Personalengpässe in Urlaubszeiten

Urlaub für die einen – Überstunden für die anderen?


Jasmin Theuringer

Ende Juni haben bereits in den ersten Bundesländern die Sommerschulferien begonnen. Damit beginnt für jeden Arbeitgeber die Zeit der Personalknappheit. Was liegt näher, als den urlaubsbedingten Ausfall der Mitarbeiter durch Überstunden der übrigen Belegschaft auszugleichen?

Welche Möglichkeiten hat der Apo­thekenleiter, wenn seine Mitar­beiter sich weigern, in den schönsten Wochen des Jahres mehr zu arbeiten?

Lage der Arbeitszeit

Zur Überbrückung von Ausfallzeiten ist es manchmal bereits aus­reichend, den Dienstplan zu ändern, ohne dass dadurch Überstunden anfallen. Der Apotheker als Arbeitgeber hat im Rahmen seines Direktionsrechts grund­sätzlich die Möglichkeit, die Lage der Arbeitszeit zu bestimmen.

Beispiel: Apotheker A beschäftigt drei PTAs, zwei davon werden als Teilzeitkräfte nur vormittags eingesetzt. Während des Urlaubs der Vollzeit-PTA möchte A seine beiden Teilzeit-PTAs im Wechsel vor- und nachmittags einsetzen. Diese weigern sich. Zu Recht?

Durch den Einsatz der teilzeitbeschäftigten PTAs im Wechsel an Vor- und Nachmittagen ändert sich die Menge der Arbeitsstunden für die Mitarbeiterinnen nicht. Es verschiebt sich nur die Lage der geschuldeten Arbeitszeit. Dies kann A im Rahmen seines Direktionsrechts grundsätzlich einseitig bestimmen.

Variante 1: Eine der Teilzeit-PTAs hat schulpflichtige Kinder und ist daher auf Arbeitszeiten angewiesen, die sich mit den Betreuungszeiten der Schule decken. Sie hat deshalb in ihrem Vertrag nicht nur eine Regelung dahingehend getroffen, wie viele Stunden sie wöchentlich arbeitet, sondern auch, dass diese Stunden jeweils montags bis freitags zwischen 9.00 und 13.00 Uhr abzuleisten sind.


Hier hat sich A durch die Festlegung der Lage der Arbeitszeit im Vertrag gebunden. Ein Einsatz der PTA am Nachmittag setzt das Einverständnis der Mitarbeiterin voraus.

Variante 2: Die PTA hat in ihrem Vertrag nur eine Regelung darüber, wie viele Stunden sie wöchentlich schuldet, jedoch keine zeitliche Festlegung. Sie ist wegen der fehlenden Kinderbetreuung dennoch mit einem Einsatz am Nachmittag nicht einverstanden.

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit und deren Änderung dem „billigen Ermessen“ entsprechen muss. Der Arbeitgeber hat also auf den Arbeit­nehmer und dessen familiäre Pflichten Rücksicht zu nehmen. Ein Einsatz der PTA am Nachmittag wird daher nur in Notfällen möglich sein, nicht aber, wenn eine Kollegin im Urlaub ist.

Anordnung von Überstunden

Als Überstunden versteht man jede Überschreitung der ver­einbarten Arbeitszeit. Durch die Anordnung von Überstunden geht der Arbeitgeber also über das hinaus, was im Arbeitsvertrag für beide Parteien verbindlich festge­halten wurde. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers findet seine Schranken in den Regelungen des Arbeitsvertrags. Deshalb bedarf die Anordnung von Überstunden einer darüber hinausgehenden Rechtsgrundlage.

Beispiel: Im Ausgangsfall möchte A, dass die Teilzeit-PTAs während des Urlaubs der Kollegin ganztags arbeiten, um den Ausfall vollständig zu kompensieren.

Diese Lösung erfordert, dass beide Teilzeitbeschäftigte mehr Stunden arbeiten als vertraglich vereinbart. Es handelt sich also neben der Neubestimmung der Lage der Arbeitszeit auch um die Anordnung von Überstunden.

Variante 1: In den Arbeitsverträgen der Teilzeit-PTAs findet sich die Regelung, dass die Mitarbeiterin­nen damit einverstanden sind, im Fall des betrieblichen Bedarfs Überstunden zu leisten.

