Ist gar Kundenvertrauen verspielt, kann es richtig ernst werden. Zumindest wird es sehr teuer, das Vertrauen „zurückzukaufen“.
Gehen Sie deshalb nach dem „Zwiebelschalen-Modell“ vor: Streifen Sie die hässlich und unnütz gewordenen äußeren Blätter zuerst ab. Dies sind Kosten an der Peripherie, die sich über die Jahre eingeschlichen haben, deren Nutzen aber fraglich ist. Neben bedeutenderen Posten wie Versicherungen oder diversen Beiträgen und Mitgliedschaften ohne klar ersichtliche Gegenleistung gehören auch Technik und EDV hierher. Gerade technische Unbedarftheit kostet auch heute noch sehr viel Geld, suchen Sie sich ggf. Personen Ihres Vertrauens, die Sie unterstützen.
Zu nennen ist zudem die Dauerbaustelle Marketing. Rücken Sie den Teil in den Fokus, der wenig zielgerichtet und ohne große Kundenwirkung gießkannenartig ausgeschüttet wird. Das sind vielfach reine Imagemaßnahmen mit hohen Streuverlusten und geringer Wahrnehmungsrate.
Energiekosten sind ebenfalls ein Thema, bei dem sich ohne nennenswerte Komforteinbußen heute noch manch Euro holen lässt – den Umwelteffekt gibt es obenauf.
Nicht zuletzt überraschen bisweilen immer noch die Ausgaben für allerlei Berater- und Agenturdienstleistungen. Auch hier gilt: Eigenes Wissen, Kreativität und Engagement können sehr viel Geld sparen. Manchmal findet sich das nötige Know-how bereits im engsten Freundes- und Mitarbeiterkreis, wenn man einmal etwas genauer hinschaut.
Je weiter Sie nach innen, ans „Eingemachte“ kommen, umso behutsamer sollten Sie vorgehen. Das sind die Themen Personal und – am wichtigsten – die Kundenpflege.
Einiges gleitet hingegen ins Skurrile ab:
- Manche Zettelwirtschaft ist peinlich (einseitig bedrucktes Papier wird in mühevoller Handarbeit klein geschnitten), vor allem, wenn solche Zettel Kunden mitgegeben werden. Bisweilen enthalten bedruckte Rückseiten interessante oder gar brisante Infos, was den Puzzletrieb des einen oder anderen Mitarbeiters oder Kunden beflügeln mag.
- Durchaus mit naturwissenschaftlicher Raffinesse gesegnet ist die Idee eines Kollegen, vordergründig leere Kugelschreiberminen in der Handzentrifuge zu neuem Leben zu erwecken. Allerdings nur, wenn sie auch richtig herum in die Zentrifugenhülse gesteckt werden...
- Lebensgefährliche Stürze, weil man das Licht der Kellertreppe sparen möchte, entspringen hingegen nicht der Fantasie von Comedy-Autoren, sondern sind gelebte Realität.
Nach diesem humoristischen Ausflug in die Welt des Kostensparens wenden wir uns aber wieder den ernsthaften Seiten zu.
Marketing auf den Prüfstand?
Bereits oben wurde angedeutet, dass insbesondere wenig zielgerichtete Ausgaben hinterfragt werden sollten:
- Was bringen regelmäßige, aber teure Zeitungsannoncen, Einkaufswagen-Werbung in Centern, „Instore-TV“ oder gar Radiospots wirklich?
- Ist die Zahl der verteilten Flyer dem tatsächlich interessanten Einzugsgebiet angemessen? Ist die Werbefrequenz vernünftig? Tut es auch ein anderes Format, eine etwas andere Druckqualität?
- Bewegen sich die Zugaben in dem Schema „viel und billig“ (und werden deshalb von den Kunden meist gar nicht mehr bewusst registriert, vielfach sogar weggeworfen), oder geht das auch anders? Die gleichen Überlegungen lassen sich für Prämiensysteme wie Taler etc. anstellen.
- Werden pauschale Rabatte (z.B. auf Kundenkarte) überhaupt wahrgenommen und geachtet?
Es gibt also sehr wohl Ansatzpunkte, Kosten zu sparen oder zumindest die vorhandenen Mittel effektiver einzusetzen. Ganz gefährlich ist es aber, von den Kunden lieb gewonnene und geschätzte Dinge einfach zu streichen, nach dem Motto: Das können (heißt meist aber: wollen) wir uns nicht mehr leisten. Der Kunde sieht das anders: Ich bin denen offenbar nicht einmal mehr eine Zeitschrift (eine Probe, ein paar Bonbons usw.) wert...
Sparen kann teuer werden
Wie schnell sich dies negativ auswirken kann, zeigt eine einfache Überschlagsrechnung: Der durchschnittliche Apothekenkunde bringt pro Besuch etwa 9,00 € Rohertrag in die Kasse. Weiterhin werden üblicherweise etwa 0,30 € bis 0,50 € Werbeaufwendungen je Bonkunde getätigt (sehr marketingaktive Betriebe gehen teilweise bis an die 1,00-€-Grenze heran). Wenn Sie jetzt Ihr Budget von z.B. 0,50 € je Kunde um 0,20 € auf 0,30 € reduzieren, dann hat das nur einen Einspareffekt, falls Ihnen nicht mehr als jeder 45. Kunde (9 € Bonertrag versus 0,20 € Ersparnis je Kunde) dadurch abspringt. Das kann aber schnell passieren, wenn Sie direkt am Kunden sparen und z.B. keine Zugaben mehr gewähren. Dies gilt in verschärfter Form in einem kompetitiven Umfeld mit etlichen Konkurrenten in Ihrem direkten Einzugsgebiet, die womöglich ihre Aktivitäten sogar noch steigern.
