Helmut Lehr
Mittlerweile gehört es zu den alljährlichen Gepflogenheiten des Gesetzgebers, relativ kurz vor Jahresende ein sog. Jahressteuergesetz zu verabschieden, das ein Sammelsurium steuerrechtlicher Änderungen enthält. Damit reagiert die Legislative in der Regel auf einzelne Gerichtsurteile, möchte vermeintliche Steuerschlupflöcher schließen bzw. Gestaltungen wirksam vermeiden oder im Einzelfall (geringfügige) Entlastungen herbeiführen.
Freibetrag für ehrenamtliche Betreuer
Für ehrenamtlich tätige rechtliche Betreuer, Vormünder und Pfleger wurde ab dem Jahr 2011 ein Freibetrag für Aufwandsentschädigungen in Höhe von 2.100 € eingeführt.
Hinweis: In Einzelfällen kann die Neuregelung steuerlich nachteilig sein (vgl. ausführlich AWA -Ausgabe Nr. 1 vom 1. Januar 2011, Steuer-Spartipp Nr. 1, Seite 17).
Haushaltsnahe Handwerkerleistungen
Bereits bislang war die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen (20% der Arbeitskosten, maximal 1.200 €/Jahr) ausgeschlossen, wenn eine Förderung nach dem CO2 -Gebäudesanierungsprogramm der KfW-Bank erfolgte. Künftig werden generell alle öffentlich geförderten Maßnahmen, für die zinsverbilligte Darlehen oder steuerfreie Zuschüsse in Anspruch genommen werden, vom Steuerabzug für Handwerkerleistungen ausgenommen (vgl. bereits AWA -Ausgabe Nr. 18 vom 15. September 2010, Steuer-Spartipp Nr. 1, Seite 17).
Hinweis: Die einschränkende Regelung gilt erstmals für im Veranlagungszeitraum 2011 geleistete Aufwendungen, soweit die zugrunde liegenden Handwerkerleistungen nach dem 31. Dezember 2010 erbracht werden.
Häusliches Arbeitszimmer
Die aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erforderlich gewordene Neuregelung der Abzugsmöglichkeiten für ein häusliches Arbeitszimmer wurde entsprechend umgesetzt (vgl. bereits AWA -Ausgabe Nr. 17 vom 1. September 2010, Steuer-Spartipp Nr. 1, Seite 17). Rückwirkend ab dem Jahr 2007 können Apotheker wieder bis zu 1.250 € für das Arbeitszimmer absetzen, sofern ihnen (in der Apotheke) für ihre Bürotätigkeiten kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Ein unbeschränkter Abzug ist aber nach wie vor nur dann möglich, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen/beruflichen Tätigkeit bildet, was bei Apothekern regelmäßig nicht der Fall sein wird.
Hinweis: Vor diesem Hintergrund kann die Einrichtung eines außerhäuslichen Arbeitszimmers ggf. sogar im eigenen Wohnhaus in Einzelfällen nach wie vor eine interessante Gestaltungsalternative darstellen (vgl. AWA -Ausgabe Nr. 23 vom 1. Dezember 2010, Steuer-Spartipp Nr. 2, Seite 18).
Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich als Sonderausgaben
Laufende Ausgleichszahlungen (anlässlich einer Ehescheidung) an die ausgleichsberechtigte Person sind bereits bisher als Sonderausgaben abzugsfähig. Daneben sind nun auch Ausgleichszahlungen in Form von Kapitalzahlungen (§22 Versorgungsausgleichsgesetz) begünstigt.
Hinweis: Unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Empfänger dieser Ausgleichszahlungen müssen die Einnahmen korrespondierend als sonstige Einkünfte versteuern, selbst wenn sich der Sonderausgabenabzug beim Ausgleichsverpflichteten (z.B. mangels ausreichend hoher Einkünfte) in Einzelfällen nicht auswirkt (sog. Rentensplitting). Von diesen Einnahmen kann künftig jedoch der Werbungskosten-Pauschbetrag für (bestimmte) sonstige Einkünfte in Höhe von 102 € abgezogen werden, sofern nicht höhere Werbungskosten nachgewiesen werden.
