Klaus Hölzel
Hinter vorgehaltener Hand macht sich im Apothekenteam zunehmend eine Ansicht breit: Der Chef läuft immer häufiger mit einem „Tunnelblick“ durch die Apotheke, scheint doch sehr mit sich selbst beschäftigt zu sein und nimmt die Mitarbeiter um sich herum kaum noch wahr. Das Bedürfnis nach Kommunikation wird immer weniger befriedigt.
Aber auch im Team läuft es nicht wirklich rund. Es gibt Probleme mit der neuen Auszubildenden – sie macht schwer nachvollziehbare Fehler. Das Team reagiert darauf mit verletzender Kritik, Beschwerden werden als persönlicher Vorwurf formuliert, wobei der Auszubildenden Schuld und Versagen unterstellt werden. Ein Beispiel hierfür ist etwa der in herablassendem Tonfall und genervt dahingeschleuderte Satz „Das ist so typisch für die!
“Und dann sind da noch die rund zehn Prozent Kunden, die immer als besonders schwierig gelten: Migranten, Menschen am unteren Ende der sozialen Stufenleiter, Ausgegrenzte und Außenseiter – als Kunden eben nicht wirklich angesehen, manchmal sogar von einigen HV-Mitarbeitern als verachtungswürdig betrachtet. Das wird häufig durch Sarkasmus und Zynismus ausgedrückt oder durch Augenrollen, Verhöhnen und respektlosen, abschätzigen Humor.
Toleranz und Rücksichtnahme notwendig
In dieser Apotheke fehlt es an der voraussetzungslosen Anerkennung des anderen. Das bedeutet weniger als Zuneigung, aber mehr als oberflächliche, gleichgültige Toleranz. Nicht gemeint ist damit die ritualisierte Höflichkeit, Obrigkeitsgläubigkeit und der Gehorsam, vor allem dem Chef gegenüber. Respekt ist vielmehr eine aktive Grundhaltung gegenüber anderen.
Diese Form des gegenseitigen Berücksichtigens auf Augenhöhe ist unerlässlich für eine gute Zusammenarbeit miteinander und gegenüber den Kunden und Geschäftspartnern. Zu dieser Grundeinstellung findet man in der modernen Welt der Äußerlichkeiten und Casting-Trends nicht durch die makellose Figur, das glatte Gesicht oder ein Talent zum Multitasking, sondern durch die innere Haltung und Wertschätzung.
Der Chef als Respektsperson hat ausgedient
Korrupte Politiker, gedopte Spitzensportler und Topmanager, die Millionen kassieren, während sie Arbeitsplätze abbauen, ernten keinen Respekt. Die alten Autoritäten wiederum wurden vor gut 40 Jahren nachhaltig infrage gestellt. Das betraf damals die Generation der „Senior-Chefs“ in Apotheken. Heute bedeutet Chef eher Einer unter Gleichen, ein Dienstleister gleichwohl für Kunden wie für das Team, aber eben auch Eigentümer und Arbeitgeber. Von der Respektsperson bleibt so viel wie nötig: Beschaffer von Arbeitsplätzen, anerkannter Fachmann in der Pharmazie, kommunikativer Chef mit hoher Führungskompetenz – das ist doch auch schon eine ganze Menge!
Wenn der Respekt ausbleibt – aufgeblähte Egos

Werteskala in der Apotheke
Wie kann Respekt in der Apotheke gelebt werden? Dazu gehören einige Verhaltens- und Denkregeln, die gar nicht so schwer einzuhalten sind.
- Voraussetzung ist eine gute Selbstachtung, um anderen respektvoll gegenübertreten zu können. Wer sich in seiner eigenen Haut nicht wohlfühlt, wird es schwer haben, ein respektierter Kollege zu werden.
- Wichtig ist die Erkenntnis, dass die Welt des Gegenüber eine andere ist als die eigene. Wenn man nicht gelernt hat, sich in die andere Person hineinzudenken, dann wird es schwer, weil man sich zu sehr um sich selbst dreht.
- Respekt erweist man vor allem dadurch, dass man aufrichtig, verlässlich und verbindlich antwortet. Es gibt nichts Schlimmeres, als keine Antwort zu bekommen.
- Banal, aber immer noch nicht überall realisiert: Das Team schöpft nicht das aus, was es leisten könnte, wenn der Chef nicht würdigt und belohnt. Man wird frustriert, wenn man in einem chronischen Wertschätzungsdefizit lebt.
- Zum Respekt gehört das Einhalten von Zusagen, die unbedingte Zuverlässigkeit eben.
- Zuwendung und Mitgefühl bei schwierigen Lebenslagen drücken einen Respekt aus, der im Apothekenalltag nicht untergehen sollte.
- Entschuldigen einerseits und Akzeptieren andererseits gehören zum respektvollen Umgang in der Apotheke, in der nie völlig fehlerfrei gearbeitet wird.
- Zu den häufigsten Fehlern in der Führung zählen die Tricks, die kleinen Unwahrheiten, um das eigene Ziel zu erreichen. Es fehlt also an Achtung – eine Voraussetzung für Respekt.
Alles wäre so einfach, würde man der simplen Regel folgen, wonach man Menschen so behandelt, wie man selbst behandelt werden möchte – mit Respekt.
Dipl.-Volkswirt Klaus Hölzel,
Apotheken Management-Institut GmbH,
65375 Oestrich-Winkel,
E-Mail: sekretariat@apothekenzukunft.de
Buchtipp
Richard Sennett: Respekt im Zeitalter der Ungleichheit, Berlin Verlag, 2010, 11,99 €
zu beziehen über den Deutschen Apotheker Verlag (Telefon: 0711/2582 341, Telefax: 0711/2582 290, E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de).
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(17):9-9