Sinkende Margen

Kaum Gewinn trotz „gut gehender“ Apotheke


Prof. Dr. Reinhard Herzog

2 Mio.€ Umsatz und ein Betriebsergebnis nur wenig über 50.000€ – gibt es so etwas? Ja, und zwar immer häufiger! Während die Umsätze immer weiter gestiegen sind, verfallen die Margen zunehmend. Welche Möglichkeiten gibt es, sich trotzdem zu behaupten?

War vor nicht allzu langer Zeit bereits ein „typischer“ Umsatz Garant für ein existenzsicherndes Einkommen – Sonderfälle ausgenommen –, so dreht sich der Wind zunehmend. Selbst ohne grobe eigene Fehler kann die Ertragsbasis trotz ordentlicher Umsatz- und Kundenzahlen so verfallen, dass es eng wird. Wie kommt es so weit? Und welche Gegenmaßnahmen gibt es?

Umsatz ist nicht gleich Ertrag

Dass der Umsatz nicht dem Ertrag entspricht, ist ja keine neue Erkenntnis. Auch die ausgewiesene Handelsspanne, d.h. der Rohertrag in Prozenten vom Nettoumsatz, trägt nur einen Teil zur Wahrheit bei. Es gibt in der Tat rentable Apotheken mit Spannen unterhalb der 20%-Marke – das sind allerdings Ausnahmefälle mit im Gegenzug extrem hohen Umsätzen. Die heute infolge des AMNOG häufigen Roh­ge­winn­sätze im Bereich von 23% bis 26% werden jedoch für etliche umsatzschwächere Betriebe schon sehr knapp. Das Fallen der magischen „25%-Marke“ ist somit bereits vielfach erfolgt und so­gar bei typischer Umsatzstruktur sind Werte darunter keinesfalls mehr selten.

Damit werden Regionen erreicht, wie wir sie vom Lebensmittel­einzelhandel kennen. Selbst Drogeriemärkte operieren heute eher mit größeren Margen, erreichen allerdings nur etwa ein Drittel des Korbumsatzes der Apotheken. Doch letztlich zählen der absolute Rohertrag und weiterhin der spezifische Ertrag je Bonkunde – sie entscheiden über „Sein“ oder „Nicht-Sein“.

Bisher haben steigende Umsätze die fallenden Margen zumeist kompensiert und so den Ertrag je Bonkunde stabilisiert. Durch das AMNOG kommen die Spannen jedoch überproportional unter Druck – und der wirkliche Einschnitt droht vielen Apotheken, die bisher noch einen „Burgfrieden“ in Bezug auf ihre Großhandelskondi­tionen schließen konnten, erst nächstes Jahr. Gleichzeitig erodieren die Di­rektbezugsrabatte und der Aufwand je Kunde ist leider erheblich gestiegen.

Umsatzzuwachs kein Selbstläufer mehr

Der stete Umsatzzuwachs ist ebenfalls kein Selbstläufer mehr. Haben bislang innovative Prä­parate sowie leicht steigende Rx-Packungszahlen für Wachstum gesorgt, so beschneidet das AMNOG dies zunehmend. Lediglich die Entkoppelung des „echten“ Herstellerpreises (bei dem der Herstellerabschlag bzw. individuell ausgehandelte Kassen­rabatte einzurechnen sind) vom heute nur noch kalkulatorischen Herstellerpreis im Apothekenrechner verschleiert diese Entwicklungen.

Die überproportionale Erosion der Gewinne ist auf eine sich beschleunigende „Scherenbewegung“ zurückzuführen:

  • Die Roherträge stagnieren nicht nur, sie drohen jetzt reformbedingt real zu schrumpfen.
  • Die Kosten steigen aber weiter, u.a. infolge des erhöhten administrativen Aufwands, zunehmend aber auch aufgrund inflationärer Entwicklungen.


Insbesondere die Kostensteigerungen spielen sich an vielen, oft auf den ersten Blick kaum bemerkten Stellen ab:

