Ute Jürgens
Ein Team ist mehr als eine Gruppe von Mitarbeitern, bei der jeder „vor sich hin werkelt“. Man arbeitet mit Aufmerksamkeit füreinander zusammen, unterstützt sich gegenseitig, verzichtet auf Blockaden und darauf, sich immer wieder als Einzelner in den Vordergrund zu stellen. Die Apothekenleitung sorgt dafür, dass die gemeinsamen Ziele im Fokus sind, und ist bereit, sich sowohl für die gemeinsame Aufgabe als auch für ihr Team einzusetzen.
Ein Hochleistungsteam ist zunächst definiert durch eine anspruchsvolle Aufgabe. Diese ist nur durch Interaktion miteinander, auch durch die Abhängigkeit voneinander und ständige Innovation zu lösen. Die Individualisten mit ihren jeweils unterschiedlichen Begabungen integrieren sich durch Konzentration auf die Ziele des Betriebs in das Team, das dann als Ganzes mehr erreicht als jeder für sich. Dass sich Dissonanzen, Probleme und Konflikte dabei ergeben, ist nicht nur normal, sondern eher als wertvoll einzustufen, weil durch die Unterschiede viel Neues entstehen kann. Die Haupttriebkraft der Gruppe ist Neugierde.
Der Apothekenleiter wirkt demotivierend, solange er nur Anordnungen gibt und negative Kritik ohne jegliche Wertschätzung äußert. Je besser dagegen das Team in Planungen und Denkweise der Betriebsführung eingeweiht ist, Zusammenhänge versteht und das eigene Tun als sinnvoll empfindet, desto eher entsteht das Gefühl von Herausforderung, das von innen heraus anfeuert.
Beispiele für Hochleistungsteams sind Operationsteams genauso wie Orchester. Ein ganz Besonderes dieser Art ist die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, die ihr eigenes Funktionieren wissenschaftlich begleitet und daraus ein einzigartiges Managementtraining entwickelt hat. In dem Buch „Hochleistung braucht Dissonanz“ von Christian Scholz und Albert Schmitt werden fünf Gegensatzpaare vorgestellt, deren Ausbalancierung das Hochleistungsteam nährt.
Sinn und Notwendigkeit
Was soll das Team erreichen und was soll es seinen Mitgliedern geben? Als Angestellter erhält man seine Arbeitsumgebung gesund, indem man sich auf den täglichen Wettbewerb einlässt und ihn als notwendig anerkennt. Die Ansprüche der Kunden fordern heraus, das Verhältnis zu Ärzten und die Zusammenarbeit mit Heimen oder anderen Institutionen ebenso. Die Messlatte liegt hoch und bestimmt die Ziele mit. Die Einsicht in die Notwendigkeiten des Alltags wie die Akzeptanz gesetzlicher Vorschriften, die einem das Leben schwer machen, steht einem Sinn und darüber hinaus einem definierten Teamziel gegenüber. Dieses wird mit Idealismus verfolgt, es besteht eine Vision und die täglichen Aktivitäten werden als sinnvoll erlebt. Wofür stehen wir als Team, was unterscheidet uns positiv von anderen? Will sich das Team darüber hinaus auch sozial betätigen? Damit engagiert man sich jenseits des eigenen beruflichen Bereichs, nimmt Kontakt mit der Umwelt auf und definiert seinen Sinn auch aus dieser Interaktion.
Die Autoren William R. Miller und Stephen Rollnick (siehe Buchtipp auf S. 9) bringen es auf den Punkt: „Die bessere Frage ist nicht: ‚Warum ist diese Person nicht motiviert?‘ sondern ‚Wozu ist diese Person motiviert?‘“ All dieses wird nicht von der Leitung recherchiert, sondern entsteht durch Fragen und Diskussionen im Team selbst. Hierbei fließen auch persönliche Werte der Mitglieder ein. Übrigens: Ein Team, das fähig ist, seine Konflikte konstruktiv zu lösen, ist erfolgreicher als eines ohne Konflikte.
Das Ergebnis der Sinnsuche wird schriftlich festgehalten, am besten in einem Slogan, der dann auch nach außen hin wirkt. Einmal Definiertes ist nicht für alle Zeiten festgeschrieben, sondern wird fortlaufend auf Aktualität überprüft und gegebenenfalls modifiziert.