Diese Regelung bietet grundsätzlich eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Anordnung von Überstunden. Wichtig für die Wirksamkeit einer solchen Regelung ist, dass eine Vergütung der Überstunden nicht ausgeschlos­sen wird. Die Vereinbarung im Arbeitsvertrag, dass ein Mitarbeiter verpflichtet ist, ohne zusätzliche Vergütung Überstunden zu leisten, ist nur in engen Grenzen möglich.

Diese vertragliche Regelung ist aber kein Freibrief zur Anordnung von Überstunden. Das Recht des Arbeitgebers zur Anordnung von Überstunden kann ebenfalls nur im Rahmen „billigen Ermessens“ ausgeübt werden. Auch hier ist auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu achten. Ist den Teilzeitbeschäftigten danach eine vollständige Kompensation der Ausfallstunden der Vollzeit-PTA nicht zumutbar, so hat A eine Ersatzkraft einzustellen.

Variante 2: Die Arbeitsverträge enthalten keine Regelung zu Überstunden.

Die Mitarbeiterinnen können sich weigern, Überstunden wegen des Urlaubs ihrer Kollegin abzuleisten.

Variante 3: Es existiert keine vertragliche Regelung zu Überstunden. Die Arbeitsverhältnisse unterliegen dem Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter (BRTV).

§7 Absatz 1 BRTV verpflichtet Apothekenmitarbeiter, in begründeten Ausnahmefällen Überstunden im gesetzlichen Rahmen ab­zuleisten. Ein begründeter Ausnahmefall ist keinesfalls der vorhersehbare und planbare Ausfall eines Mitarbeiters wegen des Erholungsurlaubs. Auch bei Anwendbarkeit des BRTV können die Teilzeit-PTAs daher die angeord­neten Überstunden verweigern.

Beispiel: Im Ausgangsfall fällt die Vollzeit-PTA nicht aufgrund eines Urlaubs aus, sondern wegen einer plötzlichen Erkrankung. In den Arbeitsverträgen der Teilzeit-PTAs findet sich keine Regelung zu Überstunden.

Hier kann A einen plötzlichen, kurzfristigen Ausfall seiner Mitarbeiterin durch angeordnete Überstunden auffangen. Ein nicht vorhersehbarer und auf die Schnelle nicht anders aufzufangender Ausfall eines Mitarbeiters ist ein begründeter Ausnahmefall im Sinne des §7 Absatz 1 BRTV.

Auch ohne Anwendbarkeit des BRTV sind Arbeitnehmer verpflich­tet, in Notfällen Überstunden abzuleisten, die für den reibungslosen Ablauf des Apothekenbetriebs erforderlich sind. Das ergibt sich aus dem Rechtsgedanken der Treuepflicht des Arbeitnehmers. Jedoch ist der Apothekenleiter in diesen Fällen gehalten, so schnell wie möglich Abhilfe zu schaffen, erforderlichenfalls ist eine Ersatzkraft für die Dauer des krankheitsbedingten Ausfalls einzustellen. Der Apothekenleiter ist grundsätzlich verpflichtet, eine Personal­decke vorzuhalten, die auch zur Bewältigung des üblicherweise zu verzeichnenden Krankenstandes ausreicht. Auf die einseitige Anordnung von Überstunden darf daher nur im Fall eines Engpasses zurückgegriffen werden.

Der umgekehrte Fall: Während des Ausfalls der PTA wollen beide Teilzeit-PTAs Überstunden leisten, um ihre Urlaubskasse aufzubessern. A lässt aber nur eine der Teilzeitbeschäftigten mehr arbeiten und schickt die andere nach Hause. Zu Recht?

Gibt es für die Ungleichbehandlung der Mitarbeiterinnen keinen sachlichen Grund, so darf A keine von ihnen ausschließen. Wollen beide Überstunden leisten, so gebietet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, beide gleich­mäßig einzusetzen.

Vergütung von Überstunden

Überstunden sind grundsätzlich zu vergüten. Dies gilt aber nur für Überstunden, die vom Apothekenleiter oder dessen Vertreter an­geordnet, gebilligt oder zumindest geduldet wurden.

Beispiel: Im oben beschriebenen umgekehrten Fall kommt die aus ihrer Sicht benachteiligte PTA nach der Mittagspause zurück in die Apotheke und arbeitet nachmittags weiter. A sieht das und reagiert nicht.