  • Je GKV-Rezept dürften, verglichen mit der Vor-Rabattvertrags-Ära, kalkulatorisch (Personalzeit!) rund 0,50€ bis 1,00€ allein durch die Zusatzbürokratie verloren gehen. Das Privatrezept droht jetzt als nächstes zum bürokratischen Schlachtfeld zu werden.
  • Viele Dienst- und Handwerker­leistungen, Versicherungen, Ver­brauchsmaterialien, Energie- und Raumpflegekosten etc. werden unbemerkt teurer, hier beginnt die Inflation bereits zu laufen – aufgrund der oft eher kleinen Differenzbeträge lange un­bemerkt. Etliches verbirgt sich in den betriebswirtschaftlichen Auswertungen unter dem Sammelposten „Sonstiges“ – nach Personal oft der größte Einzelposten! Schauen Sie in diese „Wunder­tüte“ einmal genauer hinein...
  • Sie werden sich bei näherer Betrachtung wundern, für was Sie alles Beiträge, Kosten­be­teiligun­gen, Verwaltungsgebühren usw. zahlen. Zwar oft Kleinbeträge, die sich aber beträchtlich aufsummieren und denen man nur schwer entgehen kann.
  • Personalkosten sind längst nicht nur mehr Bruttogehalt plus gesetzliche Sozialversicherung. Zahlreiche Zusatzleistungen – bis hin zu Dienstwagen oder Zusatz-Altersvorsorge – verursachen nicht nur Kosten für die Leistung selbst, sondern auch für den beträchtlichen administrativen Auf­wand, nicht zuletzt unter steuerlichen und buchhalterischen Aspekten.
  • Der Wareneinsatz steigt nicht nur wegen der aktuellen Großhandelsproblematik, sondern auch infolge vieler kleiner und oft versteckter Konditionsverschlechterungen im Direktgeschäft, bei Rabatten, Skonti etc. Eine Falle lauert bei Preiserhöhungen seitens der Lieferanten im frei kalkulierten Segment: Nicht immer passt das Apotheken-EDV-System die Verkaufspreise automatisch an, hier muss dann manuell nachgesteuert werden (durch Eingabe eines neuen Verkaufspreises).

Übersicht herstellen

Übersicht ist das Gebot der Stunde! Viele Kollegen wissen gar nicht so recht, wo jeden Monat das Geld hingeht. Eine Liquiditätsplanung ist deshalb heute ein unverzichtbares Werkzeug, genauso wie ein „Abweichungs-Management“: Achten Sie im ersten Schritt auf wesentliche positive wie negative Abweichungen Ihrer Kennzahlen vom Durchschnitt und schauen Sie dann im zweiten Schritt auf die „Benchmarks“, die Werte der Besten.

Beherzigen Sie das KISS-Prinzip: Keep it simple and stupid! Lassen Sie sich möglichst nicht auf Dinge ein, die hohe Folgekosten verursachen (das ist bei vielen technischen Spielereien oder im EDV-Bereich für etliche Zusatzmodule der Fall, aber auch bei manch neuen kommerziell angebotenen „Marketing-Ideen“) oder großen zusätzlichen administra­tiven Aufwand erfordern (das findet sich z.B. bei vielen Lohnzusatzleistungen wie Dienstwagen, Altersvorsorge etc.).

Schließen Sie konsequent „Baustellen“: Ob die dahindümpelnde Filiale ohne Aussicht auf Besserung, ein gärendes Personalpro­blem oder auch ein gespanntes Verhältnis zu einem Ihrer wichtigsten Verordner – ergreifen Sie die Initiative, gehen Sie Probleme an, ziehen Sie auch einmal Schlussstriche oder stellen Sie Dinge auf eine neue Basis.

Versuchen Sie, Ihre Raumkosten im Griff zu behalten. Mieten, die noch auf der Basis von Rohgewinnen von über 30% bezahlt wurden, sind heute vielfach nicht mehr tragfähig, insbesondere, wenn es sich um eine der zahlreichen Peripherie- und 1b-Lagen handelt. Denn bei gerin­geren Margen drücken hohe Fixkosten umso mehr. Da die Mieter für solche Lagen nicht gerade Schlange stehen (und schon gar nicht mit der Bonität einer Apotheke), sind hier im Einzelfall durchaus Zugeständnisse herauszuhandeln. Für den Vermie­ter steht nämlich ebenfalls viel auf dem Spiel – richtet sich der Wert der Immobilie doch nach dem nachhaltig erzielbaren Mietertrag.

Vielfach wird mit dem Thema Energie noch großzügig umgegangen – sei es durch überheizte Räume oder unökonomische Leuchtmittel. Ein näherer Blick ist häufig lohnend, spürbare Verbesserungen sind oft ohne hohe Investitionen erzielbar.

Mühlstein Schulden

Während in der deutschen Wirtschaft insgesamt die Verschuldung zurückgegangen ist, wird sie speziell bei den Apotheken in letzter Zeit eher größer – insbesondere bei solchen, die stark expandiert haben, teilweise in wenig ertragreiche Segmente wie Versandaktivitäten oder zu schwache Filialen.

Abgesehen von der Tilgungslast ist perspektivisch die Wahrscheinlichkeit steigender Zinsen groß. Ein Prozentpunkt höhe­re Zinsen bedeutet je 100.000€ Restschuld nun einmal 1.000€ mehr Zinsen pro Jahr im Falle der Umschuldung oder bei Kreditneuaufnahme. Für sich allein genommen ist das vielleicht gar nicht so viel, im Zusammenwirken mit den anderen „Scherenbewegungen“ kann es aber doch schnell bedrohlich werden. Wer unter einer hohen Schuldenlast leidet, sollte sehen, dass er sich die momentan noch günstigen Zinsen langfristig sichert. Er geht damit in jedem Fall ein geringeres Risiko ein, als mittelfristig mit womöglich stark steigenden Zinsen konfrontiert zu werden.

