AMNOG

Drei Fragen an Thomas Preis


Claudia Mittmeyer

Thomas Preis ist Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein e.V. sowie Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand des Deutschen Apothekerverbandes (DAV).

? Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) ist zum 1. Januar 2011 in Kraft treten. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Wie von unserer Seite prognostiziert, und im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens immer wieder kritisch angemahnt, enthält das AMNOG Maßnahmen, die in der Praxis so nicht funktionieren können zum Nachteil von Patienten, verordnenden Ärzten und nicht zuletzt uns Apothekern. Allein durch die Umstellung der Packungsgrößenverordnung hat sich der bürokratische Aufwand in unseren Apotheken, der bereits durch die Umsetzung der Rabatt­verträge unverhältnismäßig hoch ist, noch einmal erheblich gesteigert. Dies steht im krassen Gegensatz zu einer Ankündigung im Koalitionsvertrag der Bundesregierung: „Die Vielzahl der sich zum Teil widersprechenden Instrumente, die den Arzneimittelmarkt regeln, werden wir überprüfen. Die Überregulierung wird abgebaut.“ Wenn man sich die Realität in unseren Apotheken ansieht, erscheint diese Aussage fast zynisch.

Für uns Apotheker ist dieser durch das Gesetz verursachte Mehraufwand nicht akzeptabel. Wir müssen jetzt noch mehr leisten für viel weniger Honorar. Denn ungeachtet der Entscheidung der unabhängigen Schiedsstelle, den Kassenabschlag bei 1,75 € fest­zulegen, wird die Erhöhung des Kassenabschlags für 2011 und 2012 auf 2,05 € massive Einkommensverluste bei den Apotheken zur Folge haben. Hinzu kommt der vom Gesetzgeber vorgesehene Sparbeitrag für den pharmazeutischen Großhandel, den dieser seit Anfang des Jahres auch noch den Apotheken im wahrsten Wortsinne in Rechnung stellt.

? Der pharmazeutische Großhandel hat mehrfach betont – und mit Zahlen zu belegen versucht , dass er seinen Sparbeitrag gar nicht selber tragen kann und quasi gezwungen ist, diese Belastungen an die Apo­theken weiterzugeben. Wie sehen Sie das?

Fakt ist: Der Gesetzgeber hat den Sparbeitrag von 200 Mil­lionen Euro explizit dem pharmazeutischen Großhandel auferlegt. Um diesen Sparbeitrag in 2011 umzusetzen, wurde als Interimslösung der sog. Groß­handelsabschlag von 0,85% des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) eingeführt. Ab 2012 soll der Sparbeitrag des Großhandels dann durch die Umstellung und Kürzung der Großhandelszuschläge realisiert werden. Wie bereits oben angedeutet, kürzen viele pharmazeutische Großhändler seit einigen Wochen die Konditio­nen, die sie Apotheken für deren effiziente Bestellweise sowie als Mengen- und Treuerabatte gewähren und begründen dies mit der Belastung durch den Abschlag. Viele Großhandlungen wälzen den Sparbeitrag von 0,85% vom ApU voll auf die Apotheken ab.

In Einzelfällen gehen sie sogar darüber hinaus. Konditionenkürzungen werden selbst bei solchen Präparaten durchgeführt, die per Gesetz von dem Großhandelsabschlag ausgenommen sind, wie z.B. Lifestyle-Arzneimittel, OTC. Diese Großhandlungen ver­suchen somit, nicht nur den ihnen zugewiesenen Spar­beitrag auf die Apotheken abzuwälzen, sondern aus der Neuregelung Gewinn zu schlagen – und zwar auf Kosten der Apotheken.

Diese Praktiken entsprechen nicht dem Willen des Gesetz­gebers und sind völlig inakzeptabel; es kann nicht sein, dass die öffentlichen Apotheken jetzt zusätzlich auch noch den Sparbeitrag des Großhandels übernehmen sollen.

? Welche Forderungen leiten Sie daraus ab?

Die Regierungskoalition ist aufgefordert, die vorliegenden Missstände schnellstmöglich zu korrigieren. Das heißt konkret: In Anbetracht der enor­men wirtschaftlichen Belastungen in den Jahren 2011 und 2012 ist es unbedingt erforderlich, dass die Politik jetzt einen Ausgleich schafft für den weiteren Sparbeitrag von 200 Millionen Euro, zu dem der Gesetzgeber zwar den Großhandel verpflichtet hat, der aber vom Großhandel jetzt auf die Apotheken ab­gewälzt wird.

Zudem muss dem Packungsgrößenchaos ein schnelles Ende gesetzt werden. In An­betracht der derzeitigen Probleme ist es nicht auszudenken, dass die nächste Stufe der Packungsgrößenverordnung, die Umstellung der Normgrößen auf eine Reichdauerorientierung in 2013, in Kraft treten soll. Daher lautet die Forderung: Diese geplanten Packungsgrößenänderungen müssen weg!

Grundsätzlich appelliere ich an die Bundesregierung, ihre Zusagen zur Stärkung der Arzneimittelversorgung durch die freiberuflichen Apothe­kerInnen einzuhalten. Dazu gehört vor allem auch eine leistungsgerechte Vergütung, die es ermöglicht, unser pharmazeutisches Know-how als unabhängiger Heilberuf zum Wohle der Patienten einzusetzen. Momentan agieren wir zunehmend als verlängerter Arm einer überbordenden Bürokratie.

Nicht zuletzt gehört auch das Verbot von Pick-up-Stellen zu den politischen Zusagen der Regierungskoalition. So wurde es im Koalitionsvertrag festgehalten und immer wieder in öffentlichen Aussagen bekräftigt. Sogar mit dem Hinweis, man wolle die Zusage des Verbots von Pick-up-Stellen unbedingt einhalten und dafür scheitere die Koalition lieber vor dem Verfassungsgericht, als dass sie sich sagen lassen müsse, „wir hätten es nicht probiert“. Eine politische Umsetzung, die wir nach wie vor einfordern, hat bisher immer noch nicht stattgefunden. Sie ist längst überfällig und im Sinne eines aktiven Verbraucherschutzes notwendig!

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(04):3-3