Ergänzung zu den externen Betriebsvergleichszahlen

Rohgewinn- und Gewinnrichtsätze 2010


Ursula Hasan-Boehme

Die Gewinnrichtsätze 2010 sind nach wie vor unverändert gegenüber 2006. Umso wichtiger ist daher die Auseinandersetzung mit den immer größer werdenden Abweichungen zu den Markt­daten der Apotheken – und für den einzelnen Apotheker die Klärung der eigenen Differenzen.

Das Bundesministerium der Finanzen hat die „Richtsatzsammlung für das Kalenderjahr 2010“ veröffentlicht. Grundlage für diese sog. amtlichen Gewinnrichtsätze sind die Ergebnisse von Betriebsprüfungen. Sie dienen den Veranlagungsstellen der Finanzämter und den Betriebsprüfern als Orientierung zur Höhe von Rohgewinnen und Gewinnen der ausgewiesenen Branchen, so auch der Apotheken.Die Richtsätze werden in Prozenten vom Nettoumsatz angegeben. Dabei soll der Mittelsatz die Ergebnisse von Normalbetrieben wiedergeben, während die Rahmensätze den unterschiedlichen Verhältnissen der Einzelbetriebe Rechnung tragen sollen.

Vergleich zu Vorjahren

Vergleich mit externem Betriebsvergleich

Die allgemeine Marktentwicklung der Apotheken lässt sich aus den Ergebnissen des ex­ter­nen Betriebsvergleichs 2010 der TREUHAND HANNOVER GmbH, Steuerberatungsgesellschaft, ent­nehmen (vgl. AWA–Ausgabe Nr. 13 vom 1. Juli 2011).

Danach betrug der durchschnittliche Rohgewinn im Jahr 2010 im Westen 26,3% vom Netto­umsatz und lag damit um 1,7%-Punkte unterhalb des Mittelsatzes. Dabei wurden die Zwangsabschläge an die GKV so berücksichtigt, wie sie tatsächlich von den Rechenzentren abgerechnet wurden, d.h. die ersten vier Monate mit 2,30€ und meist ab Mai mit 1,75€. Für die neuen Bundesländer lag der durchschnittliche Rohgewinn­satz mit 24,1% sehr deutlich unter dem Mittelsatz und bereits unter dem unteren Rahmensatz. Rohgewinne in der Größenordnung des oberen Rahmensatzes von 31% sind heute nur noch sehr selten, bei Vorliegen außergewöhnlicher Strukturgegebenheiten erreichbar.

Bei den Gewinnen sind die Abstände noch größer. Der Mittelsatz der Richtsätze beträgt 9%, demgegenüber liegt das steuer­liche Betriebsergebnis der Umsatz-typischen Apotheke deutlich darunter, nämlich nur bei 5,8%. Selbst bei durchschnittlich umsatzstarken Apotheken wird der Mittelsatz bei Weitem nicht erreicht.

Auch die Rahmensätze spiegeln die aktuelle Situation kaum noch wider. Den unteren Rahmen von 5% erreichen im Westen gut 40%, im Osten rund ein Drittel der Apotheken nicht. Demgegenüber sind Gewinne von 13% nur noch sehr selten erreichbar.

Besonderheiten des Gewinnbegriffs

Die Abweichungen erklären sich nicht allein aus der großen Zeitdifferenz, sondern teilweise auch aus besonderen Begriffsdefini­tionen der Finanzverwaltung. Der Reingewinn der Richtsätze muss zwangsläufig höher ausfallen, weil bei seiner Ermittlung die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes nicht voll umfänglich berücksichtigt werden. Die wesentliche Abweichung besteht darin, dass Sonderabschreibungen (außer der Sofortabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter) nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden. Während in den Richtsätzen bis 2009 die Zinsaufwendungen für langfristige Verbindlichkeiten nur teilweise abgezogen wurden, ist diese Einschränkung in den Richtsätzen 2010 fallen gelassen worden.