Ansonsten kann nur geraten werden, das Thema Schulden sehr sorgfältig an die Ertragslage anzupassen, insbesondere bei zu­künf­tigen Investitions­ent­schei­dun­gen. Geringere Gewinne bedeuten niedrigere Unternehmens­werte, weniger Tilgungsspielraum und damit auch kleineren Spielraum für eine be­triebliche Verschuldung. Ab einem Schuldenstand von etwa einem Jahres-Rohertrag oder aber bei mehr als dem Dreifachen eines Jahres-Cashflows sollten langsam die Warnlampen angehen – Überschuldung droht bei weiteren Engagements.

Preise erhöhen?

Ist das Thema Inflation aktuell, überraschen den Kunden Preissteigerungen an und für sich nicht – er kennt sie aus anderen Lebensbereichen. Steigen zudem die Löhne etwas stärker, wird das Geld auch wieder mit leich­terer Hand ausgegeben. Soweit die Theorie.

In der Apotheke haben wir jedoch eine spezielle Situation. Die typische Apothekenkundschaft –Rentner, häufig sozial Schwache und Kranke, aber nur vergleichsweise selten die „Gewinner“ des Arbeitsmarkts mit Top-Einkommen – profitiert vom Aufschwung unterproportional, erlebt inflationäre Entwicklungen aufgrund des geringen Einkommenszuwachses aber besonders belastend. Eine Strategie der pauschalen Preiserhöhung ist also bei den meisten Standorten (Ausnahme mögen manche Nobelmeilen oder Einkaufstempel sein) gefährlich, zumal bei der heutigen Konkurrenzlage.

Sortimentsspezifisch differenziert gibt es allerdings Spielräume. Produkte, die meist von etwas besser Gestellten erworben wer­den, vertragen gewisse Zuschläge: ausgewählte Kosmetik­linien, hochwertige Spezial­produkte, bedeutende Teile des Naturheil- und Alternativsortiments. Zuschlagen kann man auch an unbemerkten Stellen: Statt 0,89€ werden genauso 0,99€ akzeptiert. Manch ein Produkt in der Griffzone am HV-Tisch kann statt 2,59€ auch 2,99€ kosten, vielleicht sogar noch mehr. Realistisch betrachtet, vertragen vielleicht 20% bis 30% des frei kalkulierten Bar­umsatzes eine Preiserhöhung in der Gegend von im Schnitt etwa 4% bis 5%, jedoch sehr sorgfäl-tig nach einzelnen Produkten differenziert.

In einer durchschnittlichen Apotheke mit etwa 300.000€ OTC- und Freiwahlumsatz errechnen sich daraus Preiserhöhungser­löse in der Größenordnung von rund 2.500€ bis 4.500€ jährlich. Damit saniert man keinen Betrieb, vernachlässigbar ist es aber auch nicht. Zu beachten ist dagegen der Aufwand der manuellen Preispflege.

Expandieren?

Angesichts schwindender Renditen liegt der Gedanke nahe, dann wenigstens die Umsätze schnell durch Zukauf auszuweiten. 5% von einer höheren Umsatzbasis ergeben immer noch ein „schönes Geld“. Prinzipiell ist dieser Ge­danke nicht falsch, allerdings illus­triert er auch die zunehmend verzweifelte Lage und si­gnalisiert, dass ein einziger „normaler“ Betrieb bald nicht mehr zur Existenzsicherung ausreichen könnte – ein gefährliches Signal...

Der Umsatzzukauf durch Filialisierung ist indes nur sinnvoll, wenn damit kein großer Gewinnverwässerungseffekt einhergeht. Macht die Hauptapotheke 6% Gewinn und die Filiale nur knapp 3%, erhöhen Sie nicht die Stabilität, sondern kaufen wackelige Gewinne ein, die durch weitere Einschnitte oder individuelle Ereignisse vor Ort ganz schnell marginalisiert oder sogar zu manifesten Verlusten werden können.

Rentableren Umsatz zukaufen

Sind die Filialen hingegen so stark, dass sie zum einen als „Profitcenter“ ohne Personal- und Warentausch sowie andere aufwendige Koordination auf eigenen Füßen stehen können und zudem die Rendite der Haupt­apotheke nur noch um ein bis allenfalls zwei Prozentpunkte unterschreiten, beginnt das Ganze tatsächlich zielführend zu sein. Noch besser ist es, wenn Sie rentableren Umsatz zu angemessenen Preisen hinzukaufen können, d.h., die Filiale schreibt also bessere Renditen als Sie bisher. Das sind die Fälle, in denen Filialen wirklich von Vorteil sind.

Dr. Reinhard Herzog,
Apotheker, 72076 Tübingen,
E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(16):5-5