Strategische Positionierung der Apotheke

Drei Fragen an Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Oberender


Claudia Mittmeyer

Professor Oberender ist Direktor der Forschungsstelle für Sozialrecht und Gesundheitsökonomie an der Universität Bayreuth, Geschäftsführer des Instituts für angewandte Gesundheitsökonomie (IaG) sowie Inhaber der Unternehmensberatung „Oberender & Partner“.

Welche Maßnahmen können die Apotheken ergreifen, um die wirtschaftlichen Folgen des AMNOG abzufedern?
In einem Umfeld mit rückläufigen Umsätzen gibt es verschiedene Ansatzpunkte, wobei es natürlich kein Patentrezept gibt. Aus ökonomischer Sicht ist immer auch die Kostenseite ein Stellhebel. Gerade bei sinkenden Erlösen gilt, jeder Euro der nicht ausgegeben wird, muss nicht verdient werden. Das Potenzial sog. „quick wins“ ist dabei wahrscheinlich gering. Nichtsdestotrotz gibt es Maßnahmen, die Apotheken ergreifen können.

Der Großhandel hat das Bestreben, seine Belastung aus dem AMNOG weiterzureichen. Hier ist es für die Apotheker wichtig, aktiv neue Kon­ditionen zu verhandeln, was zum einen eine Transparenz der eigenen Konditionen, zum anderen eine Verhandlungsmacht und zuletzt langwierige Verhandlungsrun­den voraussetzt. Der zweitgrößte Kostenblock sind die Personalkosten. Auch hier sind Kosteneinsparungen kurzfristig nicht ohne Weiteres möglich und es muss mit Bedacht und Weitsicht analysiert werden.

Systematisch müssen auch die sonstigen Kosten durchgegangen und mögliche Reduktionspotenziale genutzt werden. Ein Wechsel beim Stromanbieter, Neuverhandlungen bei Reinigungsverträgen, die Sichtung von Wartungsverträgen sind mögliche Beispiele. Allerdings besteht häufig die Gefahr, dass die alleinige Konzentration auf Kosteneinsparungen zu Qualitätseinbußen führt und bestehendes Potenzial zum „Wachstum“ nicht genutzt wird, da an der falschen Stelle gespart wurde.

Letztendlich gilt es aber auch, den Umsatz in anderen Bereichen zu steigern und seine Kunden zu binden und vor allem neue Kunden zu gewinnen.


Wie sollten sich Apotheken in einem preisaktiven Umfeld verhalten?
Auch in einem preisaktiven Umfeld gilt es, sich von seinem Wettbewerber abzuheben. Die Frage ist also, wie gelingt es, ggf. andere Wettbewerbsparamter einzusetzen, um sich im Markt stark zu positionieren. Diese müssen sich am Bedarf der Patienten/Versicherten orientieren; wichtig sind nach wie vor die Service-Orientierung und die Spezialisierung auf die Beratung der Versicherten als wesentliche Parameter, die die Apotheke „vor Ort“ einsetzen kann. Auch ergänzende Dienstleistungen und ggf. die Etablierung der Apo­theke als „One-stop-shop“ sind strategisch verfolgenswert. Beispiele aus anderen Branchen zeigen, dass innovative Ansätze, der Mut zur Veränderung sowie neue Konzepte Erfolg mit sich bringen. Als Beispiel hierzu kann der Hauptbahnhof in Leipzig genannt werden. Vor der Sanierung war dies ein alter Kopfbahnhof. Heute ist es ein modernes Einkaufszentrum mit Parkhaus und „Gleisanschluss“. Das Konzept funktioniert, weil es sich am Bedarf der Konsumenten orientiert.

Ähnlich könnten sich mutige Apotheker verhalten. Der Apotheker als „Case-Manager“ wäre ein Schritt in diese Richtung. Die „Stammapotheke“ organisiert für den Patienten die gesamte Gesundheitsversorgung. Von der Organisation der Arztbesuche bis zur Beratung der Angehörigen und natürlich der Medikamentenversorgung dient die Apotheke als Ansprechpartner und zentrale Schaltstelle. Das würde den Bedürfnissen einer älter werdenden Gesellschaft in der Informationsflut gerecht werden und Kunden binden. Selbstverständlich müsste dafür dann auch ein Entgelt kalkuliert und abgerechnet werden.


Welche Wünsche haben Sie aus ökonomischer Sicht an die neue Apothekenbetriebsordnung?
Aus gesundheitsökonomischer Sicht muss die neue Apothekenbetriebsordnung zwei zentrale Punkte miteinander vereinbaren. Zum einen soll weiterhin eine hohe qualitative Versorgung mit Arzneimitteln sichergestellt werden, zum anderen soll den Apotheken genug Freiraum erhalten bleiben, um neue Angebote und Serviceleistungen etablieren zu können. Eine Beschränkung des Angebots bzw. des Nebensortiments ist nicht zielführend. Solange die „Kernleistung“ der Apotheke nicht gefährdet ist, spricht nichts gegen eine Erweiterung des Angebots um Hygieneartikel, Kosmetikprodukte, Vitaminpräparate oder andere ergänzende Dienstleistungen. Hier besteht, wie bereits erläutert, die Möglichkeit, sich als Apotheke von anderen Wettbewerbern oder auch Versandapotheken abzugrenzen.

Dennoch müssen auch in Zukunft qualitative Mindestanforderungen definiert werden. Prinzipiell ist hier die Herstellung von mehr Transparenz bezüglich der Qualität unerläßlich. Hier würde ich sogar weiter gehen, als es das BMG in seinem Eckpunktepapier vorschlägt. Qualitätsmanagementsysteme müssen für alle verpflichtend eingeführt werden und die Einhaltung von Standards und „guter“ Qualität muss für den Patienten erkennbar sein. Daran krankt es ja derzeit in unserem Gesundheitssystem – dass Qualität nicht transparent gemacht wird.

Ferner befürworte ich auch eine „Entschlackung“ bei „überalteten“ Vorgaben. Die „alte“ ApBetrO schreibt die Vorhaltung von Labor­geräten und Reagenzien vor, die in der Praxis wenig oder manchmal gar nicht mehr eingesetzt werden. Dennoch müssen diese aufgrund der gesetzlichen Vorschriften im Bestand bleiben und verursachen so weiter Kosten. Das ist ökono­mischer Unsinn.

Ein Vorschlag, der sicher nicht von allen positiv aufgenommen und befürwortet wird, ist die Frage der Gestaltung der Apothekenleitung, was natürlich auch das Gesetz über das Apothekenwesen betrifft. Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, warum nicht auch ein „Nicht-Apotheker“ Eigentümer einer Apotheke sein kann. Solange sichergestellt ist, dass entsprechend qualifiziertes Personal eingesetzt wird, sehe ich hier keinen nachvollziehbaren Grund für eine derartige Beschränkung.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(13):3-3