Vorauszahlung von Basis-Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen
Mit dem „Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung“ wurde ab 2010 der Sonderausgabenabzug für den Basis-Vorsorgeschutz (Kranken- und Pflegeversicherung) erhöht bzw. gewährleistet (vgl. AWA -Ausgabe Nr. 24 vom 15. Dezember 2009, Seite 10 bis 12). Weil im Bereich der privaten Einnahmen/Ausgaben grundsätzlich das Zu- und Abflussprinzip gilt, wäre es möglich, durch (größere) Vorauszahlungen der Beiträge gezielt Abzugsvolumen zu schaffen schließlich können die begünstigten Basis-Leistungen stets im vollen Umfang abgezogen werden. Entsprechenden Gestaltungen hat der Gesetzgeber nun entgegengewirkt.
Künftig gilt: Werden Beiträge für folgende Veranlagungszeiträume vorausgezahlt und übersteigen die Zahlungen in der Summe das 2,5-fache der auf den Veranlagungszeitraum entfallenden Beiträge, sind sie in dem Jahr anzusetzen, für das sie geleistet werden (wirtschaftliche Zuordnung).
Hinweis: Zahlungen für abgelaufene Jahre werden nicht begrenzt. Außerdem sind auch weiterhin die für die Zukunft geleisteten Zahlungen unbeschränkt abzugsfähig, wenn sie der unbefristeten Beitragsminderung nach Vollendung des 62. Lebensjahres dienen. Damit soll der Versicherungsschutz im Alter unterstützt werden.
Zeitliche Beschränkung des Verlustabzugs
Für steuerliche Verluste wurde eine verfahrensmäßige Wechselwirkung zwischen der Einkommensteuerfestsetzung und dem Verlustfeststellungsverfahren herbeigeführt. Danach haben die Einkommensteuerbescheide künftig die Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids für die Verlustfeststellung. Das bedeutet: Eine Verlustfeststellung soll nur noch dann durchführbar sein, wenn auch der entsprechende Steuerbescheid noch aufgehoben, geändert oder berichtigt werden kann.
Hinweis: Durch die Neuregelung will der Gesetzgeber vermeiden, dass Steuerpflichtige auch noch einige Jahre nach der Einkommensteuerfestsetzung die Möglichkeit haben, erstmals Verluste des entsprechenden Jahres steuerwirksam geltend zu machen – z.B. Ausgaben für ein Studium als vorweggenommene Werbungskosten. Eine solche Möglichkeit hatte der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 17. September 2008 (Aktenzeichen IX R 70/06) dem Grunde nach bestätigt.
Steuererstattungszinsen wieder einkommensteuerpflichtig
In seiner Entscheidung vom 15. Juni 2010 (Aktenzeichen VIII R 33/07) hat der Bundesfinanzhof unmissverständlich klargestellt, dass vom Finanzamt gezahlte Erstattungszinsen zur Einkommensteuer keine steuerpflichtigen Kapitaleinkünfte darstellen (vgl. AWA -Ausgabe Nr. 20 vom 15. Oktober 2010, Steuer-Spartipp Nr. 1, Seite 17). Nach Ansicht der obersten Steuerrichter handelt es sich hierbei um Einnahmen im nicht einkommensteuerbaren Bereich.
Der Gesetzgeber hebelt diese Rechtsprechung nun aus, indem er bestimmt, dass Erstattungszinsen gemäß §233a Abgabenordnung zu den Kapitaleinkünften gehören. Die Neuregelung soll in allen Fällen angewendet werden, in denen die Steuerfestsetzung noch nicht bestandskräftig ist. Nachzahlungszinsen bleiben hingegen nach wie vor steuerlich nicht abzugsfähig.
Hinweis: Es ist zumindest zweifelhaft, ob die vorgesehene Rückwirkung (Anwendung in noch nicht bestandskräftigen Fällen) den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Das Finanzgericht Münster hat allerdings in einer bereits wenige Tage nach Verkündung des Jahressteuergesetzes 2010 getroffenen Entscheidung (Urteil vom 16. Dezember 2010, Aktenzeichen 5 K 3626/03 E) die gesetzliche Neuregelung als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft. Die Revision zum Bundesfinanzhof wurde ausdrücklich zugelassen und von den Klägern auch prompt eingelegt (Aktenzeichen VIII R 1/11). Die Versteuerung von Einkommensteuererstattungszinsen sollte deshalb bis auf Weite-res nicht toleriert werden. Einsprüche können unter Verweis auf das anhängige Verfahren zum Ruhen gebracht werden.