Hierarchie und Demokratie
Hochleistungsteams werden zwar nicht ohne, aber auch nicht ausschließlich durch Hierarchie gesteuert. Letztere ist zum Beispiel bei Entscheidungen sinnvoll, die unter Zeitdruck getroffen werden müssen. Eine demokratische Struktur stellt die erforderliche Kombination aus Kreativität und Professionalität sicher. Egal wer eine Idee für besondere Aktionen, organisatorische Verbesserungen oder soziales Engagement hat: Er bringt sie ein. Mit ausschließlich demokratischem Vorgehen riskiert man allerdings endlose Diskussionen, man dreht sich schließlich im Kreis beim Entscheiden von Details. Der Wechsel zwischen hierarchischer und demokratischer Aktivität kann sehr kurzfristig erfolgen.
Perfektion und Abenteuer
Das Team entwickelt sich immer weiter, in regelmäßigen Besprechungen wird Resümee gezogen: Was lief gut, bestens und wie können wir es noch besser hinbekommen? Ein individuelles Verweigern existiert nicht, alle ziehen am gleichen Strang.
Viele erfolgreiche Betriebe unterliegen zu leicht dem Fokussieren auf Leistungsziele, Lernziele kommen dabei schnell ins Hintertreffen. Man arbeitet dann mit den gleichen Fähigkeiten immer mehr oder schneller, anstatt sich um das Erweitern der Fähigkeiten zu kümmern. Motivieren Sie daher lieber zu mehr Nachdenken und dem Erweitern der Fähigkeiten als zu mehr Arbeit!
Das Abenteuer besteht z.B. im Improvisieren auf Basis ausreichender Planung und Vorbereitung. Ein frei gehaltener Vortrag im Rahmen einer Aktion oder eines Gesundheitstages kommt meistens beim Publikum besser an als das Vorlesen aus Angst, nicht perfekt und fließend zu formulieren. Probiert man die Dinge aus, lässt sich durch Variieren das Beste selektieren und dann im Repertoire verankern. In diesem Beispiel kann das entweder vorher geschehen oder – wenn man eine Vortragsreihe veranstaltet – beim Lernen im Prozess.
Energie und Konzentration
Kollektive Energie entsteht aus individueller Konzentration. Das Wirken in die gleiche Richtung, mit der gleichen Vision schafft Leidenschaft. Teammitglieder und Leitung inspirieren sich bei aller Unterschiedlichkeit der Charaktere gegenseitig. Bei höherer Arbeitsintensität ist die Grenze vor dem Zuviel zu wahren, vor allem in Zeiten starker Beanspruchung, wenn Energien zum Beispiel durch Einarbeiten in ein neues Computersystem, Mehrarbeit durch Krankheits- und Urlaubsminderbesetzung und andere Herausforderungen gebunden werden.
Erfolg und Spaß
Spaß bedeutet hier, dass die Tätigkeit in der Apotheke Freude bringt, man nicht nur fachliche und ökonomische Befriedigung findet, sondern gerne zur Arbeit geht. Der Chef kann dazu beitragen, indem er die Arbeitsplätze angenehm einrichtet, Arbeitskleidung abspricht oder Rituale einführt wie einmal im Monat ein gemeinsames Frühstück. Geht im Hochleistungsteam der Spaß Einzelner verloren, ist es nicht mehr weit bis zum Ende der Hochleistung. Wichtig ist die gemeinsame Identität des Teams, sie ist zwar wandelbar, aber der Einzelne empfindet sich immer als Teil des Ganzen mit Werten und Zielen. Die Kunden profitieren vom „Superklima“ statt von einem „normalen“, Motivation von außen und „oben“ ist überflüssig.
Zwingend sind ein klar artikuliertes Bekenntnis zu Erfolg und Spaß und ein bewusstes Erschaffen dieser Energielieferanten. Das alte, immer noch in vielen Apothekenkellern nistende „Wer lacht, arbeitet nicht“ sollte daher endgültig des Hauses verwiesen werden.
Ute Jürgens, Kommunikationstrainerin
und Einzelcoach, KomMed, 28865
Lilienthal, E-Mail: KomMed@freenet.de
Buch-Tipp
Christian Scholz, Albert Schmitt: Hochleistung braucht Dissonanz, Verlag Wiley-VCH, 2010, 29,90€
William R. Miller, Stephen Rollnick: Motivierende Gesprächsführung, Lambertus-Verlag, 2009, 26,50€
zu beziehen über den Deutschen Apotheker Verlag
(Telefon: 0711/2582 341, Telefax: 0711/2582 290,
E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de)
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(16):9-9