Erinnern Sie sich an das „Zwiebelschalen-Modell“: Streifen Sie Unwichtiges an der Peripherie ab, behalten Sie sich jedoch Ihren Markenkern und stärken ihn eher noch!
Ähnliches gilt für Serviceleistungen (wie Botendienste, Messungen für symbolische Beträge etc.), im Grunde oft ja versteckte Marketingaufwendungen. Es ist immer gefährlich, Menschen etwas wieder wegzunehmen, woran sie sich gewöhnt haben. Sicher kann man Leistungen behutsam zurückfahren, indem man sie z.B. nicht mehr so offensiv anbietet. Viel sparen lässt sich dabei aber nicht, wenn die Leistung letztlich doch noch, wenn auch etwas seltener, erbracht wird.
Personalkosten
Personalkosten rücken immer in den Fokus, weil sie mit rund 40% Anteil am Rohertrag in aller Regel den mit Abstand größten Kostenblock darstellen. Profis sind deshalb bestrebt, die festen Gehälter eher niedrig zu halten und erfolgsabhängig lieber höhere Prämien auszuschütten. Ganz besonders gilt dieser leistungsbezogene Ansatz für Filialbetriebe.
Ansonsten lässt sich vielfach durch intelligentes Umschichten wie etwa eine intensivere Verzahnung des Personaleinsatzes mit dem Bedarf (Stichwort Abgleich mit Kundenzahlen in den einzelnen Stunden) sowie durch organisatorische Maßnahmen (Optimierung des Warenflusses, Zusammenfassung der Warenlieferungen usw.) immer noch etwas verbessern. Gleichwohl hat sich hier in den letzten Jahren bereits einiges bewegt. Mit einfachen 08/15-Lösungen ist es zumindest in gut organisierten Betrieben nicht mehr getan. Das Rationalisierungspotenzial erschöpft sich zusehends. Als wirklicher „Quantensprung“ bleibt daher dann nur die Automatisierung der Warenbewirtschaftung mittels eines Kommissionierautomaten, eine Entscheidung, die überlegt sein will, jetzt aber sicher wieder verstärkt ins Blickfeld gerät.
Preispolitik
Inwieweit ein „Drehen“ an der Preisschraube überhaupt einen durchgreifenden Effekt hat, hängt maßgeblich vom Umsatzanteil der frei kalkulierbaren Segmente ab. Üblicherweise sind das nur etwa 15% bis 20%. Immerhin: Eine 1 %ige Preiserhöhung durchgängig über alle frei kalkulierbaren Artikel hinweg bringt der Durchschnittsapotheke etwa 2.000 € bis 3.000 € mehr Ertrag. Praktisch ist es jedoch eine Gratwanderung.
Den größten Erfolg verspricht in der momentanen Situation tatsächlich ein geringes, aber gleichmäßiges Anheben der Preise im niedrigen Prozentbereich, was zumeist je Packung nur wenige Cent bedeutet. Individuell müssen Sie jedoch darauf achten, dass wichtige Preisschwellen nicht in ungünstiger Weise überschritten werden – Preise wie 10,03 € sollten Sie vermeiden.
Sparen oder durchstarten?
Abgesehen von umfassenden und meist schmerzhaften Restrukturierungen erschöpft sich das Sparpotenzial doch recht schnell; intelligent angegangen, können die Folgen des AMNOG immerhin ohne größere innerbetriebliche Verwerfungen abgemildert werden. Dennoch stellt sich die Frage, ob nicht die „Vorwärtsverteidigung “ möglicherweise der ertragreichere Weg ist.
Ein zusätzlicher Umsatz von 100.000 € (= knapp 6% eines Durchschnittsumsatzes) bedeutet je nach Umsatzstruktur um die 25.000 € Zusatzertrag. 5% oder 6% zu gewinnen sollte doch möglich sein, oder? Es stellt sich also schlicht die Frage, ob es einfacher ist, Umsätze in die eigene Apotheke umzuverteilen, oder aber beständig den Rotstift anzusetzen und damit womöglich sogar an Konkurrenzfähigkeit einzubüßen – der Beginn einer Abwärtsspirale.
Welcher Weg der bessere ist, hängt aber ganz entscheidend von Ihrem Umfeld und der Konkurrenzlage ab. In einem harten Konkurrenzkampf kann jeder zusätzliche Prozentpunkt Marktanteil sehr – vielleicht unvernünftig – hohe Zusatzanstrengungen erfordern. In anderen Regionen gelingt dies hingegen auch heute noch, indem Sie, für den Kunden deutlich spürbar, einfach nur ein wenig besser als die Konkurrenz werden – und dafür nicht einmal das ganz große Geschütz auffahren müssen.
Dr. Reinhard Herzog,
Apotheker, 72076 Tübingen,
E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(03):5-5