Soziale Netzwerke im Trend

Social Media – neue Chance für Apotheken?


Rüdiger Ott

Werden Apotheker mit dem Begriff „Social Media“ konfrontiert, schwanken die Reaktionen zwi­schen Begeisterung, Angststarre und Ablehnung. Selten war ein neuer Kommunikationsweg in seiner Bedeutung für die Apotheke so schwierig einzuschätzen wie die sozialen Netzwerke.

Als „Social Media“ werden Medi­enangebote bezeichnet, in denen die Nutzer Inhalte erstellen und Internetgemeinschaften bilden. Innerhalb dieser tauschen sie Meinungen, Erfahrungen und Informationen aus. Die bekanntesten Angebote sind Facebook, Twitter, Blogs und mobile Applikationen („Apps“).

30 Millionen deutsche Nutzer

Dass auch eine Apotheke die Entwicklung der Social Media nicht ignorieren darf, verrrät allein schon der Blick auf die Nutzerzahl: Mehr als 30 Millionen Deutsche sind in der Zwischenzeit Mitglieder in Social Communities. Allein 12 Millionen davon sind bei Facebook registriert.

Der enorme Zuspruch basiert auf dem Erfolgsrezept der virtuellen Communities. Betroffene, Gleichgesinnte oder Leidensgenossen bündeln ihr Wissen, geben gegenseitige Empfehlungen ab und sind selbst überzeugt davon, dass viele Individuen in ihrer Gesamtheit jedem einzelnen Experten überlegen sind. Die sozialen Netzwerke tauschen quasi die traditionellen etablierten Autoritätspersonen gegen virtuelle Kreise. Sogenannte „Freunde“ ersetzen wahre Experten als Meinungsbildner.

Die Entscheidung darüber, welche Formen der Social Media für die Apotheke relevant sein könnten, wird erleichtert, wenn die Stärken und Schwächen sowie die Chancen und Risiken der Angebote abgewogen werden.

Blogs: Vom Online-Tagebuch zur Nachrichtenquelle

Der Begriff „Blog“ wurde von Weblog, einer Wortkreuzung aus (World Wide) Web und Logbook, abgeleitet. Ein Blogger veröffentlicht in seinen Blogs persönliche Erfahrungen, Meinungen und Erlebnisse. Deshalb sind solche Mitteilungen oft aus der Ich-Per­spektive geschrieben. Plattformen hierzu bieten www.blogger.com, www.worldpress.com oder die Blog-Funktionen sozialer Netzwerke (z.B. MySpace).

Während das Bloggen in den Anfangsjahren von eher geringwer­tigen Informationen mitteilungsbedürftiger Menschen geprägt war, werden Blogs heute als wichtige Nachrichtenquelle gesehen. Selbst die etablierte Presse übernimmt mittlerweile Themen, die in Blogs kommuniziert werden, und sieht Blogger als Meinungsmacher an.

Blogs können auch für Apotheken als Marketinginstrument funktionieren, weil in Zeiten unüberschaubarer Angebote die persönliche Empfehlung bei der Produktauswahl zunehmend wichtiger wird. Zudem wird das Internet immer lokaler (www.golocal.de).

Microblogging: 140 Zeichen genügen

Twitter ist der erfolgreichste Microblogging-Anbieter weltweit. Das Informationsnetzwerk zählt 22,3 Millionen Nutzer, davon 3,1 Millionen deutsche. Erstaunlich hoch ist der Anteil der Männer mit 78%. Mehr als die Hälfte der Twitterer (58%) finden sich in der Altersklasse von 25 bis 44 Jahre.

Unter den Unternehmen, die Twitter als Informationsmedium für ihre Kunden nutzen, sind inzwischen auch mehrere Apotheken. Sonderangebote, Informationen über neu eingetroffene Artikel und Termine von geplanten Gesundheitsaktionen lassen sich mit 140 Zeichen gut kommunizieren. Immer häufiger werden Links zu Websites, auf denen eine ausführlichere Darstellung erfolgen kann, in die Nachricht inte­griert.

Die Vorteile von Twitter liegen in der Schnelligkeit und den guten Vernetzungsmöglichkeiten. Außer­dem können geschlossene Kreise (z.B. Mitarbeiter des Apothekenteams) gebildet werden. Die hohe Geschwindigkeit des Mediums prägt allerdings auch die Er­war­tungshaltung der „Follower“ (Abon­nenten der Beiträge). Wer twittert, der sollte permanent und in­tensiv seine Blogs beobachten und bei Bedarf schnell reagieren.