Die Überstunden waren weder von A angeordnet noch waren sie von ihm gebilligt, da er zuvor die andere PTA um die Ableistung von Überstunden gebeten hatte. Sie waren aber möglicherweise geduldet, da A die PTA nach Ende ihrer regulären Arbeitszeit hätte nach Hause schicken können. Stattdessen hat er gesehen, dass sie nachmittags arbeitet und dies nicht verhindert. Er muss die Überstunden daher auch vergüten.

Variante: A bemerkt zunächst nicht, dass die PTA nachmittags in die Apotheke zurückkehrt und arbeitet. Erst nach zwei Stunden sieht er sie und schickt sie nach Hause.

Durch die selbstständige Entscheidung, Überstunden zu leisten, erwirbt die Mitarbeiterin keinen Anspruch auf Vergütung. A muss die zwei Überstunden nicht bezahlen.

Die Vergütung kann sowohl in Fortzahlung des Gehalts erfolgen als auch in Gewährung von Freizeitausgleich. Werden Überstunden ausbezahlt, so werden sie grundsätzlich mit dem gleichen Stundensatz bezahlt wie die üb­liche Arbeitszeit auch. Ein Anspruch auf Zahlung von Zuschlägen besteht nicht in jedem Fall.

Beispiel: Die beiden Teilzeit-PTAs werden zusätzlich im Wechsel nachmittags eingesetzt. Anstelle der üblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden kommen sie so auf 30 Wochenstunden.

Beide PTAs erhalten für die Zeit des Urlaubs ihrer Kollegin 50% mehr Gehalt als üblicherweise. Ein Anspruch auf Zahlung von Überstundenzuschlägen besteht nicht.

Variante 1: Auf die Arbeitsverhältnisse ist der BRTV anwendbar. Die Mitarbeiterinnen verlangen unter Berufung auf §8 BRTV Überstundenzuschläge.

Nach §8 BRTV ist neben der Vergütung der Überstunden ein Mehrarbeitszuschlag zu zahlen. Hier ist aber zwischen Überstunden und Mehrarbeit zu unterscheiden. Mehrarbeit im Sinne des BRTV liegt erst vor, wenn die apothekenübliche Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche überschritten wird. Die PTAs haben keinen Anspruch auf Zahlung eines Zuschlags, da sie während des Urlaubs ihrer Kollegin weniger als 41 Stunden in der Woche eingesetzt werden.

Variante 2: Auf die Arbeitsverhältnisse ist der BRTV anwendbar. Während des Urlaubs der Vollzeitkraft wird nur eine der Teilzeit-PTAs eingesetzt, die 45 Stunden in der Woche arbeitet anstelle der im Vertrag vereinbarten 20.

Der BRTV sieht einen gestaffelten Zuschlag vor, der sich nach der Anzahl der Mehrarbeitsstunden (nicht der Überstunden) richtet. So ist für die 41. bis zur 50. Wochenstunde ein Aufschlag von 25% zusätzlich zur Grundvergütung zu zahlen, ab der 50. Stunde von 50%. Für die Teilzeit-PTA bedeutet dies, dass die 21. bis 40. Wochenstunde zwar vergütungspflichtige Überstunden sind, aber keine zuschlagpflichtige Mehrarbeit. Ein Anspruch auf den tariflichen Zuschlag für die Mehrarbeit hat sie erst ab der 41. Wochenstunde.

Variante 3: A möchte, dass die PTA die Überstunden nach der Urlaubs­rückkehr der Kollegin abfeiert und bietet an, anstelle einer Auszahlung der Überstundenvergütung 25 Stunden bezahlte Freizeit zu gewähren. Die PTA ist damit nicht einverstanden.

Der BRTV gibt dem Apothekenleiter in §8 Absatz 3 die Möglichkeit, anstelle einer Auszahlung die Überstunden durch Gewährung von Freizeit auszugleichen. Ob die Überstunden in Geld oder in Freizeit abgegolten werden, liegt in der Entscheidungsmacht des Apothekenleiters. Allerdings sind auch bei der Abgeltung durch Freizeit die Zuschläge nach §8 Ziffer 1 BRTV zu beachten. Die PTA erhält daher für die ersten 20 Überstunden eine Freizeit von 20 Stunden, für die darüber hinaus geleisteten 5 Stunden Mehrarbeit zusätzlich 6,25 Stunden bezahlte Freizeit (5 Stunden zuzüglich 25% Zuschlag).

Jasmin Theuringer, Rechtsanwältin, Bellinger Rechtsanwälte und Steuerberater, 40212 Düsseldorf, E-Mail: theuringer@bellinger.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(13):11-11