Unternehmensführung

Bleiben Sie sich treu!


Ute Jürgens

Zu oft lässt man sich entgegen seinen Überzeugungen auf zu viele Zugeständnisse ein – bei Pharmavertretern, Kunden und Angestellten. Hinterher ist man unzufrieden, weil man unter­nehmensschädigend gearbeitet hat. Wie bleibt man positiv und fair für beide Seiten?

Selbst wenn es leicht fällt, einem anderen Menschen etwas abzuschlagen: Wird es zu hart und kompromisslos geäußert, ist das Gegenüber brüskiert und verliert seine gute Einstellung zu Ihnen. Der Schlüssel zu einer konstruktiven Ablehnung ist der Respekt. Man weist den anderen nicht aggressiv zurück, sondern bringt Achtung vor ihm und seinen Positionen zum Ausdruck. Das Nein resultiert aber auch aus dem Respekt, den man sich selbst und den eigenen Prioritäten entgegenbringt. Dieses Ja zu sich selbst entspricht einem wichtigen inneren Bedürfnis, einem zentralen Wert und dem als richtig empfundenen Stil, sein Unternehmen zu führen. Es steht also für unsere wahren Interessen, die als meist unausgesprochene Beweggründe hinter unseren Positionen stehen.

Wenn zum Beispiel die Approbierte morgens eine Stunde später kommen und dafür ihre Mittagspause kürzen möchte und das für Sie – mangels anderer Vertretungen – bedeutet, dass Sie selbst einspringen oder noch jemanden stundenweise einstellen müssen, widerspricht dies Ihren eigenen Bedürfnissen. Bis hierher bestehen zwei spontane und direkte Reaktionsmöglichkei­ten: das Ja zur Approbierten, was ein Nein zur eigenen Zeitplanung hieße, und umgekehrt. Beides ist in dem Moment, in dem Sie gefragt werden, zumindest unangenehm. Genauso ist es mit dem Kunden, der Samstagmittag Blutdrucktab­let­ten vorab ohne Rezept möch­te – auch hier ist man gefühlsmäßig hin- und hergerissen.

Der mentale Balkon

Jetzt bietet sich als Variation die Verhandlung mit sich selbst an. Der Autor William Ury, Mitentwickler des Harvard-Konzepts, nennt es „auf den menta­len Balkon gehen“. Hier muss man fähig sein, die normale Reaktion auszusetzen: Wir Menschen sind Reaktionsmaschinen, in Verhandlungssi­tuationen verfälschen Gefühle oft unsere Antwort. Wir haben Angst, Nein zu sagen, weil wir in gewisser Weise abhängig von unserem Verhandlungspartner sind oder weil wir uns vor seiner Reaktion fürchten. Oder wir reagieren mit Angriff und sagen ärgerlich und auf unangemessene Weise Nein.

Diese Emotionen verhindern eine positive Reaktion. Statt zu reagieren, sollte man deshalb kurz innehalten, um die Situation aus der Distanz zu betrachten. Falls dies nicht reicht, um die eigenen Motive und Emotionen zu erforschen, meldet man beim Gegen­über Bedenkzeit an. Gelingt es, sich in Ruhe Vor- und Nachteile der beiden entgegengesetzten Varianten sowie diver­se Kompromisslösungen zu überlegen, ist man schon ein ganzes Stück weiter. Das Innehalten ist uns als sinnvoll bekannt und absolut nichts Neues, der gesunde Menschen­verstand rät dazu. Aber leider gehen wir nicht grundsätzlich, wenn es nötig ist, unserer Intuition nach, sondern lassen uns immer wieder von unseren mentalen Gewohnheiten davon abhalten, Dinge zu tun, die wir für richtig halten.

Erst ein Nein ermöglicht ein Ja

Der Trainer Ury meint: „Wir leben in einer Welt, in der wir mit Informationen, Wissen und Auswahlmöglichkeiten überschüttet werden. Manager müssen immer mehr und immer schneller Entscheidungen treffen. Um Ja zu den eigenen strategischen Prioritäten sagen zu können, müssen sie auch wirklich Nein sagen können zu anderen Forderungen, die ihre Zeit, Aufmerksamkeit und Energie in Anspruch nehmen würden.“

Wir setzen uns oft unter Druck, schnell zu entscheiden, um zu verdeutlichen, dass wir als Führungsperson uns nicht ohne Weiteres erweichen lassen etc. Besser ist, erst einmal zuzuhören, Hintergründe zu erfahren und den Handlungsspielraum zu erforschen.