Soziale Netzwerke

Die größten Plattformen für den Austausch von Meinungen und Informationen sind die sozialen Netzwerke. Allein Facebook verzeichnet 500 Millionen Mitglieder weltweit und hat die höchsten prozentualen Zuwächse in der Altersgruppe 54+. Anders als bei Twitter ist das Geschlechterverhältnis bei Facebook nahezu ausgeglichen.

Viele Unternehmen – darunter auch einige Apotheken – nutzen Facebook, um mit ihren Kunden direkt zu kommunizieren. Die Bandbreite der Informationen, die an die „Pinnwand geheftet“ werden, reicht von weitgehend produktneutralen Botschaften bis hin zur reinen Kommunikation von Sonderangeboten, die der unmittelbaren Verkaufsförderung dienen soll.

Ab einer gewissen Zahl von „Fans“ kann es sich für eine Apotheke lohnen, geschlossene Gruppen zu bilden. Mit den Mitgliedern erfolgt ein gezielter Dialog, der für die Internet-Öffentlichkeit nicht zu­gänglich ist (z.B. Diabetes-Gruppen, Gewichtsreduktions-Gruppen).

Die größten Vorteile von Facebook sind, dass diese Kommunikationsplattform sehr preisgünstig und einfach ist, gute Vernetzungsmöglichkeiten mit der eigenen Website bietet und zahlreiche Anwendungen eingebunden werden können (z.B. Fotos, Videos, Kundenbefragungen, Gewinnspiele). Die größte Herausforderung ist es, die richtige Balance zwischen gewinnbringender Werbung und neutraler, imagefördernder Information zu finden. Kritische Kommentare müssen gemanagt werden. Eine permanente intensive Beobachtung der Facebook-Seite ist unbedingt erforderlich.

Mobile Applikationen

Apps oder Applikationen sind kleine Programme, die sich jeder Anwender auf sein Handy bzw. Smartphone (z.B. iPhone) herunterladen kann. Die Nachfrage nach Apps steigt kontinuierlich, da auch die Nutzung des mobilen Internets in den letzten drei Jahren etwa um den Faktor zehn gestiegen ist.

Apps können an nahezu jedem Ort auf der Erde genutzt werden. Sie sind sehr beliebt, weil sie meist über klare und einfache Strukturen verfügen und in der Regel nur eine Anwendung programmiert ist. Die Handhabung ist daher sehr einfach.

Eine interessante App für die Apotheke ist „Apotheke vor Ort“ (Wort&Bild Verlag). Hier kann der User seine bevorzugte Apotheke wählen und hat damit stets Kontaktdaten, Anfahrtsbeschreibung, ak­tuelle Tipps, Arzneimittelinformationen und sogar ein Gesundheitslexikon mit einem „Touch“ parat.

Viele apothekenrelevante Program­me sind zur Therapie- oder Lebens­begleitung konzipiert (z.B. DiabetesPlus, Gesund-Genießen, Ca­lory Guard) und können für das Patientenmanagement eingesetzt werden.

Kritische Anmerkungen

Neben den vielen Vorteilen der neuen Kommunikationsplattformen gibt es durchaus auch kritische Punkte, über deren Bedeutung man sich im Vorfeld der Aktivitäten bewusst sein sollte:

  • Informationen, die einmal im Internet veröffentlicht wurden, können nur äußerst schwer wieder entfernt werden.
  • Das Social Web ist global, die Rechtslage ist es nicht. Selbst Pharmahersteller beschränken sich daher strikt auf die Marken- und Unternehmenskommunikation. Fragen zu apothekenpflichtigen Produkten sollten nicht über das Medium beantwortet werden.
  • Innerhalb des Apothekenteams müssen klare Regelungen über den einheitlichen Umgang mit Social Media getroffen werden (Wer darf antworten? Wie wird geantwortet?).

Fazit

Social Media haben die Kommu­nikation der Menschen untereinander und die Kommunikation zwischen Menschen und Unternehmen verändert. Sie bieten Apotheken Chancen, neue Zielgruppen – auch über das traditionelle Einzugsgebiet hinaus – preiswert zu erreichen.

Die Akzeptanz der Social Media ist so hoch, dass sich eine Apotheke dieser Entwicklung langfristig nicht verschließen kann. Wer heute mit derartigen Aktivitäten beginnt, darf keine Wunder erwarten. Doch er kann sich sicher sein, dass diejenigen, die als Erste Erfahrungen gesammelt haben, auch in Zukunft den anderen voraus sein werden.

Rüdiger Ott, Apotheker und Unter­nehmensberater, OttConsulting, 79331 Teningen, E-Mail: info@ottconsulting.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(13):9-9