Grauer Kapitalmarkt

Die Berichterstattung ist oft teuer bezahlt


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Zumindest auf dem Papier gilt die Unabhängigkeit der Presse als wertvolles Gut. Doch die Praxis sieht anders aus: Insbesondere im Bereich der Geldanlage wird die Unabhängigkeit zunehmend den Interessen der Anzeigenkunden geopfert.

Die Wirtschaftskrise, aber auch veränderte Lesegewohnheiten haben tiefe Spuren in den Auflagezahlen der Fi­nanzpresse hinterlassen: 40% Rückgang sind keine Seltenheit, auch das Anzeigenaufkommen lässt nach wie vor zu wünschen übrig. Die Folge: Redaktionen wer­den zusammengestrichen, Erscheinungsfrequenzen reduziert und nicht zuletzt poten­zielle Anzeigenkunden mit Lock­angeboten umschmeichelt. Fälle, in denen große Teile der gedruckten Exemplare über Sonderaktionen quasi verschenkt werden, nur um mit einer vermeintlich hohen Auflage bei den Inserenten punkten zu können, gehören zur Tagesordnung.

Koppelung aus Redaktion und Werbung

Im Zuge der Kürzungen macht sich allerdings auch in den Redaktionen eine gewisse Lethargie breit. Waren es früher lediglich einzelne kleinere Magazine, die ihre Berichterstattung auf die Interessen der Anzeigenkunden ausrichteten, so sind Koppelungs­geschäfte heute selbst bei größeren Blättern durchaus üblich. Schaltet also z.B. ein namhafter Finanzdienstleister eine Werbekampagne für ein bestimmtes Zertifikat, wird auch im redaktionellen Teil sehr wohlwollend über das Produkt berichtet. Oftmals geht dies sogar so weit, dass vorgefertigte Pressetexte mehr oder minder wörtlich übernommen werden. In vielen Fällen geht die Initiative sogar von der Redaktion aus: In „Specials“ werden bestimmte Produkte vorgestellt, gleichzeitig wird die Anzeigenabteilung beauftragt, entsprechende Aufträge zu generieren. Wenig verwunderlich ist es daher, dass auch die redaktionelle Berichterstattung „schmeichelhaft“ ausfällt. Bekannt wurden sogar Fälle, in denen die Anzeigenkunden die Texte vorab zur Prüfung erhielten – und entsprechend Einfluss nahmen.

Doch auch bei Redaktionen, die um Unabhängigkeit bemüht sind, wissen sich die Produkt­anbieter zu helfen: Schon bei kleinsten Ungenauigkeiten in der Berichterstattung hagelt es Proteste an die Chefredaktion. Sollte ein Produkt gar negativ besprochen werden, wird schnell die juristische Keule geschwungen. Nur die wenigsten Chefredakteure stellen sich heute noch hinter ihre Mitarbeiter. Viel öfter wird versucht, mit einer überschwänglich positiven Berichterstattung die Wogen zu glätten – und An­zeigenkunden zu gewinnen.

Dank Internetzeitalter hat sich mittlerweile noch eine weitere Variante entwickelt, die Berichterstattung zu verfälschen: Betreiber dubioser, aber viel gelesener „Anlegerschutzseiten“ nehmen die Offerten kleinerer Produktanbieter unter die Lupe und berichten zu­nächst extrem negativ. Schlagzeilen wie „Anleger­betrug“ oder „Veruntreuungsverdacht“ machen schnell die Runde und sind für den Produktanbieter absolut existenzgefährdend. Im zweiten Schritt wird dann ein „Beratungs­vertrag“ angeboten: Für z.B. 35.000 € bis 50.000 € will man die Offerte genauer analysieren und dafür sorgen, dass die negativen Berichte aus dem Netz verschwinden. Diese „Schutzgeldmethoden“ sind mittlerweile auch in Deutschland gang und gäbe, Mög­lichkeiten zur Gegenwehr gibt es kaum.

Für Sie als Anleger bedeutet dies letztlich, die redaktionelle Berichterstattung insbesondere bei kleineren Wirtschaftsmedien stets kritisch zu hinterfragen. Bereits beim geringsten Verdacht einer Manipulation sollten Sie weitere Erkundigungen über das Produkt einholen und nur dann Geld investieren, wenn die Offerte ansonsten plausibel erscheint.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(03):16-16