Dr. Bettina Mecking
Der Gesetzgeber hat eine Vorstellung von der Apotheke als funktionelle Einheit, in der der Apotheker als Freiberufler seine dem Gemeinwohl verpflichteten Tätigkeiten mit entsprechender Erlaubnis ausübt. Dazu bedarf er einer gewerblichen Niederlassung, die er in eigener Verantwortung den Marktanforderungen des Einzugsbereichs seiner Apotheke anpassen darf.
Wer sich neu ausrichten will, könnte ein „Outsourcing“ bzw. das Auslagern von Aufgaben und Strukturen der Apotheke an Drittunternehmen in Betracht ziehen. Dabei werden auf vertraglicher Grundlage bisher betriebsintern erbrachte Leistungen fremd bezogen. Gegenläufig gibt es eine starke Tendenz, neue Waren und Dienstleistungen in den Apothekenbetrieb zu integrieren und so neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Ausgangspunkt für die weitere Betrachtung ist die Einheit des Apothekenbetriebs. Nach § 4 Absatz 4 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sollen die Betriebsräume so angeordnet sein, dass jeder Raum ohne Verlassen der Apotheke zugänglich ist. Der Apothekenbetrieb soll in dieser gesetzlich abgesteckten Raumeinheit und im Rahmen der besonderen apothekenrechtlichen Vorgaben stattfinden. Ausnahmen von der Raumeinheit sind bei Apotheken vorgesehen, die Krankenhaus- und Zytostatikaversorgung machen oder Versandhandel betreiben. Diese dürfen ihre spezialisierten Dienste aus apothekennahen Räumlichkeiten heraus leisten.
Dienstleister dürfen nicht „mitbetreiben“
Die wichtige Position des „Apothekers in seiner Apotheke“ bringt es mit sich, dass es einen Grundbestand an Leistungen gibt, den Apotheken selbst erbringen müssen, um ihre Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten. Wer sich einer Kooperation anschließt, muss sich deren Leistungsprofil genau ansehen, wenn mehr als nur gemeinsames Einkaufen bis hin zum „full service“ einer betriebswirtschaftlichen Organisation geboten wird.
In einem kürzlich veröffentlichten Urteil (Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15. Oktober 2010, Aktenzeichen 2 L 245/08 – nicht rechtskräftig) haben die Richter die Versandhandelserlaubnis einer Apotheke wegen unzulässigen „Outsourcings“ von Tätigkeiten auf eine externe Gesellschaft aufgehoben. Die durch den Kooperationsvertrag gebildete Konstruktion, wonach umfassend Aufgaben im Rahmen der Abwicklung des Versandvorgangs an Außenstehende übertragen wurden, verstoße gegen die Pflicht zur eigenverantwortlichen Leitung der Apotheke nach § 7 Absatz 1 ApoG. Sie laufe auf einen Fremdbetrieb der Apotheke durch einen gewerblichen Dienstleister in rechtlicher sowie wirtschaftlicher und sogar in pharmazeutischer Hinsicht hinaus.
Warenautomaten
Kerntätigkeiten wie die Beratung und Arzneimittelabgabe dürfen nicht vom Apothekenleiter und seinem Personal auf gewerbliche Servicecenter verlagert werden. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteile vom 24. Juni 2010, Aktenzeichen BVerwG 3 C 30.09 und 3 C 31.09) hat die Abgabe von Arzneimitteln über fremdgesteuerte Apothekenterminals für unzulässig erklärt. Die Bedienung des Apothekenterminals durch das Personal eines gewerblichen Dienstleisters verstoße gegen die Pflicht des Apothekers aus § 7 ApoG zur persönlichen Leitung in eigener Verantwortung. Im Servicevertrag vereinbarte Weisungsrechte des Apothekers gegenüber dem Personal der Serviceagentur seien kein gleichwertiger Ersatz für die Aufsichts- und Kontrollbefugnisse gegenüber dem Personal seiner Apotheke.