Ein weiteres Beispiel: Ein Vertreter steht in der Offizin und hat ein Angebot für eine neuartige Produktlinie an Nahrungsergänzungsmitteln auf den Tisch gelegt, die dem Apotheker sinnvoll erscheint. Er muss aber das ganze Depot nehmen und ist sich nahezu sicher, dass er nicht alle Präparate davon verkaufen kann. Auch hier gilt: Hält er sich an seine Unternehmensleitlinie, ist ein klares und nicht zu diskutierendes Nein angesagt.

Eigene Interessen wahren

Die Übermittlung eines positiven Neins beginnt mit einer Bestätigung der eigenen Interessen (Ja!), im zweiten Schritt wird auf sachliche Art eine Grenze gesetzt (Nein.), abschließend folgt ein Vorschlag zur Einigung (Ja?). Definieren Sie Ihre Kerninteressen, Ihre wahren Bedürfnisse, Ihre zentralen Werte. Teilen Sie Ihrem Gegenüber Ihr Ja zu sich mit: Der Apotheker verdeutlicht der Approbierten, dem Kunden und dem Vertreter seine Entscheidung, nicht auf ihre Wünsche einzugehen. Bleiben Sie in diesem Moment unbedingt bei dem Ja zu sich selbst und dem Nein zu den anderen.

Falls Ihr Gegenüber sehr emotional reagiert, steigen Sie nicht ein, sondern kommunizieren Sie sachlich und in neutralem Ton. Die meisten Menschen sind in so einem Moment noch unschlüssig, wie sie sich verhalten sollen, und oftmals nicht bereit, Ihre Entscheidung spontan zu akzeptieren. Legen Sie sich daher vorher einen „Plan B“ zurecht, mit dem Sie Ihrem Nein Nachdruck verleihen, es bekräftigen können. Das sind die ersten beiden Schritte und die Verhandlungsbasis.

Verhandeln Sie ein gutes Ja

Ihr eigentliches Ziel ist aber eine kluge Übereinkunft und eine gesunde Beziehung. Ergänzen Sie daher – falls es Ihnen möglich ist – Ihr Nein mit einem ganz anderen positiven Vorschlag (Ja?), der vielleicht für beide Seiten viel mehr bringt als das ursprüngliche Anliegen. Dafür brauchen Sie manchmal zusätzli­che Hintergrundinformatio­nen, die Sie im Gespräch mit dem Antragsteller bekommen. Auf diese Weise gelingt oft eine gütliche Einigung: Sie kümmern sich um die Inter­essen des anderen, machen aber kaum Kompromisse beim Wesentlichen.

Unsere Beispiele: Die Approbierte muss ihr Kind selbst in den Kindergarten am anderen Ende der Stadt bringen, der Ehemann steht nicht mehr zur Verfügung. Hier ermutigen Sie zu einer Absprache mit einer anderen Mutter, die das Kind mitnimmt, und Ihre Approbierte holt dafür mittags zwei Kinder ab. Der Kunde äußert im Gespräch, dass der Arzt sowieso unzufrieden mit dem Erfolg der momentanen Medikation ist und ihn umstellen will. Sie überzeugen ihn, dass er am Montag auch ohne Termin in die Sprechstunde geht. Der Vertreter beharrt mit viel rhetorischem Geschick auf „ganz oder gar nicht“. So gelingt es Ihnen, sich trotzdem treu zu bleiben: Der Vertreter wird im nächsten Quartal noch einmal vorsprechen, weiß aber schon, dass Sie der jetzigen Variante auf keinen Fall zustimmen. Und Sie haben Zeit, das Thema mit dem Team zu besprechen. Wenn hier die Zögernden überwiegen, sollten Sie sich nicht länger mit dem Angebot beschäftigen.

Diese Lösungen sind besser als ein knappes und brüskierendes Nein oder ein unter Druck geäußertes Ja, das Sie danach bereuen. Als Apothekenleiter sind Sie so unab­hängig, dass Sie sich die Zeit zum Entscheiden nehmen können, und müssen nicht einem eventuell drängelnden Gegenüber nachgeben. Wenn man bei kleineren Änderun­gen „auf den Balkon geht“ und sich bei größeren eine Woche Bedenkzeit nimmt, kommen weit mehr und meist auch bessere Varianten zum Tragen als bei spontanen Entscheidun­gen – zudem sich dann auch noch die Gelegenheit bie- tet, sich mit dem Team, der Familie, Freunden oder professionellen Beratern abzusprechen.

Ute Jürgens, Kommunikationstrainerin und Einzelcoach,
KomMed, 28865 Lilienthal,
E-Mail: KomMed@freenet.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(03):8-8