Prof. Dr. Reinhard Herzog
Ende 2010 wären es 20 europäische Banken und Sparkassen gewesen, die den „Stresstest“ nicht bestanden hätten, jetzt waren es nur acht der 91 Teilnehmer: Fünf spanische Geldhäuser, darunter vier regionale Sparkassen, zwei griechische Banken und mit der Österreichischen Volksbank auch ein Institut aus dem Nachbarland haben die Kriterien verfehlt. Gegenüber der noch jungen „European Banking Authority“ (EBA) mussten alle Teilnehmer darlegen, dass sie auch in Krisenzeiten bestehen können. Maßstab dafür waren zwei Szenarien:
- Die Wirtschaft wächst in Europa in diesem und im kommenden Jahr erwartungsgemäß um 1,5% bzw. 1,8%, es kommt zu keinen Änderungen.
- Die Volkswirtschaften in Europa schrumpfen bis Ende 2012, das Bruttoinlandsprodukt geht um 4% zurück, Arbeitslosigkeit und Zinsen steigen drastisch, die Aktienkurse brechen massiv ein.
Zumindest nach offiziellen Angaben ausgeklammert wurde das viel diskutierte dritte Szenario, die Pleite eines Eurolandes.
Dass die Ergebnisse wesentlich besser ausgefallen sind als bei früheren Auswertungen, ist zum einen der guten Konjunktur, zum anderen aber auch den Sparbestrebungen der Kreditinstitute zu verdanken. Nach Schätzungen von Experten haben die Geldhäuser 40 Mrd.€ bis 50 Mrd.€ in die Stärkung ihrer Eigenmittel investiert – ein letztlich recht positives Signal.
Doch selbst wenn jetzt die ersten Banken anfangen, mit dem guten Abschneiden beim Stresstest zu werben, sollte man kein uneingeschränktes Vertrauen haben. Schließlich ist der Test in erster Linie auf die Eigenmittelausstattung fixiert: Die Geschäfte müssen mit mindestens 5% Kernkapital unterlegt sein, um ihn zu bestehen. Die Diskussionen beginnen bereits mit der Definition dieser Eigenmittel: Weder bei den spanischen Sparkassen noch bei einigen deutschen Landesbanken, die den Test knapp bestanden haben, sehen die regionalen Aufsichtsbehörden Bedarf für eine Mittelaufstockung, hingegen fordert die EBA entsprechende Sparanstrengungen.
Aber auch dass die mögliche Pleite eines Eurolandes ausgeklammert wurde, sehen Kritiker als erhebliches Manko. Denn längst nicht jedes Kreditinstitut ist gleichermaßen in Ländern wie Griechenland oder Portugal engagiert, sodass eine solche Entwicklung manche stärker, manche weniger stark treffen könnte – und dies unabhängig von der Eigenmittelausstattung. Zudem wurden auch Währungsszenarien wie etwa der starke Anstieg des Schweizer Franken sowie die Diskussionen um die Zahlungsfähigkeit der USA Kritikern zufolge im Stresstest viel zu wenig berücksichtigt. Nicht zuletzt gilt der billionenschwere Derivatehandel der Großbanken immer noch als Damoklesschwert, das zu Turbulenzen oder gar Pleiten führen könnte.
Als Anleger sollten Sie sich daher nicht durch Werbung ködern lassen, sondern Ihre Geschäftspartner nach Kriterien wie Leistungsumfang, Kosten und Service auswählen. Bei deutschen Geldhäusern sind die Risiken einer Insolvenz ohnehin gering, zudem hat Bundeskanzlerin Merkel erst Mitte Juli wieder versprochen, dass „deutsche Spareinlagen uneingeschränkt sicher“ sind.
Vorsicht bei ausländischen Instituten
Zunehmend Vorsicht ist hingegen bei ausländischen Instituten geboten, die derzeit in Deutschland u.a. für hochverzinste Tages- und Festgelder werben und dabei auf ihr gutes Abschneiden beim Stresstest verweisen. Die Konditionen sind zwar oft verlockend und die Zugehörigkeit zu einem Einlagensicherungsfonds im Heimatland suggeriert Vertrauen. Ob angelegte Gelder jedoch bei einer größeren Insolvenz wirklich sicher sind, wird von vielen Experten bezweifelt.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(16):14-14