Anwendung der Richtsätze in Betriebsprüfungen

Die Betriebsprüfer können und sollen die Richtsätze zur Orientierung in Betriebsprüfungen nutzen. Vorteilhaft ist es für den Steuerpflichtigen daher, wenn sich die eigenen Daten innerhalb der Rahmensätze befinden oder gar dem Mittelsatz entsprechen. Dies ist heute kaum noch möglich. Was darf der Betriebsprüfer bei Abweichungen tun?

Wurden die Buchführungsergebnisse formell ordnungsgemäß ermittelt, so dürfen nach ständiger Rechtsprechung Abweichungen der erklärten Gewinne oder Umsätze in den Steuererklärungen und den Jahresabschlüssen der Einzelbetriebe von den Richtsätzen nicht allein für Hinzuschätzungen bei Gewinn oder Umsatz herangezogen werden. Jedoch muss davon ausgegangen werden, dass der Betriebsprüfer in solchen Fällen seine Ermittlungen zu den Abweichungen intensiviert. Insbesondere durch die digitale Überprüfung der Warenwirtschaft können Prüfungen viel tiefer gehen. Apotheker sollten daher Umstände darlegen können, die die Abweichungen erklären. In der Praxis hat sich aber auch herausgestellt, dass manche Betriebsprüfer mangels genauerer Kenntnis der Vorgänge in der Warenwirtschaft – insbesondere bei Rohgewinnverprobung – falsche Schlussfolgerungen ziehen, die fachkundig entkräftet werden müssen.

Wichtig ist, sich möglichst zeitnah um die Aufklärung von Abweichungen zu bemühen, solange die Sachverhalte noch frisch im Gedächtnis sind. Die Erklärungen sollten verfügbar sein, wenn eine Betriebsprüfung ansteht. Jedoch auch unabhängig von einer Betriebsprüfung sollte der Unternehmer im eigenen Interesse den Abweichungen nachgehen, insbesondere wenn die eigenen Ergebnisse nicht nur von den Richtsätzen, sondern vor allem von der allgemeinen Marktlage nach unten abweichen.

Unterschiede bei Kostenpositionen sind meist vergleichsweise einfach und plausibel zu begründen. Entscheidend für Gewinnabweichungen sind Wareneinsätze bzw. Rohgewinne. Schwierigkeiten bereitet, dass bei Rohgewinn­abweichungen vielfältige Ursachen infrage kommen. In einer genaueren Rohgewinnanalyse ist diesen nachzuspüren. Eine Rolle spielen die absolute Umsatzhöhe und eine besondere Umsatzstruktur, z.B. ein hoher GKV-Umsatzanteil am gesamten Umsatz, der Anteil verschreibungspflichtiger Arzneimittel (Rx) und de­‑ren durchschnittliche Preisstellung sowie preispolitische Maßnahmen im OTC-Bereich.

Einen wichtigen Einfluss auf den Rohgewinn haben die effektiven Einkaufskonditionen, auch wenn die Einkaufsvorteile in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen sind. Die Einkaufsvorteile hängen ihrerseits wiederum von vielen Faktoren ab, z.B. von der Umsatzstruktur und von der Verteilung der Einkäufe auf Großhandel und Direktbezug. In 2011 sind die Funktionsrabatte an die Apotheken weiter zurückgegangen durch Überwälzungsvorgänge des sogenannten Großhandelsabschlags.

Durch eine professionelle Roh­gewinnanalyse und eine Rabattüberprüfung, wie sie beispielsweise die TREUHAND HANNOVER anbietet, lassen sich zum einen im Hinblick auf spätere Betriebsprüfungen Abweichungen aufklären und zum anderen ggf. Ertragsreserven aufspüren. Für das unternehmerische Handeln der Apothekeninhaber sind aktuelle Benchmarks nötig. Diese können externe Betriebsvergleiche liefern, wenn sie zeitnah und so differenziert sind, dass auch Besonderheiten des eigenen Betriebs widergespiegelt werden.

Dipl.-Volkswirtin Ursula Hasan-Boehme,
Steuerberaterin, TREUHAND HANNOVER GmbH,
Steuerberatungsgesellschaft,
30519 Hannover,
E-Mail: ursula.hasan- boehme@treuhand-hannover.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2011; 36(18):5-5