Spekulationsgeschäfte mit Gebrauchsgegenständen
Dass der Verlust aus dem Verkauf eines BMW-Cabrios binnen Jahresfrist als Spekulationsverlust steuerlich zu berücksichtigen sein kann, hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 22. April 2008 (Aktenzeichen IX R 29/06) entschieden. Diese Rechtsprechung gilt grundsätzlich für alle beweglichen Wirtschaftsgüter, z.B. auch für die Wohnzimmercouch oder sogar für das Brautkleid (vgl. AWA -Ausgabe Nr. 13 vom 1. Juli 2008, SteuerSpartipp Nr. 1, Seite 17).
Erwartungsgemäß konnte sich die Finanzverwaltung bzw. der Gesetzgeber mit einer solchen Rechtsauslegung nicht anfreunden. Im Jahressteuergesetz 2010 ist nun geregelt, dass der Verkauf von Gegenständen des täglichen Gebrauchs nicht zu einem steuerrelevanten privaten Veräußerungsgeschäft führt. Damit kommt auch eine Verlustberücksichtigung nicht in Betracht.
Hinweis: Gewinne werden in solchen Fällen in der Regel ohnehin nicht erzielt.
Elektronische Lohnsteuerkarte
Ab 1. Januar 2012 wird das Verfahren der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) eingeführt – die bisherigen Papierlohnsteuerkarten entfallen. Das Jahr 2011 gilt als Übergangszeitraum, für den grundsätzlich keine Lohnsteuerkarten mehr ausgestellt werden. Daher behalten die Lohnsteuerkarten 2010 auch für 2011 ihre Gültigkeit. Bereits 2010 auf der Lohnsteuerkarte eingetragene Freibeträge (oder der sog. Faktor) gelten grundsätzlich und unabhängig von der eingetragenen Gültigkeit auch für das Jahr 2011, sofern zwischenzeitlich keine abweichenden Eintragungen erfolgt sind.
Hinweis: Der Arbeitgeber hat nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Freibetrag in 2011 dem Grunde oder der Höhe nach noch vorliegen.
Beispiel: Auf der Lohnsteuerkarte 2010 ist ein Jahresfreibetrag für Werbungskosten von 6.000 € mit einem Gültigkeitsbeginn ab 1. Juli 2010 eingetragen. Daraus errechnet sich ein Monatsfreibetrag von 1.000 € (1/6). Der Arbeitgeber muss ab 2011 (automatisch) den bisherigen Jahresfreibetrag für den Lohnsteuerabzug weiter berücksichtigen, allerdings mit 500 €/Monat (1/12).
Wer 2011 erstmals ein Dienstverhältnis aufnimmt (z.B. nach Abschluss des Studiums), kann beim Finanzamt eine Ersatzlohnsteuerkarte (Bescheinigung) zur Vorlage beim Arbeitgeber beantragen. Eine solche ist auch erforderlich, wenn die Lohnsteuerkarte verloren gegangen oder vernichtet worden ist.
Hinweis: Bei Auszubildenden, die 2011 ihre Ausbildung (als erstes Dienstverhältnis) beginnen, kann der Arbeitgeber auf die Vorlage der Ersatzbescheinigung verzichten. In diesem Fall hat er die Lohnsteuer nach der Steuerklasse I zu ermitteln. Der Auszubildende hat dem Arbeitgeber seine persönliche Identifikationsnummer sowie das Geburtsdatum und die Religionszugehörigkeit mitzuteilen und schriftlich zu bestätigen, dass es sich um das erste Dienstverhältnis handelt. Diese Erklärung des Arbeitnehmers ist bis zum Ablauf des Kalenderjahres als Beleg zum Lohnkonto aufzubewahren.
Veranlagungspflicht
Wird auf der Lohnsteuerkarte ein Freibetrag eingetragen, besteht künftig keine Pflicht mehr zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung, sofern der insgesamt im Kalenderjahr erzielte Arbeitslohn 10.200 € nicht übersteigt. Bei zusammenveranlagten Ehegatten beträgt die Grenze 19.400 €.
Helmut Lehr, Steuerberater, 55437 Appenheim,
E-Mail: info@steuerberater-lehr.eu
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(03):10-10