Notdienst aus Filialapotheken
Bei Gemeinwohlpflichten, die nicht attraktiv vergütet werden, besteht verstärkt die Tendenz, diese im Zuge einer Optimierung von Betriebsabläufen zu verlagern, etwa den Notdienst von einer Filialapotheke in die Hauptapotheke zu verlegen. Ob dies zulässig ist, muss derzeit das Bundesverwaltungsgericht (Aktenzeichen BVerwG 3 C 21.10) prüfen. Bislang braucht jede Apotheke ein Notdienstzimmer, damit die ständige Dienstbereitschaft in jeder Betriebsstätte sichergestellt wird. Hier besteht die Gefahr, dass schrittweise betriebsstättenbezogene Leistungen wegfallen. Bei einem „Outsourcing“ auf ein Zentrallabor etwa müsste nicht mehr jede Apotheke ein Labor haben.
Mancherorts findet ein spezielles „Outsourcing“ statt, bei dem deutsche Apotheken Verschreibungen zur Belieferung an eine niederländische Apotheke weiterleiten. Ob dies eine erlaubte Form eigenverantwortlicher Mitwirkung an einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung durch die deutsche Apotheke ist, wird derzeit gerichtlich geklärt. Gleichzeitig ergibt sich eine „shop-in-shop“-Problematik. Nach diesem Geschäftsmodell sollen sodann Waren für andere Gewerbetreibende in den Betriebsräumen der deutschen Apotheke abgegeben werden. Diese Funktion steht nicht im Einklang mit der Apothekenbetriebsordnung.
Unzulässiges „Insourcing“
Dem „Outsourcing“ steht eine verstärkte Öffnung zum Hineinnehmen von Dienstleistungen, die nur vermeintlich zur Apotheke passen, gegenüber. Kosmetikbehandlungen in den Räumlichkeiten einer Apotheke sind unzulässig. Das hat das Verwaltungsgericht Minden mit Urteil vom 26. Januar 2011 (Aktenzeichen 7 K 1647/10 – nicht rechtskräftig) entschieden. Das Angebot von Peeling, Entspannungsmassage und Maniküre stehe nicht im Einklang mit den Regelungen der Apothekenbetriebsordnung. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit des Apothekers immer an seinem Auftrag zu messen sei, eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Dieser Vorrang des Arzneimittelversorgungsauftrags verbiete eine Geschäftsgestaltung, die – wie hier – befürchten lasse, dass sich die Apotheke zu einem Kosmetikstudio entwickele.
Auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Urteil vom 26. Januar 2011, Aktenzeichen 16 K 2067/10 – nicht rechtskräftig) hat sich kürzlich mit einer unzulässigen Sortimentserweiterung um Magnetschmuck befasst. Apothekenübliche Waren sind nach § 25 Nr. 2 ApBetrO Mittel sowie Gegenstände und Informationsträger, die der Gesundheit von Menschen und Tieren mittelbar oder unmittelbar dienen oder diese fördern. Da der Katalog derjenigen Mittel und Gegenstände, die die Gesundheit zumindest mittelbar fördern, sehr umfangreich sein dürfte, bedarf es einer einschränkenden Auslegung. Die Mittel und Gegenstände müssen einen ohne Weiteres erkennbaren Gesundheitsbezug haben. Eine solche nach der allgemeinen Verbrauchervorstellung spezifische gesundheitsbezogene Zweckbestimmung liege bei dem Magnetschmuck nicht vor, zumal die Magnettherapie generell und deren Wirksamkeit in der medizinischen Wissenschaft äußerst umstritten und keinesfalls erwiesen seien.
Zugleich hatte das Gericht über die in der Apotheke praktizierte entgeltliche Abgabe von Werbeprämien, deren Auslage das äußere Erscheinungsbild dieser Apotheke noch dazu maßgeblich bestimmte, zu befinden. Es gebe zwar keine ausdrückliche Reglementierung zulässiger Nebengeschäfte von Apothekern, gleichwohl sei diese Handhabe nicht erlaubt.
Dr. Bettina Mecking,
Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein,
Fachanwältin für Medizinrecht,
40213 Düsseldorf,
E-Mail: b.mecking@aknr.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(08):10-10